Wahlen in Ägypten

Intellektuelle in Kairo wollen aufklären

Supporters of Egypt's former Defense Minister Abdel Fattah al-Sissi hold campaign posters with his portrait during a rally in Cairo, Egypt, 23 May 2014. Egypt's presidential election will take place on 26 and 27 May 2014.
Wahlkampf in Ägypten: Unterstützer des früheren Verteidigungsministers Abdel-Fattah Al-Sisi © picture alliance / dpa / Khaled Elfiqi
Von Michael Briefs · 26.05.2014
In drei Tagen stellt sich die politische Frage nach der Zukunft der Ägypter. Dann wird der neue Staatspräsident gewählt. Der Favorit der "einfachen Leute" ist Abdel-Fattah Al-Sisi, den auch Intellektuelle Respekt zollen. Andere Künstler, Musiker, Theaterleute und Filmemacher unterstützen eher den gewerkschaftsnahen Hamdeen Sabahi.
Kairo im Mai. Maidan-Tahrir. Hauptschauplatz der ägyptischen Revolution von 2011. Einen Steinwurf weit entfernt liegt das Restaurant Le Grillon, ein beliebter Treffpunkt der Intellektuellen. Ein Gast, der anonym bleiben möchte, spricht über die Probleme, die er als kritischer Filmemacher hat. Sein art-house Kurzfilm wurde in Abu Dhabi ausgezeichnet. In Ägypten kam er nicht durch die Zensur
Filmemacher: "Viele haben ihre Hoffnungen auf mehr Freiheit begraben und isolieren sich. Für mich ist das indiskutabel. Wie Ägypter versuchen, gegen die Resignation anzukämpfen. Davon handelt mein Film."
Im Tanzclub nebenan legt die Visual-Art-Künstlerin Dina el-Gharib die Musik auf. Im November 2011 kamen besonders viele junge Aktivisten ins After Eight. Das war nach dem Massaker durch Militärpolizei in der in den Freiheitsplatz mündenden Mohammed Mahmoud-Straße.
"Das Problem ist das vom Militär beherrschte korrupte System"
DJ Dina: "Wir waren wütend, traurig und verstört, weil auch Freunde unter den Opfern waren. Die Wahl ist für mich eine Farce: Es geht nicht um Personen. Das Problem ist das vom Militär beherrschte korrupte System. Die alten Eliten wollen ihre verlorene Macht zurück. Es wird spannend, denn wir lassen das nicht zu."
Viele Street-Art-Künstler verloren im Kampf mit der Polizei ihr Augenlicht durch Gummigeschosse. Es hätte auch die DJ-Frau Dina treffen können. Oder einen ihrer linksliberalen Freunde. Hamed leitet seit drei Jahren im Herzen Kairos ein Straßentheater-Ensemble.
Theatermacher Hamed: "Unsere Theatershow heißt „Bunte Revolution". Ein interaktives Lehrstück über das Wesen der Diktatur. Wir haben über 200 Mal in Ägypten gespielt. In Port Said, Alexandria, El-Minya. Überall. Die Leute waren begeistert."

Hamed spielt mit seinem Ensemble auch an sozialen Brennpunkten, um den arbeitslosen Menschen dort eine Perspektive zu geben. In manchen Vierteln hat es seine Truppe mit Widersachern zu tun.
Ägypten vor dem Kollaps
Theatermacher Hamed: "In Embaba gab es Probleme mit dem Militär. Bei der Aufführung bewarfen uns zunächst Islamisten mit Eiern und Steinen. Dann kamen Soldaten und fragten, ob wir zur kürzlich verbotenen revolutionären Jugendbewegung 6. April gehören. Sie nahmen uns mit auf die Wache. Nach dem Verhör konnten wir wieder gehen."

Die neue Übergangsregierung führt momentan einen blutigen Kampf gegen Islamisten. Zunehmend fallen auch die Proteste und Aktionen junger Künstler unter den wie politischen Hardliner ihn nennen - Krieg gegen den Terror. Etablierte Künstler, wie der linke Schriftsteller Sonnallah Ibrahim, finden Al-Sisi resolutes Durchgreifen richtig. Das Land stehe vor dem Kollaps. Dem Theatermacher Hamed bereitet das große Sorgen.
Theatermacher Hamed: "Für uns junge Intellektuelle ist es deprimierend , dass so viele hinter Al-Sisi stehen. Er ist der klassische Held, der die Rettung bringt. Jetzt ist es an uns, die Leute weiter aufzuklären. Klar muss sich auch die Wirtschaft erholen."
Bürokratische Hürden verhindern Kultur
Seit Jahren kämpft Hannah nun schon mit den bürokratischen Hürden beim Aufbau einer unabhängigen Cinemathek in der Kairoer Innenstadt. Meistens hat sie es mit inkompetenten Beamten zu tun.
Hannah, Leiterin Cinémathek: "Es ist so schwierig, dass wir erstmal das finanzielle Risiko selbst tragen wollen. Wenn man hier oder im Ausland merkt, dass wir allerhöchste Kinostandards anstreben, werden uns hoffentlich Sponsoren unterstützen."
In den letzten 15 Jahren haben sich dennoch Dutzende von unabhängigen Kulturzentren und Hunderte Musik- und Tanzgruppen allein in Kairo einen freien Raum für eigene Projekte geschaffen. Ihrem Engagement ist es zu verdanken, das Ägypten langsam zu einem neuen Zentrum der alternativen Jugendkultur in der arabischen Welt wird. Auch ein Präsident Al-Sisi wird daran nichts ändern können.
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