Was ist ein Sakrament?

Von Andreas Malessa · 02.10.2010
Von der Taufe bis zur Priesterweihe - die Liste der Sakramente in den verschiedenen Kirchen ist lang. Es ist schwierig, das Sakrament wirklich zu erklären. Die orthodoxen Kirchen nennen es "Mysterium". Ein "religiöses Geheimnis" der Anwesenheit Gottes.
Sakrament, aus dem lateinischen "sacer", heilig, und "sacramentum", Fahneneid. Von Christus eingesetzte äußere Zeichen, die die heiligmachende Gnade verleihen oder vermehren.

So steht's im alten Brockhaus-Lexikon, aber es erklärt eigentlich nichts. Ein Zeichen, das Gnade verleiht?

"Ein Sakrament ist ein Heilsmittel. Ein Medium der Gnade Gottes. In ihm, so erklär` ich mir das immer wieder, verdichtet sich das, was Gnade, was Heil, was gutes Leben im Geiste Gottes heißt."

Professor Peter Bubmann vom religionspädagogischen Institut der Universität Erlangen "erklärt sich" das so, denn: Vielleicht ist ein Sakrament nicht wirklich zu erklären. Die orthodoxen Kirchen nennen es "Mysterium". Ein "religiöses Geheimnis" der Anwesenheit Gottes.

Und während sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte, brach es, gab es ihnen und sprach: Nehmet, esset, das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch, sprach das Dankgebet, gab ihnen und sie tranken alle daraus. Und er sprach: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird.

So steht's im Matthäus-Evangelium und das erklärt, warum Christen das Abendmahl, die Eucharistie, feiern: Brot und ein als sinnenfällige Zeichen, dass man Christus in sich aufnimmt, dass die Vergebung der Schuld und die gnädige Zuwendung Gottes so real sind wie Essen und Trinken.

Dem Theologen Augustinus aus dem 4. Jahrhundert zufolge besteht ein Sakrament aus drei Teilen: Aus dem materialen Symbol an sich – also Brot und Wein des Abendmahls, das Wasser der Taufe, das Öl der Salbung - , aus dem deutenden Wort des Priesters und aus dem Glauben der Sakraments-Empfänger.

"Ein Sakrament ist ein besonderer Vollzug des Glaubens, zu dem mehrere Elemente gehören: Einmal ein Wort des Evangeliums, das heißt, ein Wort aus der Heiligen Schrift, dann muss irgendeine Form von Zeichen dazukommen, ein symbolisches Zeichen wie Wasser oder Öl, und der Glaube der Menschen, die in dieser Verbindung eine Verdichtung ihres Glauben erkennen können."

Als Sakrament, als Heilsmittel der Gnade Gottes, anerkennen die protestantischen Kirchen nur die Taufe und das Abendmahl. Die katholischen und orthodoxen Kirchen darüber hinaus die Priesterweihe, die Firmung, die Beichte, die Krankensalbung und – die Ehe.

Und Gott, der Herr, dachte sich: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein lebt. Er soll eine Gefährtin bekommen, die zu ihm passt. Darum verlässt ein Mann seine Eltern und verbindet sich so eng mit seiner Frau, dass die beiden eins sind mit Leib und Seele.

So steht's im Buch Genesis, aber zu einem Gnadenmittel im sakramentalen Sinne erklärt der Text die Ehe nicht. Trotzdem meint Peter Bubmann:

"Die Ehe, das ist ein Sakrament, was sich die Eheleute gegenseitig stiften und die verheißenen Worte finden sich dann schon im Alten Testament, wo die besondere Verheißung, die auf dieser Lebensform liegt, zum Ausdruck kommt. Und insofern sind die Eheleute diejenigen, die das Sakrament spenden und nicht der Priester! Obwohl's nach außen so ausschaut. wenn er da seine Stola um die Hände wickelt. Als würde er das tun."

Hier ragen natürlich die ersten konfessionellen Stolpersteine in den Weg: Zu den einmaligen, unwiederholbaren Sakramenten zählt die katholische Kirche die Taufe, die Firmung, die Priesterweihe und die Ehe. Weshalb sie Scheidung und Wiederverheiratung ablehnt. Für Martin Luther und die protestantische Tradition ist die Ehe "ein weltlich Ding", also im Zweifelsfalle gesegnet wiederholbar. Nur die Taufe bleibt einmalig, wird aber als kontinuierlicher Prozess der Heilsvermittlung Gottes verstanden:

"Zunächst einmal ist die Bedeutung des Sakraments nicht davon abhängig, dass sie ständig praktiziert wird. Die Taufe in der Tat wird nur ein Mal vollzogen, allerdings soll sie das ganze Leben prägen und wir sollen uns an sie erinnern. Insofern ist die Tauferinnerung dazugehörend und die Evangelischen haben mit der Konfirmation einen Teil des Taufgeschehens ausgelagert in ein Alter, wo die Jugendlichen mit vollem Bewusstsein noch ein Mal einen Teil des Taufrituals vollziehen können, nämlich das Bekenntnis. Was eigentlich lebenslang insofern ist, als wir uns an die Taufe immer wieder erinnern sollen."

Ihr seid die lebendigen Steine, aus denen Gott sein Haus bauen will. Ihr sollt darin als Priester dienen, die ihm ihr Leben zur Verfügung stellen. Ihr seid Gottes königliches Priestertum.

So steht's im 1. Petrusbrief des Neuen Testaments und das erklärt, warum Protestanten vom "Priestertum aller Gläubigen" sprechen. Warum also theoretisch auch die Bankkauffrau dem Bäcker das Abendmahl reichen dürfte und ein Ingenieur das Kind seiner Sekretärin taufen könnte.

Die katholische Kirche hat das "Sakramente spenden" den geweihten Priestern vorbehalten, betont aber, dass die "Gültigkeit", die vergebende "Wirksamkeit" eines Sakraments, nicht von der Weihe oder dem Lebenswandel des Priesters abhängig ist, sondern "aus sich selbst heraus" wirkt. "Ex opere operatu", wie Kirchenvater Augustinus meinte. Kann sich nicht letztlich jeder Christ selber die Gnade Gottes versinnbildlichen? Sind Kreuzschlagen und Beten denn keine Sakramente?

"Das Kreuzschlagen deshalb nicht, weil hier das spezifische Wort dazu aus dem Evangelium fehlt. Im Sakrament wird ein Wort der guten Botschaft von einem anderen zugesagt. Und das ist verbunden mit einer sinnenfälligen Handlung. Nun kann ich im persönlichen Gebet auch Gott erfahren, aber es ist doch so, dass ich dann immer bei meinen eigenen Anliegen bleibe, bei meinen Gebetsanliegen – auch wenn ich mich auf Gott hin ausrichte. Das Sakrament kommt mir immer entgegen."

Wenn Sakrament definiert ist als ein Medium der Gnade und des Heils, eine sinnenfällige Verdichtung der Gegenwart Gottes - warum zählt dann die Natur nicht zu den Sakramenten? Dazu Professor Peter Bubmann:

"Die Natur könnte dann zum Sakrament werden, wenn sich mit ihr eine Verheißung des Evangeliums verbindet auf eindeutige Art und Weise. Das ist eben nicht geschehen in der Geschichte des Christentums bisher. Aber die Theologen sagen durchaus wie Paul Tillich: Theoretisch ist die Liste der Sakramente offen."
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