"Watkins Family Hour"

Intime Konzerte mit illustren Gästen

Ein Mann spielt auf einer Gitarre
Ein Mann spielt auf einer Gitarre © dpa / Oliver Berg
Von Fanny Tanck · 09.09.2015
Die Familie Watkins lädt seit 13 Jahren zu einer Konzertserie ein. Die "Watkins Family Hour" ist eher wie eine Session für Künstler aus der Bluegrass- und Folkszene. In intimer Atmosphäre sind hier musikalische Abende entstanden - und eine CD.
Genauso wie "Heimat" nicht unbedingt einen Ort beschreibt, bedeutet "Familie" nicht immer eine direkte Blutsverwandtschaft. Insbesondere, wenn es um Musik geht, meint "Familie" häufig eine künstlerische Seelenverwandtschaft. die Zugehörigkeit zu einer Szene oder einen ähnlichen Blick auf die Welt. Im Falle der "Watkins Family Hour" kommt beides zusammen, das Blut und der Geist. 2002 vom Geschwisterpaar Sara und Sean Watkins ins Leben gerufen, ist die "Watkins Family Hour" vor allem eines: informelle Begegnungsstätte und ein öffentliches Laboratorium für Musiker, die entweder permanent oder auf Stippvisite in LA verkehren.
Von abgedrehten Roots-Musikern über berühmte Folk- und Pop-Größen bis hin zu bekannten und weniger bekannten Singer-Songwritern haben Fiddlerin Sara Watkins und ihr Bruder Sean, seines Zeichens Gitarrist, bereits ein breites Spektrum an Künstlern hier begrüßen können. Sara Watkins liebt das Largo und ist dankbar, in diesem Ort das perfekte Zuhause für sich und ihre Wegbereiter aka "The Watkins Family" gefunden zu haben.
"Die Bluegrass- und Folkszene ist von Natur aus sehr gemeinschaftsorientiert und arbeitet eng zusammen. Jammen ist essentiell für jeden, der die Musik verstehen und lernen will. Und das hört nie auf. Auch, wenn manche von uns längst eigene, andere Karrieren verfolgen und genießen, lieben wir es immer noch - oder gerade - auf diese Weise zusammen zu spielen."
Mit einschlägigen Westküsten-Größen
Wie in einem privaten Wohnzimmer kommen für die "Watkins Family Hour" sowohl einschlägige Westküsten-Größen, als auch durchreisende Musiker zusammen, um sich kurzzeitig vom Tourleben zu entspannen, Neues auszuprobieren oder Altbekanntes in ungezwungener Atmosphäre aufleben zu lassen. Wer den Geschwistern Watkins auf der Bühne Gesellschaft leistet, weiß niemand je im Voraus und auch, was jeweils gespielt wird, bleibt bis zuletzt unklar. Oft sind es Lieblingslieder der Musiker, spontane Wünsche aus dem Publikum oder Neu-Kompositionen, die vor den Ohren einer treuen Community ihre Bühnentaufe bestehen. Auch Sara Watkins selbst probiert hier gerne neues Material aus.
"Es fühlt sich immer sehr natürlich an. Und es ist toll, dass ich durch diese Sessions auch die Möglichkeit habe, meine eigenen Songs zu präsentieren, herauszufinden wie sie am besten funktionieren. Ich liebe es einfach, diese Shows zu 'stemmen'."
So ist die "Watkins Family Hour" allmählich zu einer Gruppen- Institution abseits des Mainstreams avanciert und bis heute eine Musik-Fundgrube für alle, die den unwiederbringlichen, magischen Konzertmoment der Reproduzierbarkeit allzu glatt produzierter Tonträger vorziehen. Jeder Abend der "Family Hour" ist aus dem Moment geboren, lebt vom Handwerk und steht musikalisch für sich.
Musiker verstehen sich blind
Dennoch lohnt es sich mitunter, auch Live-Situationen, zumal solch seltene, nachzustellen und auf CD zu verewigen. In diesem Sinne ist die Platte "Watkins Family Hour" der Versuch der Geschwister, den besonderen Reiz ihrer Herzblut-Veranstaltung zumindest als Zeugnis festzuhalten. Mithilfe einer Supergroup lokaler Helden, die gleichsam den eingespielten Kern der Konzertreihe bilden, haben die Fiddlerin und der Gitarrist ihre Highlights aus dreizehn Jahren Familien-Show ausgewählt und mit der Watkins Family Hour Hausband im Studio eingespielt. Dabei bewegen sie sich vor demselben Horizont, der auch die Live-Sessions bestimmt: Es geht um Freude und Tiefe, nicht um Perfektion.
Hinter elf völlig unterschiedlichen Coverversionen hört man sechs Musiker, die sich tatsächlich blind zu verstehen scheinen. Mühelos schweben sie durch einen Songhimmel, der changiert wie die Jahreszeiten, kennen ihn in- und auswendig, lieben seine Blautöne, jedes Wölkchen darin, wissen genau, wie er sich anfühlt, dieser Himmel, kurz bevor es regnet, wissen aber ebenso um seine Weite und Strahlkraft wo immer die glamouröse Songwriter-Sonne mit wenigen Worten und viel Harmonie sämtliche Wolken in Licht auflöst.
Ob die Stimme Fiona Apples, die sich dem Country-Klassiker "Where I Ought To Be" annimmt, Sean Watkins sensible Interpretation eines bekannten Disney-Songs, oder die behutsamen Beats des Ausnahme-Drummers Don Heffington, die selbst einen alten Bob Dylan Song atmen und schwingen lassen kann, als sei er gerade erst geschrieben worden- durchweg ist es die Leidenschaft zur Sache, die die "Watkins Family Hour" so warm und rund macht. Und die Erfahrung, dass man "Familie" nicht nur sehen oder fühlen, sondern manchmal eben auch hören kann.
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