Was Teenager zu Terroristen macht

"Gemeinsamer Hass ist ein starker Kitt"

Mit einem Plakaten auf dem Rücken versuchen Teilnehmer der von Salafisten organisierten Koran-Verteilaktion "Lies" auf der Zeil in Frankfurt am Main die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Teilnehmer der von Salafisten organisierten Koran-Verteilaktion © dpa / Boris Roessler
Benno Köpfer im Gespräch mit Dieter Kassel · 21.03.2017
Erst 16 Jahre alt waren die Täter, die im Frühjahr 2016 einen Bombenanschlag auf einen Sikh-Tempel in Essen verübt hatten. Der Autor und Verfassungsschützer Benno Köpfer erklärt, wie Radikalisierung unter Jugendlichen funktioniert.
Wie wird aus einem Teenager ein Terrorist? Der Salafismusexperte des baden-würtembergischen Verfassungsschutzes Benno Köpfer hat sich viel mit diesem Thema befasst und auch einen Roman dazu veröffentlicht.
In der Jugendphase gehe es darum, erstmals für sich zwischen richtig und falsch zu unterscheiden, sagte der Islamwissenschaftler im Deutschlandradio Kultur.
"Das ist auch so die Phase, in der man jugendlich provozieren möchte, in der man sich abgrenzen möchte, und das mag bei vielen Jugendlichen auch dazugehören, vor allen Dingen bei jungen Männern: sich zu spüren, Bedeutung zu bekommen, Bedeutsamkeit zu haben, eben für eine Sache brennen."

Salafistische Inszenierung als Opfer des Westens

Problematisch ist es Köpfer zufolge, wenn der junge Mensch sich nicht akzeptiert und beachtet fühle. Denn vor allem in islamistischen Kreisen werde das "Opfernarrativ" kultiviert, dass der Westen Krieg gegen den Islam führe und die Muslime ihren Islam hier nicht leben dürften.
"Salafisten sind dann an dieser Stelle die besseren Sozialarbeiter, die dann Jugendliche in ihrer möglicherweise pubertären Lebenskrise auffangen", sagte Köpfer. Diese Lebensangst der Jugendlichen würden die Salafisten dann zu Wut oder Hass kanalisieren.
"Und dieser gemeinsame Hass - das hat Tschechow ja so schön formuliert - der schweißt dann diese Gruppe viel enger zusammen und ist ein viel stärkere Kitt, diese Hass auf alles andere, als Liebe, Feundschaft oder Respekt, also die Werte, die vielleicht sonst im Umfeld oder im Freundeskreis bisher gepflegt wurden."

Das Umfeld muss wachsam sein

Eltern nähmen die Radikalisierung oft nicht wahr oder sähen die Veränderung bei ihren Kindern sogar zunächst positiv, so Köpfer:
"Da ist jemand ganz ruhig, der geht vielleicht mit Freunden jetzt zwar noch irgendwo auf die Straße. Aber sie können sich sicher sein, wenn er jetzt seinen Islam stärker lebt, dass er in der Regel dann weniger mit Drogen zu tun haben wird, vielleicht abends auch nicht länger in Diskotheken oder sonstwo unterwegs ist."
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