Wassernotstand auf dem blauen Planeten

30.04.2009
Das, was bei uns eine Selbstverständlichkeit ist, ist in vielen Teilen der Erde die Ausnahme: Über eine Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. In "Weltmacht Wasser" berichten 15 Reporter über die ungleiche Verteilung der lebenswichtigen Ressource und zeigen auf, wie man mit dem Wassermangel gerechter umgehen könnte.
An Warnungen vor einer drohenden Wassernot fehlt es nicht. Auf den ersten Blick scheint das absurd. Immerhin wird die Erde nicht zuletzt deshalb als blauer Planet bezeichnet, weil sie zu über 70 Prozent von Wasser bedeckt ist. Doch das ist salzig und taugt weder zum menschlichen Genuss noch zur Bewässerung der Felder. Nur 2,6 Prozent, also ein winziger Bruchteil, ist Süßwasser. Und selbst davon sind zwei Drittel in Gletschern und Schnee gebunden. Zudem ist das Frischwasser weltweit sehr ungleichmäßig verteilt. Einige wenige Länder besitzen den Löwenanteil, der Rest der Welt muss sparen, weil er nur über magere Vorräte verfügt und ihm auch der Wettergott wenig hold gesonnen ist. Ergebnis: Über eine Milliarde Menschen haben heute keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Mehr als zweieinhalb Milliarden Menschen leben ohne vernünftige Sanitäranlagen.

Die abstrakten Zahlen sind zu Genüge bekannt. Doch hinter ihnen verbergen sich menschliche Schicksale. Die ganz konkrete Not der Wasserhungrigen aufzuzeigen, ihren täglichen Kampf um ein paar Liter des kostbaren Nass, diese Aufgabe hat sich die Journalistin Silvia Feist als Herausgeberin des Reports ‚Weltmacht Wasser’ vorgenommen. 14 Kollegen haben sich an den Brennpunkten der bereits existierenden Wasserkrisen insbesondere in den Entwicklungsländern, aber auch in Europa und den USA umgesehen.

Klaus Ehringfeld zum Beispiel berichtet über die Millionenstadt Mexiko-Stadt, in der statistisch gesehen jeder Bürger pro Tag fast 300 Liter Wasser verbraucht, doppelt soviel wie ein Bundesbürger. Doch das Wasser bekommen viele nie zu Gesicht, denn es versickert aus maroden Leitungen oder wird in den reichen, gut versorgten Vierteln der Stadt hemmungslos verschwendet, unter anderem zum täglichen Autowaschen von fünf Millionen Fahrzeugen vergeudet. Umweltbewusstsein ist ein Fremdwort.

Immer wieder berichten die Reporter, dass gerade die Ärmsten in den unterversorgten Slums mangels Aufklärung das wenige Wasser, das ihnen zur Verfügung steht, auch noch verschmutzen, weil sie zum Beispiel ihre Fäkaliengruben nicht ausreichend abdichten oder Abflussrinnen zumüllen. Die Brunnen fördern verseuchtes Trinkwasser.

In vielen Städten der Dritten Welt kann die Infrastruktur dem Wachstum nicht folgen. Ständig entstehen neue, oftmals illegale Siedlungen landflüchtiger Bauern. Wasser gibt es oft nur an wenigen Zapfstellen oder Wasserträger verkaufen es teuer aus Kanistern. So müssen oft diejenigen, die am wenigsten Geld haben, am meisten dafür zahlen, während bei den Wohlhabenden billiges subventioniertes Nass aus dem Wasserhahn sprudelt.

Die Autoren berichten in Reportageform, überschütten den Leser nie mit Zahlen. Das macht die Dramatik der Situation besonders deutlich. Doch das Buch will auch Hoffnung geben. Es zeigt an konkreten Beispielen, wie sich Betroffene erfolgreich wie zum Beispiel in Südafrika gegen zu hohe Wasserpreise zur Wehr setzen und wie sie in Indonesien zur Selbsthilfe greifen. Die Wassernot ist kein unabänderliches Naturphänomen. Sie lässt sich meistern, auch wenn manches wie die Wiederaufbereitung von Abwasser zu Trinkwasser in Kalifornien nur für reiche Ländern bezahlbar ist. Zu den anschaulichen Beispielen, die Sylvia Feist in ihrem Report "Weltmacht Wasser" gesammelt hat, gehören aber auch Projekte wie wassergenügsame Reissorten, die in asiatischen Entwicklungsländern die Wassernot deutlich mildern können. So bietet das Buch eine gelungene Einführung in ein komplexes und vielschichtiges Problem.

Rezensiert von Johannes Kaiser

Silvia Feist (Hg.): Weltmacht Wasser. Weltreporter berichten
Herbig Verlag München 2009
255 Seiten, 14, 95 Euro