Wasser für die Republik

Von Volker Trauth · 23.04.2011
Es handelt sich um eine Lebensbeichte der Bergbäuerin Conxa, die in einer kargen Sozialwohnung in Barcelona auf ihr Leben in einem katalanischen Dorf zurückblickt: ein Leben voller Arbeit und Entbehrung, ein Leben aber auch voller Liebe und Zukunftszuversicht.
Es geht um Liebe zum Dorf, zu den Kindern und vor allem um die Liebe zum linkspolitisch orientierten Bauarbeiter Jaume. Dieser Jaume wird im Moment des tragischen Wendepunkts ihres Lebens inhaftiert und erschossen. Der spanische Bürgerkrieg findet seinen Widerhall im Leben und Denken der kleinen Leute.

Maria Barbal hat darüber geschrieben, wie schwer es war, eine Diktatur widerzuspiegeln in ihren Auswirkungen auf das Leben einiger Hundert Dorfbewohner. Das geschieht nach dem Prinzip "im Tautropfen die Welt". Wenn Jaume ein neues Bewässerungssystem entwickelt, das auch den Armen Wasser bringen soll, zeigt sich das neue Denken der Republikaner, und wenn der Dorfpriester gegen alle Art von Umsturz wettert, wissen wir, auf welcher Seite die Kirche stand. Darin liegt der Wert des Romans, dass hier das große Leben im kleinen gezeigt wird. In einer Vielzahl von scheinbar unspektakulären Begebenheiten entfaltet sich ein Kosmos dörflichen Lebens. Eine gestische, bild- und metaphernreiche Sprache zwingt Schauspieler, Leser und Zuschauer zum Finden eigener Assoziationen.

Schon im Roman erscheint die sich erinnernde wie die handelnde Conxa als überraschend widersprüchlich und facettenreich. Das kommt daher, dass keine in sich abgeschlossenen, kausal auseinander hervorgehenden Erzählstränge das Erinnern bestimmen, sondern exemplarische Inseln persönlichen Gedenkens. Bruchstückhaftigkeit und Facettenreichtum werden in der in Meiningen mit wenigen Veränderungen gespielten Theaterfassung noch verstärkt. Es gibt jetzt drei Conxas, die aus unterschiedlichen Lebensperspektiven heraus oder im Gleichklang der Gefühle ein tragisches Leben erinnern. Da hat dann auch Jan Steinbachs Inszenierung die stärksten Momente: im kalkulierten Wechsel von Gleichklang und Widerstreit der drei erzählenden Darstellerinnen.

Voller Vorfreude schmücken und schminken sich die Drei in Vorbereitung auf das erste Zusammentreffen mit Jaume, fast tonlos stammeln sie ihre Bewunderung über den Mannskerl heraus; eine erstarrt über den Albtraum von einem gesichtslosen Jaume und die beiden anderen umschlingen sich schluchzend und suchen dann in einer irren Anwandlung nach den Spuren des Vermissten. Dann aber - im jähen Wechsel – gibt es Streit. Eine schwärmt weiter vom Geliebten, die anderen beiden sprechen die nie ausgesprochenen Vorbehalte ihm gegenüber aus oder sie verbieten als Onkel und Tante die Verbindung.

Nur teilweise geht eine andere zentrale konzeptionelle Überlegung des Regisseurs auf. Hunderte von Requisiten, die in Reih und Glied auf der Bühne stehen, sollten durch das sich erinnernde Spiel der Schauspieler lebendig werden. Das funktioniert nur selten: die Ansammlung toter Dinge wird ein Warenlager, ihre Berührung weitgehend eine Hilfsbeschäftigung. Insgesamt ist das eine sehr ehrliche und intensive Arbeit, der es jedoch an schauspielerischem Differenzierungsvermögen fehlt. Nur selten der überraschende Bruch und die zweite und dritte Schicht des Vorgangs. Allerdings gibt es einen solch erschreckenden Bruch, wenn Liljana Elges zunächst über Jaumes´ Ausrufung der Republik Begeisterungsschreie herausstößt, um wenig später über die möglichen Folgen zu erschrecken.