Weihnachtshits

Rockig dudelt es unter dem Christbaum

Von Ralf bei der Kellen · 11.12.2014
Es weihnachtet - in diesen Wochen ist es häufig zu sehen und zu riechen. Und zu hören ist es auch: Neben traditionellen Liedern waren es in den vergangenen fünf Jahrzehnten vor allem Popsongs, die uns auf das Weihnachtsfest einstimmen.
Jede Generation hat ihren eigenen Weihnachtshit – als ich Teenager war, war es "Last Christmas von Wham! Das Phänomen gibt es aber schon seit den 20er-Jahren – als Geburtsstunde des Weihnachtspop gilt allgemein Irving Berlins "White Christmas" in der Interpretation von Bing Crosbys aus dem Jahr 1946. Nie war die Welt heiler ...
Aber erst in den 50ern nahm das Genre in den USA so richtig Fahrt auf – mit niemand anderem als dem King himself – der sich damit auch gleich einer Portion Rock'n'Roll-Authentizität entledigte. Bei Elvis trifft sich das Fest der Liebe mit Sex and Drugs and Rock'n'Roll, wenn der Weihnachtsmann ihm die verreiste Freundin in die Arme legt.
Weihnachten auf hoher See
In den 60er-Jahren schwappte das Genre dann auch an unsere Gestade – und trieb hierzulande vor allem im biederen Schlager Blüten, an die sich die derart sozialisierten Menschen bis heute mit Schaudern zurückerinnern. So zum Beispiel an Freddy Quinn, der 1963 das bis heute erfolgreichste deutschsprachige Weihnachtsalbum überhaupt aufnahm – "Weihnachten auf hoher See". Die Texte stammten immerhin aus der Feder des ansonsten eher für seine derb bis zotigen Balladen bekannten Malers und Schriftstellers Fritz Grasshoff – der sich hier aber sehr zurückhielt:
"Was wusste schon das Wasser / vom Abschied und vom Weh? Es lief am Weihnachtsabend / wie immer in die See... / Was wusste schon der Dampfer / vom Abschied, still und schwer? / Er suchte Weihnachtsabend / das große weite Meer."
Weihnachten ist eine poppige Party
In den 70ern sprangen die Rockmusiker auf den Weinachtspopzug auf – allerdings nur auf Englisch. Gottseidank, denn: die sprachliche Barriere erleichterte den Genuss dieser Lieder hierzulande ungemein – wobei "Merry Xmas Everybody" von Slade mit seiner simplen Weihnachten-ist-eine-Party-Botschaft da noch am ehrlichsten sein dürfte:
Der generelle Unterschied zwischen den klassischen Weihnachtsliedern christlicher Tradition und heutigen Popsongs: In ersteren geht es um das Fest und warum man es feiert, in letzteren vor allem um die Vorfreude darauf. Eben die wird allerdings durch die ewige Wiederholung von Liedern wie "Drivin' Home For Christmas" oder "Last Christmas" nicht unbedingt gesteigert.
Heute hat jede Subkultur ihre eigenen Weihnachtslieder – von Country bis Heavy Metal. Und immer geht es um das "Nach Hause kommen", das Ausruhen an Weihnachten, um die Kinder, mit denen man nun Zeit verbríngen kann. Aber wo, fragt man sich, sind eigentlich die Lieder, die den Stress der Vorweihnachtszeit, den mentalen Spagat zwischen Vorfreunde und selbstauferlegtem Konsumterror abbilden? Lieder, die sagen: 'ist doch komisch, dass man sich freut und gleichzeitig mies fühlt, aber: ich verstehe das'.
Zu Weihnachten wird gestritten
Und so kitschig das Ding auch sein mag – "A Fairytale Of New York" von den Pogues ist einer der wenigen Songs, der die Zerrissenheit des Fest-Vorlaufs zumindest ansatzweise zum Ausdruck bringt. Es ist der Streit eines Paares, dessen Hoffnungen in das Leben enttäuscht wurden und deren Auseinandersetzung in den Worten gipfelt: "Frohe Weihnachten, du Arsch, ich bete, dass es unser letztes sein möge!"
"Merry Christmas you arse, I pray to god it's our last. The bosy of the NYPD choir were singing ‚Galway Bay'... and the bells were ringing out on christmas day..."
Und gerade, gerade, als man dachte, das wäre es nun, und der ewig gleiche Mariah Carey-Clone würde jedes Jahr das ewig gleiche von demselben ewig gleichen zynischen Songschreiber-Team zusammencollagierte Lied neu aufnehmen – da besaß doch eine deutsche Band die Frechheit, mit einem ganz eigenen Weihnachtsalbum aufzukreuzen, das dann auch noch die definitive Lesart von "Last Christmas" enthielt. Danke, Erdmöbel.
"Weihnachten ist mir so egal / ich bin drei Karat Kaugummiautomat / schenk' Dir ohne Papier / mein billiges billiges Herz..."
Kommen wir nun abschließend zur Frage: was hören unterm Tannenbaum? Nichts? Nein, denn gehört werden muss, auch das ist Tradition, der Baum braucht Klangteppich. Ich löse das Problem, indem ich schwedische Weihnachtsmusik auflege – klingt festlich und ich verstehe kein Wort. God Jul.
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