Wege zur Unsterblichkeit

Ein Hauch des ewigen Lebens

Baby
Ein sechs Wochen altes Baby © picture alliance / dpa / Foto: Stephan Görlich
Von Susanne Billig · 04.02.2016
Der Mensch strebt zur Unsterblichkeit. Für viele sind Kinder ein Schritt zum ewigen Leben. Moderne Methoden wie das Schockfrosten mit flüssigen Stickstoff oder das sogenannte "Mind-Uploading" eröffnen hingegen völlig neue Möglichkeiten, für immer auf dieser Welt zu sein.
"When you're sad and when you're lonely, and you haven't got a friend, just remember, that death is not the end."
Alt ist die Sehnsucht nach dem ewigen Leben, die Bob Dylan hier schunkelnd besingt, allgegenwärtig der Tod zu Lebzeiten, ob eine Seele zum Himmel aufsteigt, bleibt ungewiss. Wiedergeburt und Paradies sind der Religion vorbehalten, doch ein paar Wege zum ewigen Leben gibt es – die eignen sich auch für Wissenschaftspositivisten.
"Denn unsterblich in Tönen lebt fort, was ein Mund kunstvoll erzählt hat", sang der griechische Dichter Pindar – und sicherte sich zweieinhalbtausend Jahre eine Erinnerungsspur in seiner Nachwelt. Wer hat sich nicht alles durch Werke unsterblich gemacht: Dichter, Diktatoren, Serienmörder, Philanthropen – die Liste ist lang. Menschen ohne besondere Begabungen greifen zur biologisch bewährten Variante.
Untsterblich werden durch Kinder
Seit dreieinhalb Milliarden Jahren hält die Evolution ihren Lebensumsatz auf diese Weise in Gang, und wer seinen Säugling auf dem Arm hält, kann ihn in der stolzen Elternbrust spüren – den Hauch des ewigen Lebens. Allerdings: Wenn der fortgepflanzte Genbestand in die Pubertät kommt und das Zusammenleben mit etwas terrorisiert, das Musik zu nennen sich Eltern kaum überwinden möchten, oder wenn man dereinst im Altersheim sitzt und sich niemand des eigenen Vorhandenseins erinnert – da nimmt das ewige Leben schon zu Lebzeiten Schaden. Und ganz gleich ob Kinder oder unsterbliche Werke – der Komiker Woody Allen hatte grundsätzliche Bedenken. "Ich will nicht dank meiner Filme unsterblich werden", sagte er. "Ich will unsterblich werden, indem ich nicht sterbe!" Das möchte die Wissenschaft möglich machen.

Ray Kurzweil: "People say, you take all these supplements and do all these special things with nutrition, do you really think this is going to enable you to live hundreds of years? I believe in fifteen years we well see very dramatic effects from biotechnology, with nanotechnology, things like nanobots..."
Langes Leben durch Schockfrosten
Jeden Tag schluckt der Futurist Ray Kurzweil zweihundertfünfzig Langlebigkeitspillen und ist davon überzeugt: Schon bald flitzen winzige Roboter durch den menschlichen Körper und bringen alles in Ordnung, was nicht mehr funktioniert. Altwerden und Sterben sind passé und jeder Mensch mit Geld im Portemonnaie lebt ewig, wie der der Süßwasserpolyp, der auch unsterblich ist, es sei denn, jemand frisst ihn auf. Damit die Erde nicht zu voll wird, müsste ein Teil der Menschheit ins dunkle All emigrieren, vielleicht der ohne Portemonnaie. Wer jetzt schon alt ist und es gern erleben möchte, kann sich bis dahin schockfrosten lassen in flüssigem Stickstoff. Wie ein Mensch aufgetaut aussieht, möchte man sich lieber nicht vorstellen. Aber es gibt eine fleischlose Alternative.
"Mind-Uploading" heißt das in der Fachsprache: Alles, was zum Bewusstsein eines Menschen gehört, soll sich in naher Zukunft digital abspeichern lassen – der Mensch als Null und Eins. Irgend jemand müsste später Lust haben, mit der Datenkopie auch herumzuspielen und sie zu aktivieren, wer weiß. Alternativ ließe sich das digitalisierte Bewusstsein in einen Roboter einbauen, der versuchen könnte, ein bisschen von dem zu realisieren, was Sterbliche gern mit ihrem Körper tun. Tanzen. Rumknutschen. Skateboard fahren. In die Badewanne steigen.
"Wohl ist alles in der Natur Wechsel, aber hinter dem Wechselnden ruht ein Ewiges", sagte Goethe. Vielleicht hat er das gemeint: Wer sich selbst wiedererkennt in allem, was lebt. Wer zufrieden ist, neu geboren zu werden mit jedem Kind, das neu geboren wird. Und mit jedem Wurm. Wer das Ewige in diesem Moment wahrnimmt, anstatt es in eine erdachte Zukunft zu projizieren – der ist das Problem der Sterblichkeit auch los. Nachhaltig, ressourcenfreundlich und elegant. Ohne Festplatte, Stickstoff oder Roboterbeine – und ab sofort.
Mehr zum Thema