Wahlrecht als politisches Machtinstrument

Von Ulrike Rückert · 19.03.2011
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist das beste Beispiel: Frauen bekleiden politische Ämter, sagen ihre Meinung und gehen zur Wahl. Doch das war nicht immer so. Und so erstritten sich Frauen vor 100 Jahren erstmals ein "Mittel, politische Macht zu erlangen."
"Genossinnen! Arbeitende Frauen und Mädchen! Der 19. März ist euer Tag. Er gilt eurem Recht. Hinter eurer Forderung steht die Sozialdemokratie, stehen die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter. Die sozialistischen Frauen aller Länder fühlen sich mit euch solidarisch. Heraus zum sozialdemokratischen Frauentag!"

In der Frauenzeitung "Gleichheit" rief Clara Zetkin 1911 zum ersten Internationalen Frauentag auf. Eine Million Frauen – und auch Männer – gingen am 19. März 1911 in Deutschland, der Schweiz und Österreich-Ungarn auf die Straße und forderten das Wahlrecht. Fünfundvierzigtausend waren es allein in Berlin.

"Zahlreiche Polizeimannschaften bewahrten revolvergerüstet die Stadt vor dem Umsturz der Frauen",

…spottete Clara Zetkin. In Leipzig drängten sich dreitausend Frauen zur Kundgebung in einen Saal, und die SPD freute sich über 400 spontane Parteieintritte. Sogar in Kleinstädten gab es Veranstaltungen: Im württembergischen Göppingen sprach die prominente Aktivistin Käte Duncker aus Berlin, und die Ortsgruppe verkaufte rote Nelken als "Blume der Gleichheit".

"Dieser Internationale Frauentag ist die wuchtigste Kundgebung für das Frauenwahlrecht, welche die Geschichte der Bewegung für die Emanzipation des weiblichen Geschlechts bis heute verzeichnen kann."

Clara Zetkins Stolz war berechtigt, denn sie war die Initiatorin. Doch der Internationale Frauentag hatte viele Mütter. Einen nationalen hatten Österreicherinnen schon 1892 geplant, aber er kam nicht zustande, weil bürgerliche Frauenrechtlerinnen und ozialistinnen nicht zusammenarbeiten wollten. Auch Clara Zetkin war strikt gegen gemeinsame Aktionen, weil der Klassenkampf Vorrang habe. Schon lange aber hatte sie
sich bemüht …

"… zwischen den organisierten Sozialistinnen der verschiedenen Länder eine regelmäßige Fühlung zu schaffen [und] in Hauptfragen eine einheitliche grundsätzliche Haltung herbeizuführen."

1907 gelang es ihr, eine erste große Frauenkonferenz in Stuttgart zu organisieren. Delegierte aus fünfzehn Ländern beschlossen, das Wahlrecht zu ihrer zentralen Forderung zu machen:

"Praktisch bedeutet es ein Mittel, politische Macht zu erlangen, um die gesetzlichen und sozialen Schranken zu beseitigen, welche die Lebensentwicklung und Lebensbetätigung des Weibes hemmen. Die sozialistischen Parteien aller Länder sind verpflichtet, für die Einführung des allgemeinen Frauenwahlrechts energisch zu kämpfen."

Zwei Jahre später veranstalteten die Frauen der Socialist Party in den USA erstmals einen "Nationalen Tag der Frau" als Aktionstag für das Wahlrecht. Das griff Clara Zetkin auf der zweiten internationalen Konferenz 1910 in Kopenhagen auf:

"Im Einvernehmen mit den Organisationen des Proletariats in ihrem Lande veranstalten die sozialistischen Frauen aller Länder jedes Jahr einen Frauentag, der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient."

Zetkins Antrag wurde einstimmig angenommen. Einen festen Termin gab es nicht. So fand der erste internationale Frauentag in den USA am 26. Februar statt, in Dänemark am 2. März und in Deutschland, Österreich und der Schweiz am 19. März. Bald kamen weitere Länder dazu. Der 8. März, heute als Internationaler Frauentag fest verankert, war 1917 in Russland der Aktionstag, an dem sich zahllose Frauen in Petersburg einem Streikmarsch anschlossen, der vier Tage später zum Sturz des Zaren führte.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde dieses Datum deshalb zum Frauentag der Kommunistinnen. Während des Kalten Krieges war er im Westen zunächst fast vergessen und erstand erst wieder neu, als ihn die Vereinten Nationen 1977 zum Tag der Frauenrechte und des Weltfriedens erklärten – am 8. März.