Wagner light

Von Ulrike Gondorf · 16.12.2007
Die Geschichte ist zwar nicht neu, aber gut: der goldene Ring schlägt alle in seinen Bann, das Verlangen nach ihm ist stärker als jedes andere Begehren, wer ihn besitzt, fürchtet seinen Verlust. Wer ihn haben will, kennt keine Rücksichten mehr, wird zum Betrüger, zum Verräter, zum Mörder. Denn der Ring verleiht "Macht ohne Maß".
So heißt es bei Richard Wagner, der das fatale Objekt der Begierde in den Mittelpunkt seiner gewaltigen Tetralogie vom "Ring des Nibelungen" gestellt hat. Bei Frank Nimsgern und Daniel Call, die jetzt eine moderne Adaption des Mythos als Musical auf die Bonner Opernbühne gebracht haben, ist alles etwas kürzer. Der Titel heißt nur noch "Der Ring" und das Ganze dauert nur zweieinhalb Stunden – so lang wie bei Wagner der Vorabend "Das Rheingold".

Es ist auch alles etwas einfacher, holzschnittartiger, reduziert auf vier Hauptfiguren, und statt des gewaltigen Orchesters spielt eine Rockband, die "Nimsgern Group" unter der Leitung des Komponisten. Der hat – als Sohn des berühmten Wagnersängers Siegmund Nimsgern – langjährige Erfahrung mit dem Stoff, spielt mit Originalmotiven, wenn Wotan nach Nibelheim hinabfährt oder Siegfried sein Schwert schmiedet, und geht auch mit seinen eigenen musikalischen Einfällen gelegentlich leitmotivisch um. Seine Musik in einem versierten Stilmix aus Rock und Funk, der es nicht leicht macht, eine eigenständige Tonsprache auszumachen, aber wirkungsvolle und eingängige Klänge erzeugt. "Der Ring" light, könnte man sagen.

Der Dramatiker Daniel Call hat eine mal comicartig komprimierte, mal durchaus kunstvoll gereimte Textvorlage geschrieben, deren leicht selbstironischer Tonfall das riskante Unternehmen auf den Spuren Wagners vor peinlicher Aufgeblasenheit schützt. Regisseur Christian von Götz hat zudem eine Rahmenhandlung erfunden, die den Fantasystoff als Fluchtpunkt und Selbstfindungsparcours eines heranwachsenden Mädchens zeigt. Das gestattet ihm, bei den Spielszenen plakativ vorzugehen, ohne Scheu vor Pathos, Glamour und Klischee, die in der pubertären Phantasie der kleinen "Brunhild" ihre Berechtigung haben mögen.

Das Theater Bonn hat für diese Produktion viele Gäste eingeladen, die das Musical-Metier hochprofessionell beherrschen, singen, tanzen, sprechen und spielen und das Publikum in johlende und kreischende Begeisterung versetzten. Den stärksten Eindruck hinterließ Karim Khawatmi, der ein außerordentlich differenziertes Charakterbild des "traurigen Helden" Wotan zeichnete. Faszinierend ist das szenische Konzept des Bühnebildners Heinz Hauser, der kontrastreiche, überwältigende Tableaus schafft und dabei das Kunststück fertig bringt, dass die Bühne (wie für die Tanzszenen erforderlich) doch fast immer leer ist. Eine ideenreiche Lichtregie und raffinierte Tricks mit Versenkungen, Spiegeln und aufblasbaren Bühnenelementen sorgen für spektakuläre Bilder. Hätten sich die Macher doch nur entschließen können, auf Musicalkonventionen zu verzichten und die ganze böse, pessimistische Geschichte nicht auf den letzten Metern doch noch in ein bonbonkitschiges Happy End verwandelt! Vielleicht wäre ihr riesiger Erfolg nicht kleiner, ihre Arbeit aber ehrlicher geworden.

Der Ring
Theater Bonn
Musical von Frank Nimsgern und Daniel Call
Regie: Christian von Götz