Vorsicht, Gasbohrer!

Von Friederike Wintgens · 08.04.2013
Für manche ist es ein Horrorszenario, für andere die Lösung des Energieproblems: Über das Fracking, eine Fördermethode für Schiefergas, wurde zuletzt viel gestritten. Angestoßen wurde die bundesweite Protestwelle von hartnäckigen Bürgerinitiativen im Münsterland.
Ein eisiger Wind fegt über den Platz vor der Alten Post in Drensteinfurt. Doch das stört die gut 30 Mitglieder der Bürgerinitiative "Gegen Gasbohren" nicht. In dicke Schals und Winterjacken gehüllt, haben sie sich am Freitagabend vor dem Bürgerhaus aufgestellt, halten Plakate hoch. "Nein zum Fracking", steht darauf. Zu ihren Füßen haben sie Mineralwasserflaschen aufgereiht. Stefan Henrichs, schwarzer Parker, kurze braune Haare, setzt einen weiteren Kasten Wasser ab, nimmt die Flaschen heraus, stellt sie dazu.

"Wir wollen heute darauf hinweisen, wie viel Wasser dem Wasserkreislauf entnommen wird, wie viel Wasser verschwendet wird. Beim Fracking werden – man findet verschiedene Zahlen, aber eine davon ist sechs Millionen – die werden verbraucht. Wir haben mal ausgerechnet, wie viel das denn in Mineralwasserflaschen ist. Und wenn man die Mineralwasserflaschen in einer Reihe aufstellt, die sechs Millionen Liter Wasser aufnehmen, würde man damit eine Strecke von 600 Kilometern damit überbrücken können. Das wäre eine Strecke von Münster bis München, und das finden wir schon sehr eindrucksvoll."

Die Flaschenreihe, die Stefan Henrichs und seine Mitstreiter aufgestellt haben, reicht zwar nur vom Eingang der Alten Post bis zur Mitte des langgestreckten Baus, aber das tut dem Enthusiasmus der Demonstranten keinen Abbruch. Auch, dass kaum ein Passant um diese Uhrzeit die Hauptstraße von Drensteinfurt entlangläuft, stört Stefan Henrichs nicht. Er hat die Bürgerinitiative vor zweieinhalb Jahren mit gegründet und ist seither ihr Sprecher:

"Das Wichtigste ist für mich der Schutz des Trinkwassers, ganz wichtig ist auch der Umweltschutz. Ich bin ganz bewusst hier in den ländlichen Bereich gezogen, weil ich es liebe, hier mit meinem Hund und meiner Familie spazieren zu gehen, joggen zu gehen, Sport zu treiben an der frischen Luft, weil ich die Ruhe und das Münsterland sehr schätze. Ich habe Angst, dass das alles zerstört wird."

Es geht möglicherweise um viel Geld: Bis zu 2,3 Billionen Kubikmeter Schiefergas werden nach Schätzungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe unter der Erde in Deutschland vermutet – das zweitgrößte Feld Europas. Wenn man es dank neuer Fördertechniken ausbeuten könnte, könnte man über Jahre auf Erdgasimporte verzichten, so die Hoffnung. Auch in der Erde unter Drensteinfurt sollen große Mengen an Gas lagern.

Beim Fracking werden giftige Chemikalien in die Erde gepumpt
Das Problem: Der Rohstoff befindet sich in sogenannten "unkonventionellen" Lagerstätten, er ist in Schiefergestein gebunden. Er ließe sich wahrscheinlich nur durch eine umstrittene Methode fördern: "hydraulic fracturing", kurz "Fracking". Der Begriff stammt aus dem Englischen und bedeutet "Aufbrechen": Dabei wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und giftigen Chemikalien in die Erde gepumpt, um das Gestein aufzubrechen und das Gas an die Oberfläche zu holen. Doch die Mühe könnte sich lohnen, argumentieren die Unternehmen. Miriam Strauch ist Sprecherin des Wirtschaftsverbands Erdöl- und Erdgasgewinnung:

"Vor dem Hintergrund, dass der Energiebedarf in Deutschland riesengroß ist: Jeder Mensch fährt täglich von A nach B, heizt, kocht, beleuchtet seine Wohnung. Und natürlich braucht auch die deutsche Industrie bezahlbare Energie, um auch international wettbewerbsfähig zu bleiben. Und um diesen Bedarf zu decken, müssen wir auch die Chancen der eigenen Ressourcen hier nutzen. Das gilt natürlich auch für Erdgas, und die heimischen Quellen hier, sind eine Chance, bezahlbare Energieversorgung zu gewährleisten. Schließlich muss ja jeder Kubikmeter Gas, der hier gefördert wird, nicht importiert werden."

Die in Deutschland ansässigen Erdgasunternehmen würden deswegen nur zu gern herausfinden, wie viel von den geschätzten Vorkommen tatsächlich gefördert werden kann. Die Konzerne verweisen auf das Argument der Energiesicherheit und der Energiekosten. Sie berufen sich dabei auf Einschätzungen der Internationalen Energieagentur, wonach Fracking das Zeitalter fossiler Brennstoffe deutlich verlängern könnte:

"In den USA hat die Schiefergasförderung ja wirklich spürbare Vorteile für Industrie und Verbraucher gebracht. Mittlerweile liegen dort die Erdgaspreise um den Faktor vier unter den Preisen in Europa. Die Schiefergasförderung dort ist wirklich zu einem Eckpfeiler der wirtschaftlichen Erholung des Landes geworden."

Probebohrungen ohne Prüfung auf Umweltverträglichkeit
In Drensteinfurt im Münsterland sicherte sich ExxonMobil bereits vor mehreren Jahren die Aufsuchungsrechte, sogar ein Feld für eine Probebohrung war bereits ausgewählt. Doch dann sprach sich 2010 die Geschichte in Drensteinfurt herum, erinnert sich Carsten Grawunder, während er ein Transparent ausrollt.

"Als ich von dem Thema erfahren habe, war ich erst nicht beunruhigt, weil ich gedacht habe, was hier in Deutschland genehmigt und geprüft wird, ist zumindest bis zu einem bestimmten Grad sicher. Und dann habe ich mich mit der Thematik ein bisschen beschäftigt, habe das Bundesberggesetz gelesen, festgestellt, wie veraltet das ist, dass es überhaupt nicht auf dem heutigen Stand der Technik ist und insbesondere dieses neue Verfahren, dieses hydraulic fracturing, überhaupt nicht beherrschen könnte. Und da haben wir hier im Ort zunächst mit ein paar Leuten beschlossen, eine Bürgerinitiative zu gründen, und die hat einen sehr großen Zulauf."

In der Tat ist das Bergrecht, ein Bundesgesetz, veraltet. Es sieht zum Beispiel keine automatische Umweltverträglichkeitsprüfung oder Beteiligung der Öffentlichkeit vor, erklärt Bernd Kirschbaum, Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Umweltbundesamt.

"Bislang gab es eine Mengenschwelle für die Umweltverträglichkeitsprüfung. Die liegt bei 500.000 Kubikmeter Erdgas am Tag. Darüber benötigen die Betriebe eine Umweltverträglichkeitsprüfung, um eine Genehmigung zu erhalten, darunter war es ohne möglich."

Die Empörung war entsprechend groß, als die zuständige Bergbehörde vor zwei Jahren nach und nach damit rausrückte, dass bereits das halbe Bundesland Nordrhein-Westfalen in "Claims" abgesteckt war und bereits erste "Probe-Fracks" durchgeführt worden waren. Die Bergbehörde hatte schlichtweg nichts dabei gefunden, die Aufsuchungserlaubnisse zu erteilen. Innerhalb kürzester Zeit gründeten sich bundesweit 40 Bürgerinitiativen. Die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf reagierte und verhängte ein Moratorium. Und zwar solange, bis alle Risiken geklärt seien. Gemeinsam mit vier anderen Bundesländern brachte NRW einen entsprechenden Antrag im Bundesrat sein. Dieser erklärte, man lehne bis auf weiteres den Einsatz giftiger Chemikalien ab – außerdem verlangte die Länderkammer eine Umweltverträglichkeitsprüfung für alle Frack-Vorhaben. Eine Forderung, der Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und Umweltmister Peter Altmaier im Februar dieses Jahres mit einem Gesetzentwurf nachkamen.

"Mit dem Gesetzentwurf, den wir vorlegen, wird Fracking in Trinkwasserschutzgebieten grundsätzlich verboten. Es wird für alle anderen Bereiche eine strenge Umweltverträglichkeitsprüfung eingeführt. Und diese Umweltverträglichkeitsprüfung wird sicherstellen, dass solange keine Fracking-Vorhaben genehmigt werden, wie nicht alle offenen und kritischen Fragen beantwortet sind. Es gibt derzeit keinerlei Grund, Fracking in Deutschland durchzuführen. Es gibt Fragen und Bereiche, wo der Umweltschutz und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen Vorrang haben müssen vor wirtschaftlichem Interesse."

Die Interpretation von Philipp Rösler klingt dagegen deutlich anders. Fracking biete erhebliche Chancen, so der FDP-Wirtschaftsminister. Und während die Bundestagsfraktionen von CDU und FDP Zustimmung signalisieren, regt sich in der CSU Widerstand. Die SPD spricht sich dafür aus, Fracking nur unter strengen Auflagen zuzulassen, auch fordert sie den Ausschluss von giftigen Chemikalien. Die Grünen starteten im Internet schon eine Protestkampagne gegen den Gesetzentwurf. Und auch in NRW signalisiert die Partei Widerstand. Wibke Brems ist die energiepolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion:

"Wir denken, dass das jetzt so ein Schnellschuss kurz vor den Wahlen ist. Jahrelang hat Herr Altmaier und die schwarz-gelbe Bundesregierung nichts beim Thema Fracking gemacht, auch keinerlei Notwendigkeit gesehen, da irgendwas zu tun. Und jetzt versuchen sie, weil sie merken, das Thema könnte doch hochkochen, schnell was zu machen, aber es ist eben nicht konsequent bis zu Ende gedacht."

Gesetzentwurf der Bundesregierung geht Aktivisten nicht weit genug
Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat bereits angekündigt, dass sie bei ihrer Forderung nach einem bundesweiten Moratorium bleiben will, solange nicht alle Risiken für Mensch und Umwelt ausgeschlossen sind. Da auch der rot-grün dominierte Bundesrat das Gesetz billigen muss, ist längst nicht klar, ob die Regelung wie geplant noch vor der Sommerpause verabschiedet werden kann. Hoffentlich nicht, meinen die Demonstranten vor der Alten Post in Drensteinfurt. Carsten Grawunder und seinen Mitstreitern reicht die Versicherung des Bundesumweltministers nicht aus.

"Es ist überhaupt nicht ausgegoren. Dieses Verfahren, das Hydraulic Fracturing, ist überhaupt nicht ausreichend erforscht. Es wird natürlich jetzt eine Umweltverträglichkeitsprüfung gefordert, was wir vom Grundsatz her begrüßen, aber wenn man sich mit der Thematik beschäftigt, ist überhaupt nicht geregelt, welche Parameter da jetzt zu prüfen sind. Da muss man viel sorgfältiger drangehen und sagen: Wasser ist das höchste Gut, was wir hier haben und das genießt den höchsten Schutz."

Die Bürgerinitiative "Gegen Gasbohren" verweist auf ihrer Internetseite auf einen verstörenden Dokumentarfilm aus den USA, wo Mineralölkonzerne seit Jahren in großem Umfang "fracken". "Gasland" des Regisseurs Josh Fox war 2010 für den Oskar nominiert.

Eine besonders eindrucksvollen Szene spielt in der Küche eines Wohnhauses: Über der Spüle hängt ein handgeschriebener Zettel mit der Aufschrift "Trinken Sie dieses Wasser nicht". Der Besitzer dreht den Hahn auf, Wasser fließt heraus. Dann hält der Mann ein Feuerzeug daran – und das Wasser beginnt zu brennen. Josh Fox ist durch 24 Bundesstaaten gefahren und hat mit betroffenen Anwohnern von Bohrlöchern gesprochen.

"Ihr Wasser wird schwarz, es schmeckt salzig oder hat Gasblasen, die man anzünden kann. Wenn die Bohrlöcher nah sind, bemerkt man den Gestank 24 Stunden am Tag. Die Menschen bemerken Rauch und Gerüche. Sie bekommen Kopfschmerzen, ihnen wird übel - sie haben Atemprobleme."

Wenn das Wasser zu brennen beginnt
Werner Zittel war einer der ersten Wissenschaftler in Deutschland, der sich mit der Suche nach unkonventionellem Erdgas beschäftigt hat. Der Ingenieur arbeitet für die Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH – ein Unternehmen, das im Auftrag von Wirtschaft und Politik wissenschaftliche Studien zu Energiefragen erstellt. Das Papier zur Förderung von Erdgas war das Ergebnis einer internen Recherche – aus reinem Interesse, wie Werner Zittel betont. Sein Fazit zu den verwendeten Chemikalien, zu denen auch Biozide, also Schädlingsbekämpfungsmittel, zählen:

"Es sind relativ harmlose Substanzen dabei, es sind natürlich sehr biozide Chemikalien und auch sehr wassergefährdende wie Tetra-Methyl-Ammonium-Chlorid. Die haben eine hohe Toxizität für sich genommen. Die Firmen argumentieren immer: Die werden ja erstens nicht ins Grundwasser versetzt, sondern in den tiefen Untergrund und zweitens so mit Wasser verdünnt, dass sie harmlos seien. Nun würde ich dem entgegenhalten: Zunächst muss man sie oberflächlich konzentriert transportieren, und dann, wenn man die Verdünnung in den Untergrund einspült, selbst wenn ich eine giftige Chemikalie im%bereich habe, das sind 1000 Milligramm pro Liter teilweise. Das ist eine ganze Menge, wenn es um gefährliche Substanzen geht. Und ein weiterer Punkt ist: Wir wissen ja nicht sicher, dass das da unten verbleibt. Das ist die Hoffnung und es ist relativ wahrscheinlich, aber es können immer wieder Fließfähigkeiten geschehen, dass ein Kontakt zum Grundwasser passiert."

Die Industrie hält dagegen. Man arbeite daran, die eingesetzten Chemikalien deutlich zu reduzieren, sagt Miriam Strauch vom Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung:

"Die sehr hohen technischen Standards in Deutschland gelten natürlich und auch besonders für den Trinkwasserschutz. Zum einen reichen die Trinkwasser führenden Schichten hier in den relevanten Gebieten ungefähr 50 bis 200 Meter tief. Währenddessen befinden sich die Erdgas führenden Schichten in Tiefen von 1000 bis zu 5000 Metern Tiefe. Auf jeden Fall kann man sich sicher sein, dass zwischen Erdgaslagerstätte und Trinkwasser viele hunderte oder sogar tausende Meter dickes undurchlässiges Deckgebirge liegen. Und durch diese Barriere können sich die Frackrisse nicht ausdehnen."

Ganz auf Chemikalien verzichten kann man beim Fracking nicht
ExxonMobil veröffentlicht inzwischen auch auf seiner Internetseite Listen der eingesetzten Chemikalien. Ganz darauf verzichten kann man auch in Zukunft nicht, das geben auch die Unternehmen offen zu. Man arbeite jedoch daran, die Chemikalien deutlich zu reduzieren. ExxonMobil verweist außerdem gern darauf, dass in Deutschland bereits seit 50 Jahren gefrackt wird – und zwar zur Gewinnung von sogenanntem "Tight Gas". Das ist Erdgas, das in Sand- oder Kalksteinschichten vorkommt und meist tiefer liegt als das Schiefergas. Die Verfahren sind somit auch nur bedingt vergleichbar, wenden Kritiker ein.

ExxonMobil hat inzwischen erkannt, dass die Industrie solche Bedenken ernst nehmen muss und hat deshalb seine Strategie geändert. Das Unternehmen beauftragte eine Gruppe renommierter Wissenschaftler damit, ein unabhängiges Gutachten zu dem umstrittenen Thema zu erstellen. Diese wurde im vergangenen Jahr fertiggestellt. Darin gehen die Forscher detailliert auf die Bedenken der Umweltschützer ein, beschreiben Szenarien möglicher Unfälle. Im Fazit heißt es:

"Die Umweltrisiken können erheblich sein, vor allem im Hinblick auf den Gewässerschutz. Der Neutrale Expertenkreis setzt eine klare Priorität: Trinkwasser- und Gewässerschutz gehen vor Energiegewinnung."

Martin Sauter ist Professor für Angewandte Geologie an der Universität Göttingen. Er hat an dem Gutachten mitgearbeitet und betont: ExxonMobil hat keinen Einfluss auf die Studie genommen und hat versprochen, sich an die Empfehlungen zu halten.

"Es wurde kein Druck aufgebaut, und was von ExxonMobil von vornherein gesagt wurde, dass sie die Empfehlungen, mit denen der Expertenkreis am Ende antritt, dass diese Empfehlungen übernommen werden. Also im Prinzip eine Art Blankoscheck."

Experten sind sich über ökologische Risiken uneinig
Für ein generelles Verbot der Fracking-Technologie sieht der Expertenkreis allerdings keine sachliche Begründung. Er halte die Technologie für kontrollierbar, wenn entsprechend seiner Empfehlungen in vorsichtigen Schritten vorgegangen werde. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt auch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in einem eigenen Gutachten:

"Die Risiken von Fracking-Maßnahmen im geologischen Untergrund stellen sich im Vergleich zu möglichen Unfällen bei obertätigen Aktivitäten als gering dar."

Der Gefahr, dass giftige Chemikalien ins Erdreich gelangen, werde durch eine wasserdichte Ausführung des Bohrplatzes entgegengewirkt. Zudem bestehe für große Bereiche Deutschlands nur eine geringe Erdbebengefährdung. Das Umweltbundesamt hat ebenfalls eine Studie in Auftrag gegeben, deren Fazit jedoch deutlich skeptischer klingt:

"Die Fracking-Technologie, mit der Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten gefördert wird, kann zu Verunreinigungen im Grundwasser führen. Besorgnisse und Unsicherheiten bestehen besonders wegen des Chemikalieneinsatzes und der Entsorgung des anfallenden Abwassers."

Allerdings: Auch das Umweltbundesamt auf dessen Gutachten sich der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung stützt, spricht sich nicht für ein generelles Verbot von Fracking aus, sagt Bernd Kirschbaum vom UBA:

"Also eines war erstaunlich, es gab ja letztes Jahr mehrere Studien, die veröffentlicht wurden in Deutschland zum Thema Fracking. Und keine der Studien, auch nicht die von unseren Gutachtern, hat sich für ein generelles Verbot von Fracking ausgesprochen. Allen Studien gemein ist, dass überall Risiken gesehen wurden und dass alle sagen: Wir wissen im Augenblick noch zu wenig. Lasst uns noch genauer hinschauen, bevor wir eine flächendeckende Gewinnung angehen. Das ist auch unser Fazit: Im Augenblick raten wir aufgrund der Kenntnislücken ab von einer flächendeckenden Gewinnung."

Auch bei der Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen scheinen sich alle Gutachten weitgehend einig: Man weiß derzeit noch zu wenig über die Schiefergasvorkommen in Deutschland, um einschätzen zu können, ob diese einen ähnlichen Boom wie in den USA auslösen könnten. Das meint auch Martin Sauter von der Universität Göttingen, der an der Studie für ExxonMobil mitgewirkt hat.

"Es ist schwer zu sagen. Es gibt einfach keinen Weltmarktpreis für Erdgas. Deswegen kennt man die Konsequenzen nicht. Es dürfte auch deutlich teurer sein, in Deutschland zu bohren aufgrund der Auflagen. Man ist auch in dicht besiedeltem Gebiet. Das Erdgas dürfte an manchen Stellen wesentlich tiefer sein. Das sind Faktoren, die sich auf den Preis der Erschließung auswirken dürften."

Wissenschaftler fürchten um Beschränkung ihrer Forschung
Um weitere Erkenntnisse zu gewinnen, müsste man die Verfahren in der Praxis testen. Doch die Wissenschaftler fürchten, dass es dazu nun gar nicht kommt. Zusammen mit zwei Kollegen hat Martin Sauter einen Aufruf im Spiegel veröffentlicht. "Tabu im Untergrund", so der Titel. Darin warnen sie vor einem "Fracking-Verhinderungsgesetz". Sie erinnern an die Debatte über die sogenannte "CCS-Technik", mit der CO2 im Untergrund gespeichert werden kann. Doch der anhaltende Protest von Bürgerinitiativen habe dazu geführt, dass der Bundesrat ein entsprechendes Gesetz blockierte und die Unternehmen die Forschung aufgegeben hätten. Nun befürchte man ähnliches für die Frack-Technologie, sagt Martin Sauter:

"Wir als Wissenschaftler befürchten, dass wir mit unseren Belangen, unseren Interessen, häufig nicht berücksichtigt werden. Wir wollten einfach einem bestimmten Trend entgegenwirken, dass aufgrund von diesen potenziellen Risiken und zum Teil auch diffusen Ängsten wichtige und relevante Forschung im Bereich der Geowissenschaften unterbunden wird."

Die Demonstranten vor der Alten Post in Drensteinfurt im Münsterland halten nicht viel von diesen Argumenten. Sie wollen sich nicht auf die Versicherung von Bundesumweltminister Peter Altmaier verlassen. Unterstützung erhalten sie durch eine Studie der "Energy Watch Group", einem Zusammenschluss von Wissenschaftlern, der sich für die Förderung Erneuerbarer Energien einsetzt. Die Gruppe veröffentlichte im März eine viel zitierte Studie zur Zukunft der fossilen Brennstoffe. Diese kommt zu komplett anderen Ergebnissen als die Internationale Energieagentur, auf die sich die Erdgasindustrie bezieht. Trotz Fracking werde bereits in sieben Jahren das Fördermaximum von Erdgas erreicht sein, so die Energy Watch Group. Studienleiter ist der erklärte Fracking-Kritiker Werner Zittel:

"Die konventionelle Erdgasförderung ist sowohl in Nordamerika als auch in Europa bereits im Förderrückgang. Weder leichtes Tight Oil in den USA, noch Schiefergas werden ein sogenannter Game-Changer sein. Sie können ein paar Jahre den Eindruck vermitteln, als ob es wieder eine Umkehr gäbe. Aber dafür kommt der Absturz dafür umso stärker. Die Hoffnung, dass Schiefergas da auch nur annähernd eine Entspannung bringen könnte, die können sie vergessen. Sie können da im%bereich vielleicht ein bisschen was drehen. Mit viel Aufwand und viel Kollateralschäden."

Die Drensteinfurter wissen zudem die Umweltschutzorganisationen Bund für Umwelt und Naturschutz und Greenpeace auf ihrer Seite, die Grünen sowieso. Die nächste große Aktion ist schon geplant: Im Juni läuft der US-Kinofilm "Promised Land" mit Matt Damon in Deutschland an. Die Bürgerinitiative will Kinobesitzer ansprechen und Diskussionsrunden im Anschluss an die Vorführung organisieren. In dem Film geht es um den Kampf eines kleinen Ortes gegen einen großen Konzern, der dort Erdgas mit der Fracking-Methode fördern will.


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