Vorgespult

Die Kinostarts diese Woche

Filmszene aus "Verstehen Sie die Béliers?" zeigt eine vierköpfige Familie bei der gruppenumarmung.
Eine glückliche Familie: v.l.n.r. Der Vater Rodolphe (François Damiens), Paula (Louane Emera), die Mutter Gigi (Karin Viard) und Quentin (Luca Gelberg) © 2014 Concorde Filmverleih GmbH
Von Christian Berndt  · 28.02.2015
In Vorgespult geht es diese Woche um drei Filme, die ihre Helden vor skurrile wie tragische Herausforderungen stellen: "Verstehen Sie die Béliers", "Pepe Mujica" und "Still Alice", für den Julianne Moore den Oscar als beste Schauspielerin erhielt.
"Streng Dich doch ein bisschen an. – Gut, wir tauschen die Familien. – Jederzeit, meine Brüder sind ätzend, ich komme mir vor, als würde ich in einer Rugby-Mannschaft leben. – Jeder hat sein Päckchen zu tragen. –Ach, hör auf. Außerdem ist Deine Mutter der Knaller."
Paulas Mutter ist tatsächlich ziemlich außergewöhnlich. Und tauschen würde Paula ihre Familie, die einen Bauernhof bewirtschaftet, auch nicht. Aber manchmal ist es für sie einfach nervig. Ihre Eltern und der Bruder sind gehörlos, sie benehmen sich für Außenstehende gelegentlich etwas befremdlich. Besonders peinlich ist es, wenn Paula beim Arzt für die Eltern übersetzen muss:
"Also, besser ist es nicht geworden. – Aber das verstehe ich nicht, ich schmiere mir die Salbe jeden Abend in… die Vagina. – Die Mykose Deiner Mutter hat sich sogar ausgebreitet."
Skurrile, liebenswerte Familie
Die französische Komödie "Verstehen Sie die Beliers?" erzählt stimmungsvoll und auch recht derb von einer skurrilen, aber liebenswerten Familie. Paula ist ein selbstbewusster Teenager, neuerdings auch verliebt. Aber dann entdeckt der Musiklehrer ihr Gesangstalent und will sie für eine Aufnahmeprüfung in Paris vorbereiten. Das würde für Paula bedeuten, die Familie allein zu lassen, und die Mutter fürchtet, dass ihre Tochter sich als Sängerin von der gehörlosen Familie entfremdet. Bis Paula ihren eigenen Weg aus diesem Dilemma findet, fährt Regisseur Eric Lartigau einige, auch überflüssige, Verwicklungen und Zoten zu viel auf. Aber wie die Tochter ausgerechnet über die Musik ihren Eltern im Abschied ganz nahe kommt, das ist dann doch überraschend hinreißend erzählt.
"Wir begrüßen den Präsidenten der Republik Uruguay, Seine Exzellenz, José Murjica."
Staatsbesuch in Berlin. Zu Gast ist der Präsident von Uruguay, José, genannt Pepe, Mujica. Man erlebt einen freundlichen älteren Herrn, der bei einer Plauderei mit der Kanzlerin erzählt, daß er noch nie in einem so großen Wagen wie hier gesessen habe, zuhause fährt er einen VW-Käfer. Der fast 80-Jährige gilt nicht nur als ungewöhnlichster, sondern auch ärmster Präsident der Welt – 90 Prozent seines Gehaltes spendet er.
Vergangenheit als marxistischer Guerillero
Über viele Jahre hat die Schweizer Dokumentarfilmerin Heidi Specogna Mujica immer wieder getroffen, 1996 einen Film über seine Vergangenheit als marxistischer Guerillero gedreht, und ihn jetzt für ihren neuen Film "Pepe Mujica" porträtiert. Unter der Militärdiktatur hat Mujica 13 Jahre in Isolationshaft verbracht, als Präsident Uruguays seit 2010 wirkt er ausgleichend. Unter ihm hat sich das Land stark liberalisiert – von der Legalisierung der Abtreibung über Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen bis zur Freigabe von Cannabis. Der Film singt ein Loblied auf den noch aktiven Blumenzüchter, der seine Freizeit mit landwirtschaftlicher Arbeit verbringt. Aber es macht Spaß, diesem unverstellten Lebensphilosophen zuzuhören, und man wird neugierig auf ein Land, das so jemanden zum Präsidenten gewählt hat:
Erlebte man mit Mujica einen geistig topfitten fast 80jährigen, geht es im amerikanischen Film „Still Alice“ um eine 50jährige, die einen rapiden geistigen Abbau erlebt. Der Professorin fallen plötzlich Wörter nicht mehr ein, beim Joggen auf dem Uni-Campus verliert sie die Orientierung. Eine ärztliche Untersuchung bringt die furchtbare Gewissheit: Alice hat eine im frühen Alter auftretende Form von Alzheimer. Juliane Moore führt in der Rolle der Alice die Verunsicherung, die der langsame geistige Verfall mit sich bringt, erschütternd nachfühlbar vor. Für die Familie - besonders Tochter Lydia - ist es kaum erträglich.
Brutaler Krankheitsverlauf
"Wie ist das so? Ich meine, wie fühlt sich das eigentlich an? – Ich habe mich immer sehr definiert über meinen Intellekt, meine Sprache, und jetzt hängen die Wörter manchmal direkt vor mir in der Luft, aber ich kann sie nicht erreichen und ich weiß nicht mehr, wer ich bin und was ich als nächstes verliere. – Das klingt furchtbar."
Alice und Lydia, gespielt von Kristen Stewart, kommen sich durch die Krankheit aber auch näher. Wash Westmoreland und Richard Glatzer, der selbst an der unheilbaren ALS-Krankheit leidet, erzählen in "Still Alice" sehr eindrücklich von diesem brutalen Krankheitsverlauf. Allerdings bringt die Konzentration auf Alice auch mit sich, dass nur oberflächlich ausgelotet wird, was zwischen den Figuren passiert. Alice bäumt sich gegen das Unvermeidbare auf, erlebt glückliche Momente, was mit reichlich Pathos inszeniert ist. Aber durch die Fokussierung auf Alice’ Verfall wirken diese Glücksmomente eher gewollt als glaubwürdig. Vielleicht hätte mehr Distanz zum Thema ein vielschichtigeres Bild ermöglicht.
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