Was darf Rap?

"Vollidiot ist okay, aber nicht Scheiß-Jude"

Wie unkorrekt darf deutscher Hip-Hop sein? Zu sehen ist Danger Dan von der Antilopen Gang, die viel Wert auf ihre Texte legt.
Wie unkorrekt darf deutscher Hip-Hop sein? © Imago / Christian Ditsch
Von Pia Rauschenberger · 15.04.2015
Ben Salomo ist Rapper, Moderator und Gründer der Battle-Show Rap in Berlin. Als Jude, der aus Israel nach Berlin zog und hier aufgewachsen ist, musste er sich in der Hip-Hop-Szene behaupten.
"Ich hab es oft erlebt, und auch Freunde von mir, die mit mir bei Rap am Mittwoch arbeiten, dass zu ihnen gegangen worden ist, nach der Show und gefragt wurde, sag mal ist der Ben Salomo wirklich Jude, und als die Antwort dann ja war, war oftmals die Reaktion, wie? Der sieht doch gar nicht aus, wie ein Jude. Das kann doch gar nicht sein?!"
Auf der Bühne steht Ben Salomo und grinst breit. Er ist der Moderator und Gründer von "Rap am Mittwoch", einer Rap-Battle-Show in Berlin(-Kreuzberg). Es ist voll heute im BiNU, wo der allwöchentliche Battle stattfindet und immer zwei Rapper gegeneinander antreten. Aus den Boxen tönen Beats vom DJ-Pult. Arme wippen dazu in der Luft und die Baseball-Cap-Träger im Publikum nicken andächtig. Ben Salomo ist mit der Hip-Hop-Szene groß geworden. Das sieht man ihm an, ein echter Hopper. Als Jude habe er es manchmal nicht leicht gehabt, sich zu behaupten, erzählt er. Aber er wollte lieber bewusst mit seinem jüdischen Bar-Mitzwa-Namen Ben Salomo auftreten, als seine jüdische Identität zu verstecken. Dass die Hip-Hop-Szene per se antisemitischer ist, als der Rest der Gesellschaft, will er nicht gelten lassen:
"Mit Vorurteilen werde ich überall konfrontiert, überall. Da is mein Rap am Mittwoch eigentlich der vorurteilsfreiste und teilweise der Raum, wo wenn Vorurteile aufkommen, diese wiederum ausgebügelt werden können. Die Gesellschaft ist nicht vorurteilsfrei."
Fernab von der Bühne wirkt Ben Salomo eher wie ein engagierter Sozialarbeiter, reflektiert und ein Anpacker. Er will Vorurteile ausbügeln, indem er dort immer wieder klar macht: auch hier gibt es Regeln. Wer sich nicht daran hält, wird vom Publikum ausgebuht. Zu den Tabus bei Rap am Mittwoch gehören Rassismus und Antisemitismus. Für Ben Salomo sind rassistische Witze mit Augenzwinkern eine Sache der künstlerischen Freiheit - offener Rassismus dagegen wird nicht toleriert:
Beleidigen ohne Rassismus oder Antisemitismus
"Du dreckiger Türke oder so was, wenn jemand so etwas rappen würde dann wär das ganz klar wertender Rassismus, weil er wertet das türkisch sein als dreckig, ja? Aber wenn man sagt, "du türkischer Drecksack" is es was anderes, dann is man haltn Drecksack weil man sich nicht wäscht und zufällig is man dann halt auch noch Türke. Und das kann man nun übertragen aufs Jude sein oder aufs Araber sein oder aufs Deutscher sein, oder aufs sonst irgendwas sein ..."
Beim Rap-Battle geht es mitunter hart zur Sache. Die Rapper, die gegeneinander antreten, sparen nicht mit verletzenden und entwertenden Rhymes. Dazu braucht es noch nicht einmal Antisemitismus oder Rassismus. Die unablässigen Beleidigungen auf der Bühne wirken oft grenzüberschreitend. Für Ben Salomon ist alles was zählt, am Ende der gegenseitige Respekt:
"Nachdem zwei Rapper sich vielleicht viele rassistische Witze an den Kopf geworfen haben, weil der eine Pole ist und der andere Schwarz und sie sich nach dem Battle die Hand geben und sich zu umarmen, dann ist das die Gelegenheit für mich zu sagen 'Hey, das ist HipHop. Das is Hip-Hop'. Die haben sich hier die übelsten teilweise schwierigsten Sachen an den Kopf geworfen, mit klischeebelastet ohne Ende und jetzt doch geben sie sich die Hand, weil is doch eigentlich alles nur Quatsch, und 'Is doch nur Rap' sagen wir immer."
Ben Salomo nimmt seinen Auftrag ernst. Er will mit "Rap am Mittwoch" eine konstruktive Bühne schaffen, damit sich die Menschen dort auseinandersetzen können. Bevor Ben Salomo das änderte, war es in der deutschen Szene nicht üblich, sich nach dem Battle die Hand zu geben. Rap ist für ihn wie Boxen. Spaß und Leichtigkeit, manchmal harter Kampf. Auf der Bühne muss das sein, aber danach gilt die Maxime: gegenseitige Anerkennung und Respekt - ohne die geht es nicht. Genauso wenig in der Hip-Hop-Szene, wie außerhalb.
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