"Was hat denn Herr Buschkowsky in all den Jahren dagegen gemacht?"

Michael Purper im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 20.09.2012
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin, Michael Purper, hat den Bürgermeister des Bezirks Neukölln anlässlich dessen Buchveröffentlichung kritisiert: Die Berliner Polizisten würden vor allem in Krisenbezirken von der Politik allein gelassen.
Jan-Christoph Kitzler: "Neukölln ist überall", so heißt ein Buch, das morgen erscheint. Und der Titel ist durchaus als Drohung gemeint. Die "Bild"-Zeitung druckt jedenfalls vorab schon mal genüsslich Auszüge daraus. Das Buch stammt von Heinz Buschkowsky, dem SPD-Politiker und Bürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln, und auf 400 Seiten liefert er noch mal neue Beweise für seine nun schon acht Jahre alte These: Multikulti ist gescheitert.

41 Prozent der Einwohner Neuköllns haben einen Migrationshintergrund, Buschkowsky beschreibt Hass auf Deutsche, mangelnde Rücksichtnahme, bewusste Regelverletzungen. Auch die Polizei sei da immer häufiger machtlos. Die Lage, so hat man den Eindruck, ist wirklich dramatisch. Ist das wirklich so? Das will ich mit Michael Purper besprechen, er ist Landesbezirksvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Berlin. Schönen guten Morgen!

Michael Purper: Schönen guten Morgen!

Kitzler: Buschkowsky beklagt sich über permanente Regelverletzungen in Neukölln und über viel Gewalt gegen die, die auch nur leise auf die Einhaltung gewisser Regeln pochen, zum Beispiel im Straßenverkehr. Hat er recht, ist das wirklich ein flächendeckendes Problem in seinem Bezirk Neukölln?

Purper: Ich würde sagen, es ist nicht nur auf Neukölln begrenzt, sondern das kann man tatsächlich in ganz Berlin erkennen. Nicht nur in der Frage, ob nun mit Migrationshintergrund, sondern auch ohne Migrationshintergrund. Für uns ist das Problem allgegenwärtig, dass tatsächlich Missachtungen von Vorschriften immer häufiger vorhanden sind.

Kitzler: Ist das wirklich ein Flächenbrand, oder müssen wir da eigentlich immer nur von Einzelfällen ausgehen?

Purper: Nein, es erstreckt sich auf die Fläche, somit könnten Sie schon von einem Flächenbrand sprechen. Aber es sind natürlich immer Einzelfälle, die aber häufiger vorkommen. Also, es trifft nie die gesamte Gesellschaft, es ist auch nie die gesamte Gesellschaft gemeint, sondern tatsächlich sind das Einzelne, die das aber auch tatsächlich intensiv ausleben!

Kitzler: Kommen wir mal auf die Lage in Neukölln: Gibt es da eigentlich so was wie rechtsfreie Räume, Gegenden, in die die Kollegen der Polizei lieber nicht reingehen, gibt es Konflikte, bei denen sich die Beamten zurückhalten, weil es sonst Ärger geben könnte?

Purper: Also, mir ist nicht bekannt, dass meine Kolleginnen und Kollegen sich zurückhalten. Es gibt allerdings tatsächlich Bereiche, Räume, wie Sie es nennen, wo man doch sehr vorsichtig dann agiert und tätig wird, weil man immer mit einem gewissen Widerstand rechnen muss.

Kitzler: Was heißt denn das für die Arbeit der Kollegen, gehen die dann eher aggressiver da rein, oder halten die sich eher zurück?

Purper: Aggressivität hilft uns da nicht und bringt uns auch nicht weiter. Sondern man ist natürlich noch aufmerksamer, man ist noch sensibler. Und nach Möglichkeit versucht man, von vornherein dann auch mit mehr Kräften, also mit mehr Kolleginnen und Kollegen, dort tätig zu werden, sofern die entsprechenden Kräfte da sind. Also sprich, genügend Kolleginnen und Kollegen tatsächlich auch vorhanden sind.

Kitzler: Würden Sie sagen, es fehlt generell an Respekt gegenüber der Polizei?

Purper: Das ist jetzt für mich ein ganz spezielles Thema, weil, ich glaube nicht, dass es um die Frage Respekt gegenüber der Polizei geht, sondern eher um die Frage, fehlt vielleicht Respekt gegenüber unserer Gesellschaftsform, unser Rechtssystem. Denn die Polizei ist ja der Repräsentant unserer Rechtsform. Und ich glaube, hier liegt das Problem eigentlich.

Kitzler: Aber die Polizei ist natürlich, wenn man es mal so militärisch sagen darf, an der Front. Fühlen sich die Kollegen eigentlich allein gelassen zum Beispiel von der Politik, weil sie die Probleme nicht grundsätzlich angeht, oder auch von der Justiz, weil sie zu lasch ist?

Purper: Dies ist deutlich zu bejahen. Man muss ganz klar sagen, dass die Polizistinnen und Polizisten dieser Stadt sich allein gelassen fühlen. Egal ob es zu wenig Kolleginnen und Kollegen sind, die in dieser Stadt unterwegs sind, egal ob es die Frage ist oder der Fakt, dass wir die schlecht bezahltesten Polizistinnen und Polizisten Deutschlands sind. Aber auch die Tatsache, dass wir nie den Eindruck haben, dass auch die Politik hinter einem steht.

Kitzler: Buschkowsky kritisiert ja die Politik des Alles-Verstehens, des Alles-Verzeihens. Brauchen wir insgesamt mehr Härte auch von der Politik, auch von der Justiz?

Purper: Ja, Härte ist für mich eigentlich die falsche Frage und der falsche Weg. Erst mal müsste man aus meiner Sicht auch mal fragen, was hat eigentlich Herr Buschkowsky in all den Jahren dagegen gemacht, außer dies in den Medien zu thematisieren? Aber inhaltlich denke ich, es ist viel wichtiger, die bestehenden Gesetze, die wir haben, tatsächlich einmal auch auszunutzen, so wie sie vor allem sind.

Das heißt, die Strafmaße, die die Gesetze kennen, auch mal ausnutzen. Denn es nutzt uns nichts, immer neue Gesetze zu machen, damit ändern wir nichts, sondern man muss aus unserer Sicht Signale setzen. Signale, wenn jemand etwas Falsches begeht, dass es dann auch eine Ahndung gibt. Und das ist viel wichtiger und das würden wir viel mehr begrüßen, wenn tatsächlich die entsprechenden Strafmaße ausgenutzt werden.

Kitzler: Also, Buschkowsky ist ja eine sehr engagierte Person, tritt in vielen Talkshows auf und macht sich auch stark dafür, dass man aktiv was machen muss. Was hätten Sie sich denn von Herrn Buschkowsky mehr gewünscht?

Purper: Also, ich hätte von Herrn Buschkowsky mir mehr gewünscht, dass er auch mehr Aktivitäten zeigt, nicht nur diese Sache in die Gesellschaft trägt öffentlich und sie öffentlich thematisiert, sondern auch tatsächlich in seinem Bezirk entsprechend umsetzt. Also, Stichwort Sozialarbeiter, hier eine entsprechende Unterstützung, auch hier die jeweiligen Polizeibereiche, die in diesen Bereichen sind, unterstützt, fördert, sich dort einbringt und tatsächlich das, was er sagt, auch in der Politik eben – ob das nun seine Partei ist oder ob das die Landesebene ist – dann mit hineinprägt, damit es hier Veränderung gibt.

Kitzler: Bei Buschkowsky liest sich etwas ja auch so, als ob es da regelrechten Deutschenhass gibt, dass Gefühl, dass man sich von Deutschen nichts sagen lassen will, bei Menschen mit Migrationshintergrund, dass Deutsche leichte Opfer sind. Ist das das Kernproblem in Ihren Augen, dieses Motto: Deutsche gegen Menschen mit Migrationshintergrund?

Purper: Also, was die Frage Gewalt gegenüber Polizisten betrifft und auch die Frage, vielleicht der Frage Bagatellisierung oder Respekt, glaube ich nicht. Weil, das ist nicht abhängig von der Frage mit Migrationshintergrund oder ohne Migrationshintergrund. Sie haben solche Erscheinungen selbstverständlich auch in Kreisen, die halt in Deutschland geboren sind und einen deutschen Pass haben und von vornherein, wie man so schön sagt, deutsche Eltern haben. Also, da, glaube ich, geht es nicht unbedingt um die Frage Migrationshintergrund.

Kitzler: Wo muss man eigentlich ansetzen? Muss man bei denen ansetzen, die zum Beispiel schon bestens integriert sind, die halt dann sozusagen Multiplikatoren werden können für andere Menschen mit Migrationshintergrund, oder muss man ansetzen bei denen, die eigentlich diesen Staat schon aufgegeben haben?

Purper: Man muss in allen Bereichen ansetzen. Ich glaube, man kann da nichts und sollte auch nichts ausklammern, sondern man sollte alle Möglichkeiten nutzen. Denn wir leben ja alle gemeinsam in dieser Stadt und wir müssen einfach allen klar machen: Nur gemeinsam leben geht mit einer Norm! Und diese Norm ist unsere Rechtsnorm und nicht noch weitere Normen, die in dieser Stadt vorhanden sind.

Kitzler: "Neukölln ist überall", so heißt das Buch, sicher auch aus Marketinggründen natürlich, damit es noch ein paar mehr Leser gibt. Sie haben schon gesagt, das gilt eigentlich auch für andere Bezirke in Berlin. Wie groß ist denn die Bedrohung vielleicht auch für andere Gegenden in Deutschland dieser Verhältnisse?

Purper: Ich denke, diese Entwicklung werden Sie auch in anderen Großstädten und Ballungsräumen genau so haben wie in Berlin. Vielleicht nicht ganz so exzessiv, wie wir es in Berlin erleben, aber sicherlich in ähnlicher Form. Und wenn man sich mal so Statistiken anschaut aus anderen Ballungszentren, denke ich, spricht dem auch da zu.

Kitzler: Das war Michael Purper, Landesbezirksvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Berlin. Haben Sie vielen Dank dafür!

Purper: Gern geschehen!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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