Weihnachtsspende mit Hindernissen

Thomas Klatt · 03.12.2011
Eine halbe Million eingetragene Vereine, mehr als 17.000 private Stiftungen, dazu lokale Initiativen und mehr – Spender haben in Deutschland eine riesige Auswahl. Gerade vor Weihnachten geben viele Menschen Geld. Wohin, das sollte sich jeder gut überlegen.
"Wenn Sie sich an die Vorschläge im Flyer halten, bleibt Ihr Schuhkarton genauso, wie er ist. Eine Mischung, was zum Spielen, was zum Naschen, was zum Kuscheln, was zum Waschen, sagen wir immer. Natürlich auch ein Junge 10 bis 14 freut sich über ein Kuscheltier."

Projektleiterin Diana Molnar wirbt für die Aktion "Weihnachten im Schuhkarton". Denn man könne gerade in der Weihnachtszeit noch mehr tun, als einfach nur Geld zu spenden:
"Weihnachten im Schuhkarton ist eine globale Marke. Wir möchten Weihnachten in einem Schuhkarton vermitteln, das ist zum einen Hoffnung nach dem christlichem Glauben, die wir aber niemandem überstülpen, sondern anbieten. Knapp 8,2 Millionen Päckchen wurden im vergangenen Jahr gesammelt: USA, Kanada, England, Finnland, Deutschland, Österreich, Schweiz, Hongkong. Australien, Spanien, insgesamt knapp 8,2 Millionen Päckchen."

In derzeit 115 Länder wird die fromme Fracht geschickt. Die rund 500.000 Päckchen aus Deutschland gehen vor allem nach Osteuropa. Zu dem Karton wird lediglich eine Portospende von 6 € erbeten. "Weihnachten im Schuhkarton" wirkt seriös, zumal die Aktion das DZI-Spendensiegel trägt. Das bedeute aber nur, dass hier ordentlich und transparent abgerechnet werde, sagt Cornelia Schattat vom Berliner Missionswerk. Gut gemeint sei eben noch nicht gut gemacht, bemängelt sie:

"Kommt dieses Geschenk bei den Kindern wirklich an? Ich nehme mal ein Beispiel: Hier in Deutschland kennen wir individuelles Spielzeug. Kinder haben ihren Teddy, die lieben ihren Teddy und brauchen den immerzu. In anderen Ländern ist dieses individuelle Spielzeug unter Umständen gar nicht Tradition. Von daher ist ein Geschenk von einem Kind hier, das nicht seinen Teddy hergeben soll, sondern möglichst einen neuen Teddy schenken soll, ist von hieraus gut gemeint, aber das Kind in dem anderen Land kann mit einem solchen Geschenk vielleicht gar nichts anfangen."

Einen Karton mit viel Liebe und Engagement packen und einem armen Kind damit eine Freude bereiten - wer könnte etwas dagegen haben? Kritiker werden denn auch angegangen, wieso sie armen Kindern nicht etwas Gutes tun wollten. Die Entwicklungsexpertin Cornelia Schattat beharrt aber auf der Frage, ob die Aktion "Weihnachten im Schuhkarton" wirklich gut und sinnvoll ist:

"Die Entwicklungspolitiker sagen, wenn man in anderen Ländern Kindern was Gutes tun will, sollte man lieber dort die Wirtschaft unterstützen, dort die Entwicklung fördern, damit den Kindern aus den dortigen Mitteln dann was kriegen, was sie wirklich brauchen."

Träger von "Weihnachten im Schuhkarton" ist der Berliner Verein "Geschenke der Hoffnung", der eng mit dem US-amerikanischen evangelikalen Hilfswerk Samaritan's Purse, zu Deutsch die Brieftasche des Samariters, zusammenarbeitet. Vorsitzender dort ist Franklin Graham, Sohn des berühmten Evangelisten Billy Graham. Franklin Graham fiel in den vergangenen Jahren durch antiislamische Äußerungen auf.

Auch die evangelikalen Missions-Aktivitäten von "Samaritan's Purse" in muslimischen Ländern sind umstritten, etwa im Irak. Dabei komme es immer wieder zu Konflikten, berichten Kritiker. Viele christliche Kirchen vor Ort, aber auch Angehörige anderer Religionen lehnen diese Verteilung von Weihnachtsgeschenken und die damit beabsichtigte Missionierung daher ab.

Die Kartons werden nur mit einem Gummiband versehen abgegeben, angeblich, um noch einmal alles kontrollieren zu können und Lücken mit Sinnvollem aufzufüllen. Schon vor Jahren kam der Verdacht auf, dass die Organisatoren von "Weihnachten im Schuhkarton" ohne Wissen der Spender heimlich christliches Missionsmaterial hineinlegen würden. Projektleiterin Diana Molnar weist die Vorwürfe zurück:

"Das war nie der Fall, ist ganz praktisch gesehen auch unmöglich, wir wissen ja gar nicht, wo der Schuhkarton hinkommt, in welcher Sprache sollen wir denn was beilegen."

Allerdings gibt Molnar zu, dass die Kirchenpartnergemeinden vor Ort beim Schenken christliches Erbauungsmaterial in der jeweiligen Landessprache verteilen. Das sei aber eine verdeckte Mission im Schuhkarton, bemängelt Cornelia Schattat, die auch Beauftragte für den kirchlichen Entwicklungsdienst der Berliner Landeskirche ist:

"Insofern gibt es hier in Deutschland viele Menschen, die da nicht wissen, wem sie ihr Paket in die Hand geben. Sie wissen auch nicht, dass in der Regel damit eine Art Missionsveranstaltung verknüpft ist. Früher haben wir dazu Reischristentum gesagt: Wenn du zum Gottesdienst kommst, dann kriegst du da was zu essen. Und damit lockt man mit dem Geschenk oder mit dem Essen die Leute zu einer erbaulichen Veranstaltung, die sie vielleicht gar nicht wollen."

Über eine halbe Million Vereine, Stiftungen, Initiativen und karitative Werke in Deutschland werben um Geld- und Sachspenden. Vor allem in der Vorweihnachtszeit werden die Bürger mit Spendenaufrufen in Zeitungen oder per Post geradezu überhäuft. Nicht selten werben Spendensammler auch direkt auf der Straße oder an der Haustür. Nur, wie soll man sich im deutschen Spendendschungel zurechtfinden? Thomas Müller von der Stiftung Warentest gibt wichtige Hinweise:

"Man sollte sich informieren, bevor man spendet, nicht spontan impulsiv irgendwo spenden, dem Nächstbesten. Sondern tatsächlich mal bei den Organisationen nachfragen, Tätigkeitsberichte lesen. Wenn ich auf der Straße angesprochen werde, dann sollte ich auf mein Bauchgefühl hören, werde ich unter Druck gesetzt. Das ist oft ein Kennzeichen für unseriöse Organisationen, das machen seriöse Organisationen nicht. Also das ist dann ein ganz deutlicher Hinweis, dann sollte ich wirklich nichts spenden."

Gewissenhaftes Spenden ist anstrengend, erfordert es doch einiges an Vorwissen über die Organisation, der man Geld oder Gaben anvertraut. Das Wichtigste sei eben, sich genau zu informieren und sich von den oftmals blumig-phantasievoll-karitativen Namen der Organisationen nicht täuschen zu lassen.

"Namen sind Schall und Rauch, da kann man nicht viel dran ablesen. Der Name hat mit der Seriosität einer Organisation nichts zu tun."
Kritische Artikel oder Berichte findet man relativ schnell im Internet. Auch journalistische Webseiten wie Charitywatch.de geben Hinweise auf die Seriosität von Spenden-Organisationen. Weiter gibt es Dachverbände wie den Deutschen Spendenrat oder den Verband deutscher entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen VENRO, deren Mitgliederorganisationen sich einer kritischen Überprüfung unterziehen.

"Organisationen, die dort organisiert sind, werden überprüft von Dritten, dass dort die Finanz- und Tätigkeitsberichte von unabhängiger Seite überprüft werden."

Zudem kann man sich auch am sogenannten Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen, DZI, orientieren. Allerdings werden beim DZI nur überregionale Organisationen erfasst. Aber selbst hier sei immer Vorsicht geboten.

"Es kann immer sein, dass eine Organisation, die mal überprüft wurde, trotzdem dann Management-Fehler macht oder auch tatsächlich kriminell handelt, davor ist niemand gefeit, dass man wirklich auch einer Organisation dann spendet, die, obwohl sie ein Siegel hat, doch mit den Geldern nicht gut umgeht."

"Was meinst Du denn, was fehlt der noch, was müssten wir noch dran machen? Ein bisschen basteln?"
"Augen dran machen..:"

Antje Edler schmückt mit ihrer dreijährigen Tochter eine Handpuppe, die sie für 2,50 Euro im Eine-Welt-Laden gekauft hat. "Weltweit Wichteln" heißt die Aktion, die von Missionsgesellschaften der Landeskirchen getragen wird. Im Kindergarten wollen sie gemeinsam ein Päckchen mit persönlichen Grüßen und bemalten Puppen packen und zu einem Partnerprojekt nach Kenia schicken. Antje Edler:

"Es geht einfach darum, dass Kinder weltweit in Kontakt treten können und auf ihrer Ebene miteinander kommunizieren können, und voneinander lernen können, wie die anderen leben und was denen wichtig ist."

Auch die Christenlehre-Gruppe der evangelischen Kirchengemeinde Werneuchen-Seefeld östlich von Berlin beteiligt sich in diesem Jahr an der Aktion "Weltweit Wichteln". Joana ist in der 4. Klasse.

"Also da haben wir so Autos gebastelt aus Blechbüchsen, mit Korken, und das hat dann so schön gerasselt."

Spielzeug aus Abfall basteln. Auch hier geht es darum, sich in die Welt afrikanischer Kinder hineinzudenken. In diesem Jahr soll das Wichtel-Paket zu einem AIDS-Waisenheim in Tansania gehen. Die Katechetin Petra Böhnke:

"Wir hatten uns schon damit beschäftigt mit dem Land, und was die Kinder dort zum Spielen haben und was nicht, und die machen sich ja viel aus dem, was sie finden. Und Schule, haben wir glaube ich sogar einen kurzen Film gesehen, dass die nicht in eine Schule gehen wie wir Schule kennen, dass das ein festes Haus ist. Sondern aus verschiedenen Dörfern trifft man sich unter dem Schulbaum."

Joana: "Ja da hatten wir so ein Buch drüber gekriegt. Da war ein kleiner Junge, und er hat alle gefragt, wo ist denn die Schule, und alle haben gesagt, ja da unter dem Baum."

"Weltweit Wichteln" zielt auf zwischenmenschlichen Austausch, künftige Brieffreundschaften, ja vielleicht sogar dauerhafte Partnerschaften. Katechetin Petra Böhnke hat auch schon an der Aktion "Weihnachten im Schuhkarton" mitgemacht. Auch wenn bei einem Preis von 2,50 Euro pro Püppchen und rund 50 Euro Porto eine stattliche Summe zusammenkommt, die den Haushalt der kleinen Gemeinde ziemlich belastet – dass sie sich in diesem Jahr für "Weltweit Wichteln" entschieden hat, bereut sie nicht.

"Die Kinder haben alle gesagt, dass Weltweit Wichteln ihnen viel mehr Spaß gemacht hat. Püppchen anmalen und so, das hat mehr Spaß gemacht, die haben da ne ganz andere Verbindung zu, als nur so einen Karton zu packen. Und es hat die Kinder auch geärgert, dass sie beim Karton nicht wissen, wo er hingeht, dass man das vorher nicht weiß und auch nicht mitbestimmen kann. Also von der Aktion her, vom Machen und Tun und dass die Kinder dazu ne Verbindung kriegen, ist Weltweit Wichteln bei Weitem besser."

Spender wollen eben auch ihre Freude haben bei der Sache. Der Nutzen für die Empfänger sollte dabei allerdings nicht aus dem Blick geraten.
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