Was muss sich ändern in der Familienpolitik?

16.02.2013
Wirkungslos, ineffizient, kontraproduktiv - mit diesem kritischen Urteil belegen Gutachter die derzeitige Familienpolitik. Etwa 200 Milliarden Euro gibt der Staat jedes Jahr für die mehr als 150 familienpolitischen Maßnahmen aus. Pro Kind fast 250.000 Euro, so viel wie kein anderes Land in Europa.
Doch trotz Kinder- und Elterngeld, Ehegattensplitting & Co werden nicht mehr Babys geboren, die Kinderarmut und die mangelhafte Betreuungssituation bleiben ein Problem. Von einer befriedigenden Vereinbarkeit von Familie und Beruf ganz zu schweigen.
"Es wird nicht das gemacht, was insbesondere Familien in den mittleren und unteren Einkommensbereichen am meisten brauchen: Eine gute Versorgung junger Kinder", sagt Jutta Allmendinger. Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und Professorin an der Humboldt-Universität gehört zu den profiliertesten Soziologinnen Deutschlands. Seit langem beschäftigt sie sich mit der Familien,- Bildungs- und Arbeitspolitik, ist regelmäßig Gutachterin und wird nicht müde, dringende Reformen zu fordern - egal von welcher Regierung.

"Wir hatten immer die Ehe in den Vordergrund gestellt - das sehen Sie am Ehegattensplitting. Die Kinder sind nebenher gelaufen, das ist alles aus einer Zeit geboren, wo Frauen eben nicht erwerbstätig waren, wo sie maximal kleine Zuverdienste geleistet haben."

Ihre Forderung: "Das Ehegattensplitting muss hin zu einem Familiensplitting gelenkt werden, die kostenlose Mitversicherung muss langsam abgebaut werden. Es muss alles daran gesetzt werden, die Minijobs von Frauen abzubauen, so dass eine eigene Versorgung von Frauen ermöglicht wird."

Das Betreuungsgeld sieht sie als klaren Rückschritt: "Wir müssen Kinderkrippen ausbauen und dürfen nicht Akzente in die andere Richtung setzen. Und das tun wir mit dem Betreuungsgeld."

"Das Ehegattensplitting ist so in Ordnung", sagt die CDU-Angeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker. Sie verteidigt Maßnahmen wie das Kinder- und Elterngeld und die besondere Förderung der Ehe gegen die Kritik der Gutachter. "Man muss das differenziert betrachten, weil die Realitäten auch sehr unterschiedlich sind. Ich möchte die Wahlfreiheit erhalten, wir müssen schauen, was wollen die Leute wirklich."

Das Mitglied des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gilt als eine der "Wilden" ihrer Partei. So gehört die Familienrichterin zu den innerparteilichen Kritikern des Betreuungsgeldes und hat sich bei der entscheidenden Bundestagsabstimmung enthalten. Zu einem klaren "nein" konnte sie sich nicht durchringen. "Es ist schon eine hohe Hürde, mit der Opposition zu stimmen." Auch sie sieht die Notwendigkeit, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf mehr zu fördern.

"Was ich für falsch halte, ist, alles auf die Berufstätigkeit auszurichten. Die durchgängige Erwerbstätigkeit, das ist nicht mein Familienmodell. Wer sich da anders entscheidet, den nehme ich in Schutz. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, und das ist auch kein Zeichen von chauvinistischer Unterdrückung, sondern der Wunsch, mit den Kindern zusammen zu sein. Ein Problem ist, dass Familienzeiten ein KO-Kriterium sind für die weitere Berufstätigkeit."

"Was muss sich ändern in der Familienpolitik?"

Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9:05 bis 11 Uhr mit der Soziologin Jutta Allmendinger und der CDU-Politikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800-22542254 und per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet:
ÜberJutta Allmendinger
Über Elisabeth Winkelmeier-Becker
Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin
Jutta Allmendinger, WZB-Präsidentin© David Ausserhofer