Wahlkampf in Hamburg

"Scholz riskiert keine dicke Lippe"

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) spricht am 12.04.2014 in Hamburg auf dem Landesparteitag seiner Partei
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) spricht auf dem Landesparteitag seiner Partei © picture-alliance / dpa / Markus Scholz
Von Axel Schröder · 06.02.2015
Kinderbetreuung, Flüchtlingspolitik, die Elbphilharmonie oder die starke Luftverschmutzung - Streitthemen gibt es in Hamburg genug. Aber eins ist ziemlich sicher: Bei der Wahl am 15. Februar wird Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gewinnen.
Die Hamburgerinnen und Hamburger machen Druck. Gehen auf die Straße, schimpfen über den Senat der Hansestadt. Es geht um eine bessere Kinderbetreuung in den Kindertagesstätten und Krippen, um zusätzliche Gelder für Universitäten, um die Rechte von Flüchtlingen oder um mehr Lehrer an den Schulen, um mit der Inklusion voranzukommen.
Demonstrantin: "Wir sollen zwar die Kinder inkludieren, in die Klassen integrieren. Aber wir haben die entsprechenden Ressourcen nicht. Uns fehlen die Lehrerstellen, es fehlt uns an allem! Und unser Schulsenator geht davon aus, dass wir ein Kind pro Klasse haben. Es sind aber manchmal bis zu acht Kinder, die wir fördern sollen. Das muss eine Person machen. Alleine! Das funktioniert nicht."
Neben den Protesten gibt es, zehn Tage vor der Bürgerschaftswahl, eine breite, sehr breite Unterstützung für den amtierenden Senat. Könnten die Hamburger ihren Bürgermeister direkt wählen, würden sich – so eine Telefonumfrage der "Hamburger Morgenpost" – 70 Prozent für Olaf Scholz, nur 13 Prozent für seinen Herausforderer Dietrich Wersich von der CDU entscheiden. Den Bürgermeister freut das:
"Die Umfrageergebnisse sind in der Tat sehr gut! Sowohl für mich als auch für die SPD. Das ist natürlich kein schlechtes Gefühl, wenn man mitten in einer Wahlkampagne steht. Aber es geht auch um das 'Bring out the Vote'. Wir wollen am Ende, dass jeder hingeht und weiß: Es kommt auf jede Stimme an."
Vier unaufgeregte Jahre
Bei 42 Prozent sehen die Demoskopen die SPD. Die CDU kam zuletzt auf gerade mal 20 Prozent der Stimmen. Scholz' Herausforderer Dietrich Wersich, einst Sozialsenator im schwarz-grünen Senat unter Ole von Beust, kämpft trotzdem um jede Stimme. Auch in der Grünen-Hochburg Hamburg-Ottensen. Im dunkelblauen Wintermantel steht der CDU-Spitzenkandidat in der Fußgängerzone, verteilt die Faltblätter der Partei. Und versucht zu erklären, warum die Bürgerinnen und Bürger an einem Regierungswechsel kein Interesse haben:
"Naja, das liegt erstmal an der Gesamtlage: Wir hatten vier relativ unaufgeregte Jahre. Wenn Sie sich zurückerinnern, 2009, 2010, die größte Krise seit 1929. Mit immensen Konsequenzen auch in der Öffentlichkeit. Und daran gemessen sind die letzten vier Jahre im Grunde genommen sehr normale Jahre auch ohne große Herausforderung gewesen. Und da hat Scholz den Leuten auch nicht viel wehgetan."
Unaufgeregt waren die letzten vier Jahre vor allem aber auch im politischen Hamburg. Nach der schrillen Koalition zwischen CDU und Schill-Partei, nach dem gescheiterten schwarz-grünen Experiment und dem Rücktritt Ole von Beusts sehnten sich die Hamburger nach Stabilität und Verlässlichkeit. Und fanden sie bei Olaf Scholz Alleinregierung. Sogar bei Wersichs Mitstreitern am CDU-Stand in der Fußgängerzone klingt neben der Kritik am Senat auch Anerkennung für den SPD-Mann durch.
CDU-Wahlkämpfer: "Das eine ist, dass der Scholz ein sehr erfahrener Politiker ist. Und alles, wo es ein bisschen brennt, da steuert er gegen. Der Bürger merkt das nicht, dass hier der Behördliche Ordnungsdienst gestrichen ist. Gucken Sie sich Ottensen an: wird schmutzig. Die Bürgerhäuser werden weggespart. Es passieren so viele Sachen. Und der Bürger weiß es vielleicht noch nicht. Vielleicht müssen wir da mehr Aufklärungsarbeit leisten, vielleicht haben wir das ein bisschen vernachlässigt."
"Sicherheit und Sauberkeit" – damit wirbt die CDU. Die Hochschulen sollen mehr Mittel bekommen, die Hafen-Infrastruktur ertüchtigt und Verkehrsstaus beseitigt werden. Woran liegt es, dass die CDU mit diesen Themen aber nicht punkten kann? Dass die Partei bislang von Umfrage zu Umfrage immer schlechter abschneidet? Es könnte daran liegen, dass derzeit andere Probleme die Bürger beschäftigen: die Flüchtlingspolitik und die immer weiter steigenden Mieten. Oder daran, dass der Senat in den Augen der Wähler schon einiges auf den Weg gebracht hat: zum Beispiel in der Verkehrspolitik, in der Bildungspolitik. Vier Politikbereiche, die wahlentscheidend sein könnten.
"Rudimentäre Versorgung" von Flüchtlingen
Die Rechtsanwältin Anne Woywod steht im dicken Anorak auf dem weiten Parkplatz des Hamburger Sportvereins. Hinter den hohen Bäumen liegt das Volksparkstadion. Ein paar 100 Meter entfernt rauscht der Verkehr über die A 7. Unten am Fuße des Autobahndamms duckt sich das Flüchtlingslager Schnackenburgallee, eine von zehn über die Stadt verteilten Zentralen Erstaufnahmestellen.
Anne Woywod: "Wir blicken auf das Gelände, das bebaut ist mit Wohncontainern. Eine weitere Fläche ist planiert, wo noch weitere Container hinzukommen."
Reporter: "Da leben 1.400 Menschen, sagen Sie. Sind die in Ihren Augen hier sehr gut untergebracht oder gibt es Punkte, an denen es hapert?"
Woywod: "Also, wir sprechen hier von einer Zentralen Erstaufnahme. Da ist die Versorgung sehr rudimentär. Es gibt drei Mahlzeiten am Tag. Es gibt eine rudimentäre ärztliche Versorgung. Und es gibt eine Beschulung, die die schulpflichtigen Kinder hier vorbereiten soll, um in so genannte Vorbereitungsklassen in umliegenden Schulen aufgenommen zu werden. Die Räume sind ausgestattet mit einem Tisch, zwei Stühlen, zwei Stockbetten. Wobei die so niedrig sind, dass man auf den unteren Betten nicht aufrecht sitzen kann. Aber es gibt keinen festen, warmen, größeren Raum, in dem sich Menschen zusammensetzen können. Insofern muss das wirklich hier als rudimentär angesehen werden."
Seit anderthalb Jahren engagiert sich Anne Woywod für Flüchtlinge in Hamburg. Sie organisierte Weihnachtsgeschenke für die Jungen und Mädchen im Containerdorf, vernetzt sich über Facebook mit anderen ehrenamtlichen Helfern in der Hansestadt. Überall, wo Flüchtlingsunterkünfte entstanden sind, gibt es Hilfe aus der Nachbarschaft. Nur vereinzelt gibt es Beschwerden. Nur im feinen Harvestehude, direkt an der Alster, fanden sich zwei Anwohner, die mit Gerichtsklagen einen vorläufigen Baustopp für die geplante Flüchtlingsunterkunft durchgesetzt haben.
Anne Woywod lobt den Senat. Dafür, dass er den Baustopp möglichst schnell wieder aufheben lassen will. Dafür, dass allein im letzten drei Jahr über 3500 neue Plätze für Flüchtlinge in Hamburg geschaffen wurden. Ab und zu, so Anne Woywod, bestimme aber zu viel Aktionismus das Handeln der Behörden. Und sicher sei der Standort der Erstaufnahmestelle Schnackenburgallee zwischen Industriegebiet, Müllverbrennungsanlage und Autobahn nicht optimal. Ohne einen einzigen Supermarkt in der Gegend, ohne Kontakt mit der Hamburger Bevölkerung.
Woywod: "So kann Integration jedenfalls nicht begonnen werden. Klar: in der ZEA leben auch viele Menschen, die nicht hier bleiben werden – das ist mir wichtig zu betonen. Man hört immer, wie viele kommen, aber man hört selten, wie viel auch wieder abgeschoben werden. Und insofern ist da vielleicht auch ein bisschen Abschreckungspotential beabsichtigt. Dass man sich auch nicht zu sehr an deutschen Komfort gewöhnt. Das mag sein."
Gerade versuchen Anne Woywod und ihre Unterstützer einen Runden Tisch zu organisieren, um Wohnungen für Flüchtlinge bereit zu stellen, um Integration zu erleichtern.
Dietlind Jochims, die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, teilt die Bedenken der engagierten Rechtsanwältin. Jochims lobt die Anstrengungen der Stadt. Aber nicht alle Flüchtlinge würden gleich behandelt:
"Es entsteht der Eindruck, dass es mindestens eine Zwei-Klassen-Gesellschaft von Flüchtlingen gibt. Bei den Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien versteht im Moment jeder, warum die hier sind. Da ist die Bereitschaft groß, zu unterstützen und zu helfen. Das 'Bauernopfer' in Anführungszeichen sind im Moment die Roma aus den Westbalkanstaaten, die zu 100 Prozent zurückgeführt werden. Auch – in Hamburg – über den Winter. Was ich sehr bedauerlich und einer Stadt wie Hamburg nicht angemessen und würdig finde."
Und auch die Abschiebepraxis der Hamburger Ausländerbehörde müsse dringend verändert werden, so Dietlind Jochims:
"Ich dachte und habe gehofft, dass wir über die Zeiten von Abschiebungen im Morgengrauen hinaus sind. Das gibt es vermehrt in letzter Zeit. Und ich weiß nicht, ob es aus politischem Willen oder aus Überlastung oder aus Unkenntnis geschieht, dass wirklich eklatante Menschenrechtsverletzungen in der Verwaltungspraxis der Ausländerbehörde sich häufen."
Familien würden auseinandergerissen, Menschen müssten die Hansestadt verlassen, obwohl sie seit über zehn Jahre mit einer Duldung in Deutschland leben durften. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz will diesen Vorwurf nicht gelten lassen:
"Da wird ein verzerrtes Bild gezeichnet. Selbstverständlich ist es so, dass die Gesetze gelten. Sie gelten schon immer und sie werden auch in Zukunft gelten. Und das bedeutet, dass in den dafür zuständigen Behörden – überwiegend dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge − zu prüfen ist, ob jemand zu Recht einen Aufenthaltsstatus wegen seiner Flucht in Deutschland begehrt und dann bekommen kann. Aber alles erfolgt notwendigerweise nach Recht und Gesetz und wir glauben auch, mit all dem, was man an humanitären Maßstäben erwarten kann."
Offensive im Wohnungsbau
Mehr Lob und weniger Kritik erntet der Hamburger Senat für seine Wohnungsbaupolitik. 6000 neue Wohnungen pro Jahr – mit diesem Wahlversprechen war Olaf Scholz angetreten. Der Senat initiierte das "Bündnis für Wohnen", in dem Bezirke, Wohnungsbaugenossenschaften und Grundeigentümer an einem Tisch sitzen. 100 Millionen Euro stellte die städtische Förderbank bereit. Heute, vier Jahre später, kann er Vollzug melden:
"Es hat sich auch ausgezahlt, dass wir gesagt haben, wir wollen diese Wohnungsbauoffensive mit der Förderung des sozialen Wohnungsbaus wieder verbinden. 2000 Sozialwohnungen pro Jahr zu fördern und auch herzustellen war unser Ziel. Beides haben wir auch erreicht. Eine nicht ganz unaufwändige Sache, weil wir weit über 100 Millionen Euro dafür ausgeben. Und der Betrag, die Fördersumme aus dem Hamburger Haushalt fließt, auch jedes Jahr steigt mit dem Erfolg unseres Wohnungsbauprogramms. Was anders als früher gelungen ist, dass nicht alle geförderten Wohnungen an einer Stelle entstehen, möglicherweise am Stadtrand, sondern dass sie sich über die ganze Stadt verteilen."
Zusätzlich, so Olaf Scholz, wurde eine so genannte Kappungsgrenze verabschiedet: innerhalb von drei Jahren dürfen die Mieten bei bestehenden Verträgen nur noch um maximal 15 Prozent steigen. Für eine Dämpfung der in den letzten zehn Jahren rasant gestiegenen Hamburger Mieten soll auch die so genannte Mietpreisbremse sorgen. Über eine Bundesratsinitiative hatte der SPD-Senat dieses Instrument auf den Weg gebracht, das noch in diesem Jahr in ganz Deutschland gelten soll.
Siegmund Chychla, Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg, unterstützt die Neubaupläne des Senats. Auch in Zukunft sollen Jahr für Jahr mindestens 6000 Wohnungen, davon ein Drittel mit Sozialbindung neu entstehen. Allerdings galt diese Bindung in früheren Jahren für bis zu 40 Jahre. Danach dürfen Vermieter diese Wohnungen wieder frei vermieten. Auf diese Weise erlischt jedes Jahr automatisch bei über 4000 Wohnungen die Sozialbindung. Die 2000 neuen Sozialwohnungen können den Rückgang also nur bremsen, aber nicht ausgleichen, so Chychla. Zumal die Sozialbindung schon nach 15 Jahren auslaufe:
"Früher war es üblich, die Bindungen auf 25 bis sogar 40 Jahre festzumachen. Das ist zurzeit nicht der Fall. Das bedeutet, falls ein Bürger das Glück haben sollte, mit 50 Jahren eine Sozialwohnung zu bekommen, dann kann er sich schon jetzt ausrechnen, dass er spätestens mit 65 aus der Wohnung ausziehen wird oder: ausziehen muss, weil die Bindungen dann wegfallen. Und das ist ein Zustand, der sehr unbefriedigend ist."
Die Wohnungsnot konnte das ambitionierte Bau-Programm des Senats lindern. Die Mieten steigen allerdings nach wie vor, wenn auch weniger stark als zum Amtsantritt des SPD-Senats.
Nicht mehr steigen werden die Kosten bei einem ganz besonderen Hamburger Bauwerk, bei der Elbphilharmonie. Eigentlich sollte das Konzerthaus schon 2011 eröffnet werden und die Steuerzahler 77 Millionen Euro kosten. Heute steht fest: Im Januar 2017 findet das Eröffnungskonzert statt, am Ende wird die Elbphilharmonie 789 Millionen Euro kosten. Ein kleiner Trost: Noch mehr Geld wird die Stadt dafür nicht ausgeben müssen. Alle Mehrkosten, das hatte sich Olaf Scholz vertraglich bestätigen lassen, trägt der Baukonzern Hochtief.
Luftverschmutzung verstößt gegen EU-Recht
Den "Stau stoppen" – das ist die etwas verwirrende Forderung auf den Wahlplakaten der CDU. Ein Umdenken in der Verkehrspolitik fordern auch Linke, Grüne und die FDP in der Hansestadt. Ihre Plakate stehen aufgereiht an der Max-Brauer-Allee, einem der am stärksten mit Stickstoffdioxid aus Auspuffrohren belasteten Straßenzüge Hamburgs. Seit Jahren werden die Grenzwerte überschritten. Das belegen die Messungen, die rund um die Uhr in einem grünen Stahlcontainer am Straßenrand auflaufen.
Davor steht Dagmar Gömer, Referatsleiterin im Institut für Hygiene und Umwelt, zuständig für das Luftmessnetz in Hamburg. Sie erklärt, wie überhöhte NO2-Konzentrationen auf den menschlichen Organismus wirken:
"Sie kriegen eine Reizung der Schleimhäute, und im Prinzip kann dann der, der schon Asthma-Probleme hatte, der hat dann zusätzliche Probleme unter Umständen."
Nach Studien der Helmholtz-Gesellschaft wirkt das Gas vor allem auf die Lungen von Kindern und Jugendlichen und alten Menschen. Auch die Gefahr, an Diabetes zu erkranken, erhöht sich für Menschen, die dauerhaft zu viel Stickstoffdioxid einatmen.
Die Jahresmittelwerte liegen in den letzten Jahren bei 55 bis 60 Mikrogramm pro Kubikmeter. Also 15 bis 20 Mikrogramm über dem zulässigen Wert, erklärt Dagmar Gömer. Ein Anwohner hat deshalb zusammen mit dem Umweltverband BUND den Luftreinhalteplan der Stadt Hamburg beklagt und Recht bekommen. Schließlich verstoßen die Stickstoffdioxidwerte gegen EU-Recht. Ganz zufrieden mit dem Etappensieg vor Gericht ist Manfred Braasch vom BUND aber nicht:
"Das Gericht ist der Auffassung, dass Hamburg mehr tun muss, um die Luft in der Stadt zu verbessern. Dass ist eigentlich ein klarer Auftrag. Das ist nicht nur ein klarer Auftrag des Gerichtes, sondern auch des Gesetzes. Und deswegen verwundert uns schon, dass die Stadt Hamburg ohne Kenntnis der Begründung, die ja noch kommen soll, jetzt schon in die Berufung geht."
Der BUND fordert Geschwindigkeitsbegrenzungen an besonders belasteten Straßen, die Einführung einer Umweltzone und ein Modellprojekt "City-Maut". Immerhin bestätigt auch das Umweltbundesamt, dass diese drei Maßnahmen zusammen genommen den Stickoxidausstoß senken können. Hamburgs Erster Bürgermeister hält davon allerdings nichts. Seine Experten kommen zu anderen Schlüssen:
"Was nicht hilft, machen wir nicht. Und deshalb wissen alle: Tempo 30 hilft nicht, sondern erhöht die Stickoxidbelastung. Deshalb wissen alle, dass City-Maut auch nicht hilft. Und darum machen wir das auch alles nicht. Sondern wir setzen darauf, dass wir mit unseren Maßnahmen es hinbekommen, die Werte so schnell wie möglich zu verbessern."
Und immerhin sollen, so Olaf Scholz, ab 2020 nur noch Busse eingekauft werden, die schadstofffrei über Hamburgs Straßen rollen. Daneben werden das Radverkehrs- und das U-Bahn-Netz ausgebaut, bald werden das erste Kreuzfahrtschiff mit Ökostrom versorgt und neue Stromzapfsäulen für Elektroautos aufgestellt. In fünf, zehn, spätestens in 15 Jahren wird die Luft an der Max-Brauer-Allee dann so sauber sein wie vorgeschrieben, heißt es im Luftreinhalteplan der Stadt. So lange müssen sich die Anwohner der stickstoffdioxid-verseuchten Straßenzüge noch gedulden.
Die Uni im Sanierungsstau
Unzufrieden mit der Bildungspolitik des Senats sind Studenten, Erzieher und viele Lehrer der Stadt. Die Abschaffung der Kita- und Studiengebühren wird zwar begrüßt. Aber immer noch stecke die Hochschulsenatorin Dorothee Stapelfeldt viel zu wenig Geld in die Universitäten. Nicht nur die Lehre leide darunter, sondern auch die Gebäude, erklärt Moritz Lamparter vom AStA der Uni-Hamburg. Er sitzt in seinem Büro in einem großen grauen Betongebäude, dem so genannten WiWi-Bunker, in dem die Wirtschaftswissenschaften untergebracht sind. Lamparter muss nicht lange überlegen, welche Gebäude auf dem Campus besonders dringenden Sanierungsbedarf haben:
"Wir sitzen jetzt hier im WiWi-Bunker. Und das Gebäude zeichnet sich dadurch aus, das es keine Fenster hat in sehr, sehr vielen Räumen. Die ganzen Seminarräume haben alle keine Fenster. Und die Klimaanlage, die wir haben in diesem Gebäude, funktioniert sehr schlecht. So dass es im Winter mal 30, 35 Grad hat und im Sommer dann auf zehn Grad runtergekühlt wird oder so'n Spaß."
Die Uni-Leitung schätzt: Der Sanierungsstau beläuft sich mittlerweile auf 640 Millionen Euro. Uni-Präsident Dieter Lenzen nennt einige Gebäude nur noch "Ruinen" und mahnt an, endlich mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Bislang steigt der Uni-Etat um 0,88 Prozent jährlich. Aber diese Etaterhöhung wird durch den Anstieg auf der Ausgabenseite zunichte gemacht, so Lenzen:
"Man kann in etwa davon ausgehen, dass die realen Kostensteigerungen unter Berücksichtigung von Tarifen, von neuen gesetzlichen Gegebenheiten bis hin zu größeren Kosten im Energiebereich, dass das pro Jahr etwa drei bis fünf Prozent Steigerung ausmacht."
Unterm Strich muss die Uni Hamburg deshalb jedes Jahr zwei bis vier Prozent ihrer Mittel einsparen. Die Idee des Senats, auf eigene Kosten Uni-Gebäude zu sanieren, um sie dann an die Uni zu vermieten, reiche nicht aus. Auch nicht, wenn die Stadt in einem zweiten Schritt den Uni-Etat um die Mietausgaben erhöht. Immerhin sollen, so der Wunsch des Senats, die Hamburger Universitäten zu einem Aushängeschild der Hansestadt werden. Dafür, erklärt Dr. Dirck Süß, von der Handelskammer, müsse die Stadt allerdings mehr Geld ausgeben:
"Der aktuelle Senat hat ja gesagt, Hamburg solle Innovationshauptstadt werden. Das Ziel ist gut. Da muss aber noch einiges getan werden. Das kostet letzten Endes auch Geld und das muss dann auch bereitgestellt und in die Hand genommen werden."
Mehr Geld für mehr Personal fordern auf ihren Demonstrationen auch die Lehrer der Grund- und Stadtteilschulen. Zwar wurden in den letzten vier Jahren über 1600 neue Lehrer eingestellt. Allerdings fehlten noch immer Pädagogen, um die Inklusion, die Betreuung behinderter Kinder im Schulunterricht, angemessen umsetzen zu können. Das gleiche gilt auch im Kita- und Krippenbereich: Dort hat es der Senat zwar geschafft, innerhalb von vier Jahren die ohnehin schon gute Versorgung nun flächendeckend anbieten zu können. Gelitten hat darunter die Verbesserung der Qualität, erklärt Sabine Kümmerle vom Alternativen Wohlfahrtsverbands SOAL:
"Der Senat hat ja jetzt mit uns gemeinsam ein Ziel vereinbart, dass wir bessere Personalschlüssel bekommen. Diese Personalschlüssel werden aber erst 2019 wirklich spürbar in den Kitas ankommen. Das heißt, wir haben noch mehrere Jahre, wo die Situation unverändert ist. Und da sagen die Erzieherinnen: Tut uns leid, die Not ist jetzt da! Es reicht nicht!"
Viele Erzieherinnen und Erzieher seien schon heute überlastet, die Krankmeldungen, auch die Burn-Out-Fälle in den letzten Jahren immer weiter gestiegen, so Sabine Kümmerle.
"Scholz riskiert keine dicke Lippe"
Trotz der vielen Baustellen, trotz der Kritik an der Senatspolitik, steht fest: Olaf Scholz wird Bürgermeister bleiben. Nach den letzten Wahlumfragen zwar ohne absolute Mehrheit. Aber dann frage er eben die Grünen, erklärt Olaf Scholz. Unterm Strich, scheint es, wird die Politik des ruhigen Herrn Scholz von den Hamburgern unterstützt.
Straßenumfrage: "Schlecht macht der Scholz das nicht! Das will ich nicht sagen. – Er riskiert nicht so eine dicke Lippe und er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, das finden wir so gut! Er kann ruhig angemacht werden, er sitzt das einfach aus. So ähnlich wie Frau Merkel. Und das ist eine ganz gute Politik. – Ich glaube, die anderen können es nicht besser und ich glaube, dass der Olaf Scholz das mit seiner Persönlichkeit und seiner Art ganz gut gemacht hat. Also: nicht 100 Prozent zufrieden, aber 80!"
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