Vorgespult

Berührend, verstörend, amüsant

Blick in einen Kinosaal in Mainz
Ein Blick auf drei Kinostarts der nächsten Woche. © dpa / picture-alliance / Fredrik von Erichsen
Von Christian Berndt · 25.10.2014
Drei Filme, die vom explosiven bis blutigen Zusammenprall verschiedener Welten handeln, kommen in die Kinos: die britische Komödie "Pride", der deutsche Horrorthriller "Der Samurai" und das Mockumentary "5 Zimmer, Küche, Sarg" aus Neuseeland.
England 1984: Die Ankündigung der Regierung Thatcher, Zechen zu schließen, löst einen landesweiten Streik der Bergleute aus. Es kommt zu fast bürgerkriegsartigen Zuständen, die das ganze Land spalten und die unterschiedlichsten Leute Stellung beziehen lassen – so auch den Schwulenaktivisten Mark:
"Täusch ich mich oder wird die Polizei soft? (Lachen) Schon komisch, dass die nicht mehr vor unseren Clubs rumhängen, tja, warum wohl? Jetzt sind die armen Säcke dran, jetzt kriegen die ein paar auf die Fresse. Die kleinen Bergbaustädte werden mindestens so schikaniert wie wir."
Mark gelangt zur Einsicht, dass Homosexuelle und Bergleute ein gemeinsamer Feind verbindet. Also gründet er mit seinen Freunden eine schwul-lesbische Bewegung, die Geld für die Bergleute sammelt. Der britische Film "Pride" beruht auf einem realen Vorbild, es gab diese Gruppe tatsächlich, und sie hatte 1984 die gleichen Probleme wie die Filmfiguren: Weil die Gewerkschaftsführung kein Geld von Schwulen annehmen will, beschließen die Aktivisten, die Spenden persönlich in der Provinz vorbeizubringen – und stoßen zunächst auf wenig Gegenliebe:
"Wir wollen unseren Vereinssaal wiederhaben!" – "Keine Ahnung, wovon ihr sprecht." – "Von euren blöden Schwuchteln." – "Es gibt auch normale Leute, die hier was trinken wollen, klar!" – "Schwule Mistkerle!"
Der Anfang gerät ruppig, aber langsam fasst man Vertrauen. Regisseur Matthew Warchus erzählt in "Pride" davon, wie sich zwischen zwei komplett verschiedene Welten - Provinz-Arbeitern und jungen Großstadt-Schwulen - eine Solidarität entwickelt, die allmählich Vorurteile überwindet. Das ist mitunter nah am Klischee. Aber Warchus, der sonst am Theater inszeniert, führt dieses vielköpfige Ensemble so virtuos, dass er jedes falsche Pathos raffiniert umschifft – und aus seiner Vision von Gemeinschaft im besten Sinne berührendes Kino macht:

Pride
Großbritannien 2014 - Regie: Matthew Warchus, Darsteller: Ben Schnetzer, George MacKay, Dominic West, Andrew Scott, Bill Nighy, Imelda Staunton - 120 Minuten
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Von einem weniger freundlichen Einbruch in die Provinz erzählt der deutsche Film "Der Samurai". In einem brandenburgischen Dorf untersucht Polizist Jakob eine Reihe rätselhafter Vorfälle, bis er eines Nachts einem merkwürdigen jungen Mann begegnet:
"Was Sie hier machen ist Hausfriedensbruch. Ich muss Sie auffordern, das Gebäude sofort zu verlassen. Ansonsten muss ich Sie leider festnehmen." – "Gefall ich Dir?"
Der Fremde ist mit einem Samurai-Schwert bewaffnet und gibt sich so lockend wie bedrohlich. Es beginnt eine nächtliche Verfolgungsjagd, die sich zu einer Art Initiations-Ritus entwickelt.Till Kleinert erzählt in seinem Debüt-Film "Der Samurai" von einem unbewussten Begehren - der brave Dorfpolizist Jakob fühlt sich von diesem dämonischen Krieger seltsam angezogen und gerät dabei immer tiefer in einen Strudel blutiger Gewalt. Kleinert spielt in seinem Thriller mehr mit Stilmitteln des Horrorfilms, als einen echten Spannungsbogen aufzubauen. Ihm geht es vielmehr um den Ausbruch der verdrängten Triebe seines Helden, für die er manchmal plakative, manchmal fantastische Bilder findet:

Der Samurai
Deutschland 2014, Regie: Till Kleinert, Darsteller: Pit Bukowski, Michel Diercks - 79 Minuten, ab 16 Jahren
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Fantastische Wesen erlebt man auch in der neuseeländischen Doku-Farce "5 Zimmer, Küche, Sarg". Ein Filmteam begleitet den Alltag von Vampiren, die zusammen eine WG in Wellington bewohnen. Die Untoten haben ähnliche Probleme wie andere WGs auch: Schmutziges Geschirr, das sich stapelt, oder Mitbewohner, die rumsauen.
"Neulich bin ich in den Salon gegangen, und überall war Blut auf meiner schönen, antiken Couch." – "Auf welcher, der roten?" – "Jetzt ist sie rot, ja. Wenn ihr eure Opfer auf meiner schönen Couch beißt, dann legt doch Zeitungspapier auf den Boden und ein paar Handtücher, das ist doch kein Umstand." – "Wir sind Vampire, wir benutzen doch keine Handtücher."
Trotz aller Alltagsnervereien: Wenn die Vampire zusammen ausgehen – oder auf blutiger Jagd sind - haben sie Spaß wie aufgedrehte Teenager. Jemaine Clement und Taika Waititi zeigen in "5 Zimmer, Küche, Sarg" das Vampirleben als Hipster-Existenz. Die jahrhundertealten Freaks müssen nicht mehr jeden Trend mitmachen – ob bei Klamotten oder Handys – sondern frönen ihrem ganz eigenen, extravaganten Außenseitertum. So ist diese amüsante Filmsatire nicht nur eine absurde Reminiszenz an den klassischen Horrorfilm, sondern auch ein cleverer Kommentar zur Aktualitätsverliebtheit unserer Zeit.

5 Zimmer, Küche, Sarg
Neuseeland, USA 2014 - Regie: Taika Waititi, Jemaine Clement, Darsteller: Stuart Rutherford, Elena Stejko, Jason Hoyte - 86 Minuten, ab 12 Jahren
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