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Die höhere Schule für Berlinologie

Radfahrer auf dem Tempelhofer Feld - die große Rund ist über sechs Kilometer lang.
Ein Fahrradfahrer auf der Tempelhofer Freiheit in Berlin: Radfahrer gelten den Berlin-Erklär-Spaniern als besondere Spezies. Und Berlins Verhältnis zu Flughäfen sowieso. © Eric Pawlitzky
Von Ellen Häring · 29.07.2014
Eine Anleitung für den Umgang mit Kampfradfahrern, Beratung zum Thema Haftpflichtversicherung oder praktische Lebenshilfe zum Thema Beitragsservice des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - eine Website bietet Vorlesungen, damit sich Exil-Spanier in Berlin zurechtfinden.
"Sie haben Mallorca, wir haben Berlin!"
So frohlockt auf der Titelseite ein Professor, der sich Shopenhaua nennt und sich so schreibt, wie der gemeine Spanier spricht: Sho-pen-hau-a. Jeder Spanier in Berlin sucht irgendwie Arbeit, deshalb gibt es Jobangebote auf der Website. Blöd, dass man dafür Deutsch können muss. Shopenhaua und Freunde helfen bei der Orientierung.In drei Monaten Deutsch lernen! Super-Angebot, das klickt der Spanier doch gleich an.
"Es ist unmöglich, in drei Monaten Deutsch zu lernen!",
schreibt Witzbold Shopenhaua darunter und steuert gleich noch eine Grafik bei. Tatsächliche und gefühlte Deutschkenntnisse nach drei Monaten im Vergleich. Die beiden Kurven gehen weit, sehr weit auseinander.
"Sie können beim Bäcker ein Brot bestellen. Er antwortet auf Englisch."
Gut, dass das Berliner Leben viel mehr zu bieten hat als Sprachkurse und Arbeitssuche, man muss sich nur zu bewegen wissen. Vorsicht vor Radfahrern!
"Der durchschnittliche Berliner Radfahrer ist perfekt ausgestattet und erwartet, dass alle – außer ihm - die Verkehrsregeln einhalten. Das geht so weit, dass er sich einem LKW entgegen wirft, wenn der seinen Radweg kreuzt und nach rechts abbiegen will, weil er ja schließlich im Recht ist."
Natürlich hat der Spanier keine Haftpflichtversicherung
Getoppt wird der durchschnittliche Berliner Radfahrer nur von Fahrradboten.
"Das sind Leute, die jeden Tag ihr Leben riskieren, um Dokumente von einem Ort zum anderen zu bringen, die man auch per Mail verschicken könnte. Manche führen sich auf wie Polizisten: 'Du fährst bei Rot über die Ampel' – 'Mach Platz hier!' - 'Schalt dein Licht an!' -
"Arschloch!"
"Hast du keine Haftpflichtversicherung? Das werden dich deine deutschen Freunde völlig überrascht fragen."
Natürlich hat der Spanier keine Haftpflichtversicherung, er weiß gar nicht, was das ist. Er hält die Deutschen einfach für übertriebene Sicherheitsfanatiker und Perfektionisten – Ausnahmen bestätigen die Regel. Im Mai stößt Professor Shopehaua auf eine solche:

"Heute vor zwei Jahren sollte der Berliner Flughafen eingeweiht werden."
"Er wird seit 2006 gebaut, das heißt seit acht Jahren."

"Und das Schlimmste ist: Niemand weiß, wann er fertig wird."
"Das ist furchtbar, das ist euch klar. Wir sind in Deutschland, ich wiederhole, DEUTSCH – LAND, und in Deutschland weiß man doch exakt, wann etwas fertig wird."
"Sie haben auch Chefs eingestellt, die eine Million Euro verdienen für’s Nichtstun. Made in Germany."
Das wiederum steht erst ganz am Ende des Vorlesungstextes, vielleicht weil so was bei den meisten Spaniern eher heimatliche Gefühle als Verwunderung hervorruft.
"Dann glotz den ganzen Tag ARD und ZDF"
Besonders viel Wert gelegt wird in der höheren Schule für Berlinologie auf die praktische Lebenshilfe:
"Wenn Sie in Deutschland leben, Berlin eingeschlossen, dann haben Sie vielleicht einen Brief mit einer Zahlungsaufforderung bekommen. Der Absender ist ARD/ZDF und Deutschlandradio."
Oh je, Unaussprechlich für die Spanier: Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio.
"Ja, es ist leider so, Sie müssen zahlen. Das empfehle ich hiermit. Aber ich empfehle auch, dass Sie sich so lange wie möglich blöd stellen, dass sie das Zeitlimit ausreizen und dass Sie NIEMALS ein Jahr im Voraus zahlen."
"Kumpel, damit kommst du aber spät. Ich zahle schon seit Mai, weil sich meine deutsche Freundin durchgesetzt hat."

Das schreibt ein Studierender der Berlinologie als Kommentar zur Vorlesung. Unter betriebswirtschaftlichen Aspekten sieht es für Prof. Shopenhaua eine Lösung für den Kumpel.

"Dann glotz jetzt den ganzen Tag ARD und ZDF und hör ununterbrochen Radio."

"Die Investition muss sich amortisieren!"