Vorwahl der Sozialisten

Überraschung von links in Frankreich

Benoit Hamon (links) wird von Manuel Valls (rechts) nicht mehr unterstützt - allen früheren Loyalitätsbekundungen zum Trotz.
Benoit Hamon (links) wird von Manuel Valls (rechts) nicht mehr unterstützt - allen früheren Loyalitätsbekundungen zum Trotz. © AFP / Joel Saget
Von Jürgen König · 23.01.2017
Bedingungsloses Mindesteinkommen für alle und kürzere Arbeitszeiten: Mit einer linken Agenda hat in Frankreich Benoît Hamon die erste Runde der Vorwahl der Sozialisten gewonnen. Manuel Valls, sein Gegner in der Stichwahl um die Präsidentschaftskandidatur, kritisiert Hamons Forderungen als unbezahlbar.
Als eine "Überraschung" wurde der klare Sieg Benoît Hamons von den politischen Kommentatoren Frankreichs überwiegend bezeichnet, waren ihm doch zunächst nur Außenseiterchancen eingeräumt worden. Benoit Hamon: 49 Jahre ist er alt, schon während seines Geschichtsstudiums hatte er eine Parteikarriere begonnen; fünf Jahre lang war er Europa-Abgeordneter, Premierminister Valls ernannte ihn 2014 zum Bildungsminister.
Doch wegen heftiger Kritik an Valls' liberaler Wirtschaftspolitik musste er sein Amt nach fünf Monaten wieder aufgeben. Heute sitzt Benoît Hamon für die Sozialistische Partei in der Nationalversammlung. Um aus dem Schatten seiner Hauptkonkurrenten Manuel Valls und Arnaud Montebourg herauszukommen, machte er typische Grundforderungen des Linksflügels der Sozialistischen Partei zu seinen wichtigsten Themen. Benoît Hamon in einer ersten Stellungnahme nach seinem Wahlsieg:
"Für mich ist die soziale Frage die wichtigste überhaupt, sie steht im Zentrum meiner Politik. Denn die Arbeitswelt verändert sich dramatisch – wegen der digitalen Revolution. Und wir müssen den Franzosen die Mittel an die Hand geben, diese Veränderungen meistern zu können. Wir brauchen kürzere Arbeitszeiten, wir brauchen Arbeitszeiten, die Angestellte mit ihren Arbeitgebern frei aushandeln können, wir brauchen ein bedingungsloses Mindesteinkommen für alle."
Ein bedingungsloses Mindesteinkommen für alle: mit dieser Forderung brachte sich Benoît Hamon im Wahlkampf, vor allem während der drei Fernsehdebatten, immer wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses – vor allem das wird in Paris als Grund für seinen Erfolg angesehen. Aufsehen erregte Hamon auch mit dem Vorschlag, die Europäische Union durch einen Grundlagenvertrag über die gemeinsame Entwicklung erneuerbarer Energie-Systeme modernisieren zu wollen.
Der unterlegene Drittplatzierte Arnaud Montebourg, auch er ein Vertreter der Parteilinken, forderte seine Wähler dazu auf, am nächsten Sonntag für Benoît Hamon zu stimmen. Damit dürfte es für Manuel Valls schwer werden, sich bei der Stichwahl durchzusetzen. Er gilt als "Rechter" innerhalb der der Sozialistischen Partei, den "linken Sarkozy" nennen ihn viele; sein oft autoritäres, schroffes Auftreten hat ihn bei vielen unbeliebt gemacht.

Valls fordert eine "glaubwürdige Linke"

Dass Valls seine Reformen mithilfe der Ausnahmeregelung des Artikels 49,3 der Verfassung gegen die Mehrheit des Parlaments durchsetzte, verzeihen ihm viele bis heute nicht, auch wenn Valls im Wahlkampf erklärte, dieses rigide Vorgehen sei ihm "aufgezwungen" worden und er werde als Präsident den Artikel 49,3 abschaffen. Am Wahlabend zeigte sich Manuel Valls optimistisch:
"Ich bin glücklich, jetzt gegen Benoît Hamon anzutreten. Denn jetzt beginnt eine neue Kampagne, und es stehen sich zwei Möglichkeiten sehr klar gegenüber: Sie haben die Wahl zwischen der sicheren Niederlage und einem möglichen Sieg, zwischen nicht zu realisierenden und nicht zu finanzierenden Versprechungen und einer glaubwürdigen Linken, die Verantwortung für unser Land übernimmt."
Die Wahlbeteiligung blieb knapp unter der angestrebten Zwei-Millionen-Marke – bei den Vorwahlen von 2011 hatte man noch 2,7 Millionen Wähler mobilisieren können. Viele Kommentatoren sehen darin einen enormen Ansehensverlust der Sozialistische Partei wiedergespiegelt: verursacht durch die Präsidentschaft François Hollandes. Der kommentierte das Wahlergebnis bisher nicht und blieb sich damit treu – seit seinem Verzicht auf eine Kandidatur Anfang Dezember hat er sich zu den Vorwahlen der Linken mit keinem Wort geäußert.
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