Was wird aus dem Flughafen Tegel?

Ein Projekt in Warteschleife

Ein Verkehrsflugzeug der polnischen Fluggesellschaft Lot steht auf dem Flughafen Berlin Tegel. Im Hintergrund sieht man den Tower und das Flughafengebäude.
Ein Flugzeug der polnischen Fluggesellschaft Lot. © AFP / JOHN MACDOUGALL
Von Thomas Weinert · 14.02.2017
Er soll geschlossen werden, sobald der neue Airport BER eröffnet ist. Damit ist der Berliner Flughafen Tegel zum Zankapfel geworden. Die einen wollen ihn behalten, weil er so praktisch ist und einfach zu Westberlin dazu gehört. Andere wollen ihn dringend loswerden, um das Gelände anders zu nutzen
"Zwei Flughäfen wären ideal für Berlin, in London gibt es sieben. Andere Städte beneiden uns um diesen Flughafen."
Eine Frau am Infostand der Initiative "Tegel bleibt offen".
Ein Statement für Tegel auch aus der Führungsetage einer Fluggesellschaft:
"Berlin is a major city and should take advantage of having a central-city- airport.”
Und ein Lufthansa-Pilot, der Tegel liebt:
"Die Anordnung des Terminals und die Architektur ist ja zeitlos genial.”
Genervte Anwohner:
"Das geht überhaupt nicht und es wird ja auch immer mehr. Dann soll er als Regierungsflughafen bleiben, das wär in Ordnung. Wenn’s offen ist, dann ist es wie eine verlängerte Klospülung."
Und ein westberliner Journalist:
"Wissen Sie, Tegel ist für mich so etwas wie eine alte Wohnung, in der man aufgewachsen ist, die in die Jahre gekommen ist, aber überhaupt nicht mehr der heutigen Zeit und dem heutigen Stand der Technik entspricht."
Der Flughafen Tegel entzweit Berlin. Die einen wollen ihn behalten, weil er so praktisch ist und schön und einfach dazu gehört zu Westberlin, die anderen wollen ihn loswerden und endlich ein Gelände in der Stadt nutzen, das seit Jahren auf seine Entwicklung wartet: Neugründungen aus der Startup-Szene, eine Hochschule, tausende neue Wohnungen und ein Naherholungsgebiet.

Tegel bleibt - erstmal

Aber all das kommt nicht, weil der BER nicht kommt, der neue Hauptstadtflughafen. Erst vor wenigen Wochen verkündete der Regierende Bürgermeister, dass es wieder nichts wird mit der geplanten Eröffnung. Also jetzt 2018.
Tegel ist ein Flughafen in der Stadt, nordwestlich gelegen, vom alten Westberliner Zentrum ist man in 20 Minuten da, von der neuen Mitte dauert die Fahrt etwa doppelt so lang – je nach Verkehrslage. Vor der Auffahrt zum Flughafenterminal ragt ein riesiges Plakat in den Himmel, das die Zukunft des Flughafens Tegel verkünden soll: "Tower to the People" steht drauf, eine imaginäre Mauer wird eingerissen, dahinter der Kontrollturm der "Urban Tech Republic"
"Die Urban Tech Republic ist auf einer Fläche von etwa 2,2 Quadratkilometer das zentrale Kernprojekt, mit dem die ganze Entwicklung begonnen hat."
Philipp Bouteiller ist Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH.
"Seit 2008, also der Schließung Tempelhofs damals, gab es einen großen Partizipationsprozess, bei dem alle Stakeholder der Stadt miteinbezogen wurden und es wurde ergebnisoffen gefragt, was wollen wir eigentlich mit dem Flughafengelände von Tegel machen, wenn es schließt.?"
Philipp Bouteiller ist ein freundlicher Mann in den Vierzigern, er arbeitet mit seinem Team in einem Altbau in Charlottenburg. Bunte, bequeme Sessel in einem Besprechungszimmer, große Fotografien von Flugzeugen an der Wand. Flugzeuge auf dem Flughafen Tegel. Bouteiller ist Berlins Mann für die Zukunft von Tegel, seit Jahren schon sollte er sein Büro im "Basecamp" haben auf dem Gelände des Flughafens und nicht hier im schicken Westend.
"Das sogenannte Basecamp, das ist ein Arbeitstitel gewesen, den wir uns ganz am Anfang ausgedacht haben, das ist unser Basislager, von dort aus beginnt die ganze Entwicklung und das ist Terminal D."
Zur Zeit ein eher provisorisch wirkender Bau, eine Art Industriehalle links vom eigentlichen Terminal, davor Autovermietungen und kleine Containerbüros. Dort, wo das Basecamp stehen soll, sieht Tegel derzeit eher aus wie ein Provinzflughafen.
"Das wird ein Zentrum für Startups, die dort nicht nur ideale Räumlichkeiten vorfinden werden, wie man das heute eben modern macht mit Co-Working-Spaces, aber auch abgeschlossenen Büros, sondern auch entsprechende Werkstätten."

Pläne gibt es viele

Auch die Beuth Hochschule für Technik, die derzeit in der Nähe des Flughafens im Stadtteil Wedding liegt, soll im nächsten Jahrzehnt am Flughafen Tegel landen, ein großes Wohnquartier soll entstehen und viel Raum für Sport, Spiel und Erholung. Dabei ist es der Tegel Projekt GmbH wichtig, dass das städtebaulich Charakteristische der ursprünglichen Flughafenanlage sichtbar bleibt. Jene typische Architektur, die es geschafft hatte, dass zwischen Terminal und Parkplatz, zwischen Fluggastbrücken und Busstation nur wenige hundert Meter liegen. Das Flughafenkürzel T-X-L steht damit weltweit für einen Flughafen mit einmalig kurzen Wegen. Und TXL soll auch als Markenzeichen der neuen Entwicklungen auf dem Flughafengelände erhalten bleiben…
"Das ist unser Ziel: Wir werden in jedem Fall den Tower erhalten, wir werden die Hauptgebäude erhalten, den Terminalring A, ich erwähnte die Beuth-Hochschule, die dort reingeht, das sind für uns zentrale Projekte, die den Charakter des Flughafens natürlich auch erhalten. Wir werden einen Teil der Startbahn erhalten, wir werden im Vorfeldbereich die historischen Markierungen auch zu erhalten, um den Charakter des Flughafens auch in die Nachnutzung rüberzuretten, es wäre schade, wenn man dieses Erbe aufgäbe."
"Kennen Sie diesen Flughafen? Berlin Tegel. Er gehört zu Berlin und ist nicht wegzudenken."
Sebastian Czaja ist der Fraktionschef der FDP im Berliner Abgeordnetenhaus und mit diesem Wahlvideo hatte er im letzten Herbst den Wiedereinzug seiner Partei in das Berliner Stadtparlament geschafft. "Tegel wegdenken", wie es der alte Senat aus CDU und SPD tun wollte und nun auch die neue rot-rot-grüne Regierung, das will die FDP verhindern. Keine Utopien auf dem alten Gelände, nein: Den Flughafen erhalten! Das ist das Ziel der Freien Demokraten.
"Also, wenn wir von der Offenhaltung des Flughafens Tegel sprechen, dann ja immer als Ergänzung zum Flughafen BER. Das heißt natürlich, dass der Flughafen Tegel, so, wie er jetzt in Betrieb ist, an der Belastungsgrenze operiert und in dieser Größenordnung ja gar nicht mehr aktiv sein wird. Wir reden dann von etwa 10 bis 15 Millionen Passagieren, die dann an diesem Flughafen ergänzend zum BER abgefertigt werden und reden ja dann auch in der Folge von weniger Flugbewegungen."

Tegel aus Leidenschaft

Rund 174 Tausend Unterschriften müssen bis zum 20. März zusammenkommen von Berlinerinnen und Berlinern, die das genauso sehen wir Czaja, dann kann in der Hauptstadt ein Volksbegehren stattfinden zur Offenhaltung von Tegel.
Diese Unterschriften sammelt derzeit Dorothea im Zentralgebäude des Flughafens. Eine ältere Dame mit energischen Mundwinkeln, sie steht resolut vor einem Infotisch und wirbt bei Passagieren für Tegel. Wohnen Sie in Berlin? Ja?! Bitte unterschreiben!
"Dürfte ich Sie kurz fragen – sind Sie von der FDP oder aus eigenem Interesse hier?"
"Aus eigenem Interesse. Wir sind privat und unser Herz hängt an diesem Flughafen. Wir finden das ehtsetztlich, wenn der eines Tages weg wäre und wir unterstützen den Volksentscheid von der FDP."

"Und warum machen Sie das? Haben Sie hier mal gearbeitet oder arbeiten Sie noch hier?"
"Nein, mein Herz hängt an diesem Flughafen. Der gehört zu Westberlin. Wir haben ja keinen mehr, der andere ist ja in Brandenburg."
Und damit ganz weit draußen für viele Westberliner. Und für die Menschen, die weiter von Tegel aus fliegen wollen.
"Very similar to the situation we face here in London I can absolutely understand the desire by the residents of Berlin to have an airport which is close to there city centre."
Vincent Hodder arbeitet in der Geschäftsleitung von Flybe, einer englischen Regionalfluggesellschaft, die Berlin Tegel anfliegt und auch London City, jenen Flugplatz mitten in der britischen Hauptstadt, der oft als Vorbild gilt für das Offenhalten von Tegel. Hodder versteht es, dass viele Berliner für ihren Cityflughafen kämpfen, überhaupt ist Tegel bei den Fliegern beliebt. Siegfried Wolf ist Pilot bei der Lufthansa und fliegt Tegel seit Jahrzehnten an:
"Die Anordnung des Terminals und die Architektur ist ja zeitlos genial mit dem Innenring für die Passagiere zum Abflug und Ankunft und auch für die Flugzeuge ist es nie weit zum Rollen – zum Start und nach der Landung nicht, das macht es natürlich recht angenehm und Zeit sparend."

Reinickendorf soll kommen

Auch Paul Hopkirk arbeitet seit 20 Jahren auf dem Flughafen Tegel. Er erklärt, warum es kritisch wird und sehr eng, wenn es um die Abfertigung von Langstreckenmaschinen geht, wie derzeit bei Hainan Airlines auf dem Flug nach Peking:
"Also eine der Probleme, die wir haben ist: Tegel war nicht konzipiert als Transferflughafen. Wir haben viele Passagiere, die aus Großbritannien kommen und da die kein Visum für Europa haben, also die Schengen-Visen, müssen sie dann in eine TWOUV-Zentrum gehen – Transit without Visa – das ist kein sehr großes Raum und wenn die ihren Flug verpassen, also nicht nur bei uns, dann müssen sie übernachten, was nicht so angenehm ist."
Hainan Airlines wartet also wie alle Fluggesellschaften, die von Tegel aus Langstrecken anbieten, auf die Eröffnung des BER, des neuen Hauptstadtflughafens.
Auf den warten auch die Immobilieninvestoren im Bezirk Reinickendorf, quasi um den Flughafen Tegel drumrum. Wenn die Flugzeuge endlich abziehen an das andere Ende der Stadt, soll Reinickendorf bekannter werden als Wohn- und Arbeitsort. An einer in Berlin ziemlich einzigartigen Standortkampagne arbeitet Ralf Zürn mit seiner Werbeagentur. Und Immobilienmakler Dirk Wohltorf bereitet sich auf neue Märkte vor, während unser Lufthansa-Pilot immer noch vom Flughafen Tegel schwärmt.
"Wenn man ein bisschen ruhiger wohnen möchte, führt dazu, dass eine große Nachfrage bei nicht mehr Flugverkehr auf den Bezirk ausgelöst wird. Kleines Beispiel, der Immobilienpapst von Berlin, der Herr Ziegert, der hat in seinem letzten großen Bericht geschrieben: Reinickendorf, ein Bezirk in Warteschleife.
Wobei man ja eher in Pankow und Spandau die Flugzeuge rein- und rausgehen sieht oder hört. Allerdings gibt es schon Bereiche wie Tegel Ort oder Konradshöhe, die sehr ländlich und vom Wasser geprägt sind und die schon morgens um sechs auch mitkriegen, wenn die Düsen angemacht werden in Tegel und da kann ich mir durchaus vorstellen, dass das positiv aufgenommen wird, wenn man überhaupt nichts mehr hört.
Wenn Sie mich jetzt so hören wenn ich über Tegel erzähle als Pilot, ich würde da immer wieder gerne hinfliegen, ich fänd’s schade, wenn er geschlossen würde." (pia)