Weihnachtskrippen aus der Provence

Wenn sich ein ganzes Dorf um die Krippe schart

"Santons de Provence", traditionelle provenzalische Krippenfiguren
"Santons de Provence", traditionelle provenzalische Krippenfiguren © dpa / picture alliance / EPA / Sebastien Nogier
Von Peter Kaiser · 25.12.2016
In der Provence sehen die Weihnachtskrippen etwas anders aus als hierzulande: Jeder Dorfbewohner kann als Santon, als Tonfigürchen, darin auftauchen. Tausende Euro kann so eine Krippe teuer werden.
Verkäuferin: "Der Santonmarkt ist gesättigt. Es gibt eine Menge Hersteller. Wir hier verkaufen Accessoires zu den Krippen. Häuser, Brücken, Bäume, alles drum herum."
Santons, übersetzt: die "kleinen Heiligen", sind provenzalische Krippenfiguren. Jede Familie in der Provence kauft pro Jahr ein bis drei Figuren zur bestehenden Krippe hinzu. Entweder hier auf einem der Santonmärkte in Marseille, oder direkt beim Hersteller, etwa in der Santonwerkstatt Carbonel in Marseille.
Dort legt Michel Barbaudy das Unterteil der "Moule", wie man die Tonform nennt, gerade in den Schraubstock, dann legt er das Oberteil darauf. Das Ganze wird zusammengepresst, dann wird die Moule wieder geöffnet. Lächelnd hält der Patron, der Chef der Werkstatt, eine etwa sieben Zentimeter große Tonfigur in die Höhe. Ein Mann im blauen Hemd und mit weißer Zipfelmütze, der beide Arme in die Höhe reißt und zu rufen scheint: "Die Welt ist schön." Es ist die Santonfigur "Ravi", der Dorfnarr.
Susanne Zürn-Seiller: "Das ist einer, der immer glücklich ist..."
Wohl nirgendwo auf der Welt ist die Vielfalt der weihnachtlichen Krippenfiguren reicher als hier, in Marseille, der Hauptstadt der Provence. Susanne Zürn-Seiller vom Tourismusbüro erklärt, warum die Krippen hier so besonders sind.
"Zu einer provenzalischen Krippe gehören nicht nur Maria, Josef, das Jesuskind und die Drei Heiligen Könige, sondern das ganze Dorf. Das heißt, es gibt die Bäckerin, es gibt den Fischer, es gibt den Wasserträger, es gibt den Trommler, es gibt die Frau, die Wein verkauft, es gibt den Mönch, es gibt den Priester, es gibt den Zuckerbäcker. Es gibt natürlich auch Häuser in der provenzalischen Krippe. Es gibt den Stall, es gibt Brücken, es gibt Wasser, es gibt Bories, diese kleinen Steinhäuschen, die man auf den Feldern in der Provence findet. Taubenschläge. Dazu gehören natürlich auch Ifs, diese typischen Bäume der provenzalischen Landschaft, das heißt: das ganze Dorfleben findet sich in der Krippe wieder."

Der Arbeitsvorgang ist seit zwei Jahrhunderten derselbe

Alles begann mit der Französischen Revolution. Die Kirchen wurden geschlossen und das Krippenaufstellen zu Weihnachten verboten. Doch die Provenzalen fanden einen Weg, in dem sie Figuren aus Brotteig herstellten und mit Wasserfarben bemalten. Bis zum Jahr 1800 standen die Santons in allen Familienkrippen. Dann formte der Marseiller Jean Louis Lagnel eine Tonfigur, nahm einen Abguss, presste Tonerde in die so gewonnene zweiteilige Form, brannte die Figur 24 Stunden lang bei 1000 Grad, und bemalte sie dann. Der Arbeitsgang ist bis heute derselbe geblieben.
Michel Barbaudy: "Die Santons sind sehr arbeitsaufwändig. Die Tonerde ist nicht sehr teuer, aber die Arbeit, die dahinter steckt. Diese Krippen werden in der Familie übertragen, von der Großmutter zum Enkelkind, und pro Jahr werden ein bis drei Santons gekauft. Manche kaufen natürlich zehn, aber das ist eher selten."
Aus bis zu 250 Santons kann die Krippe einer Großmutter etwa bestehen. Bei einem Stückpreis von 12 bis 100 Euro ist so eine provenzalische Krippe dann mehrere tausend Euro wert. Reich werden könne man als Santonnier dennoch kaum, sagt Michel Barbaudy, der Beruf ist mehr eine Berufung. Man ist Santonnier oder man ist es nicht.
"Also erst mal braucht man die Leidenschaft für diese Figuren. Zweitens eine künstlerische Begabung, weil es handelt sich darum, einen Prototypen zu machen, einen Santon, das heißt einen Prototyp zu entwickeln. Anschließend wird er reproduziert anhand der Formen. Aber der erste Santon muss künstlerisch gestaltet werden."

Alles in Handarbeit

Meist gehören zu einem Santon mehrere Moules. In der ersten Form wird die Figur gebrannt. In einer weiteren dann Accessoires wie beispielsweise ein Hut, ein Regenschirm, eine Gans.
Susanne Zürn-Seiller: "Es geht bis zu angezogenen Santons, das heißt große Santons die Kleider bekommen aus Stoff. Jeder Santonnier hat so ein bisschen seine Spezialität. Manche machen ganz naive Gesichter, manche machen schwere Gesichter, viele Falten, manche sind lustige Figuren, jeder Santonnier hat so seinen eigenen Stil."
Folgt man in der Santonwerkstatt Carbonel noch der alten Handwerkstradition, so ist das in manchen Werkstätten anders. Zwar geschieht dort ebenfalls alles per Handarbeit, nur sind die Motive aktueller....
Susanne Zürn-Seiller: "Sie können sich Ihren Santon machen lassen, aber hier in Marseille nicht..."
"Was heißt das, ich kann mir meinen machen lassen?"
"Das heißt, Sie können dort hingehen, und er wird den Santon nach Ihnen machen. Das heißt, Sie werden sich in der Krippe wiederfinden."
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