Vor den Landtagswahlen

Rechenspiele vor dem möglichen Sturm

Buntstifte in den Farben der wichtigsten Parteien (v.l.n.r.) Grüne, Die Linke, AfD, SPD, CDU, die sich bei den Landtagswahlen am 13.03.2016 in um die Wählergunst bewerben.
Buntstifte in den Farben der Parteien © picture-alliance / dpa / Ralf Hirschberger
Von Johannes Kulms · 12.03.2016
Ampel-, Deutschland-Koalition oder ein Bündnis aus CDU, SPD und Grünen: Vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am Sonntag werden verschiedene Szenarien durchgerechnet. Denn das voraussichtlich starke Abschneiden der AfD durchkreuzt bisherige Mehrheiten.
Freitagnachmittag, Wahlkampfabschluss der CDU in Trier, auf dem Podium steht Angela Merkel:
"Wenn Sie sich überlegen, wie knapp die Umfragen sind, dann wissen Sie, alles ist offen."
Die Bundeskanzlerin meint damit den Ausgang der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz, wo die neben ihr stehende Unions-Kandidatin Julia Klöckner so gerne die 25-Jährige SPD-Herrschaft beenden würde.
Und doch passt Merkels Aussage nicht nur zur Lage der Union und Rheinland-Pfalz. Sie gilt auch für die Wahlen in Baden-Württemberg und in Sachsen-Anhalt. Und sie gilt für alle Parteien. Selten zuvor ist der Ausgang von Landtagswahlen so ungewiss gewesen. Und vieles spricht dafür, dass die Abstimmungen das deutsche Parteiensystem verändern werden.
Unter Druck stehen vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Stellvertreter Sigmar Gabriel. Denn bei den Landtagswahlen am Sonntag sind auch eine Abstimmung über den Kurs der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik.
"Das eigentliche Problem ist, dass dieses Thema alles überlagert. Und das ist eigentlich schade für die Landespolitiker. Das gilt für CDU und SPD und andere Parteien gleichermaßen – das über das eigentliche Land kaum gesprochen wird",
sagte Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel im Interview mit MDR-Info. Für Gabriels Sozialdemokraten gibt es an diesem Sonntag kaum etwas zu gewinnen, einzig und allein in Rheinland-Pfalz könnte ein Sieg von Malu Dreyer für einen Lichtblick sorgen.
Auch für Angela Merkel ist die Lage ziemlich ungemütlich. Noch vor wenigen Monaten sah es für ihre CDU nach deutlichen Siegen in allen drei Bundesländern aus. Nun wird erstmal nur ein Erfolg in Sachsen-Anhalt fest eingeplant. Die Bundes-CDU bemüht sich darum, ein mögliches Scheitern in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz so zu verkaufen: Weil der dortige Spitzenkandidat Wolf beziehungsweise die Spitzenkandidatin Klöckner auf einen verschärften Flüchtlingskurs drängten, sei eine Niederlage indirekt eine Bestätigung für Merkel. Denn in Mainz hat sich sowohl SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer hinter die Kanzlerin gestellt wie auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Die Frage nach dem richtigen Umgang mit der AfD

Letzterer lässt seine grüne Partei derweil träumen: War Kretschmann 2011 der erste grüne Ministerpräsident überhaupt in der Republik, könnte er nun der erste sein, der im Amt bestätigt wird – und das sogar möglicherweise noch vor dem CDU-Spitzenkandidaten. Käme dann eine grün-schwarze Koalition?
Nicht nur in Baden-Württemberg könnten nach diesem Landtags-Sonntag ganz neue Koalitionsgedanken auch ganz konkret auf ihre Umsetzbarkeit abgeklopft werden. Ob die Ampel mit SPD, Grünen und FDP, die sogenannte Deutschland-Koalition mit CDU, SPD und FDP oder aber eine Koalition aus CDU, SPD und Grünen – in Magdeburg, Mainz und Stuttgart werden verschiedene Szenarien durchgerechnet. Das hängt vor allem mit einer Partei zusammen – der AfD:
"Wir peilen an: 20 Prozent plus x, das ist keine Träumerei, wie es letztens beschrieben wurde",
verspricht André Poggenburg, AfD-Spitzenkandidat in Sachsen-Anhalt. Ob es am Ende 20 Prozent werden oder nicht: Die Partei kann hier mit einem Rekordergebnis rechnen und dürfte auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sicher in die Landtage einziehen. Die AfD sieht den morgigen Sonntag auch als Testlauf für die Bundestagswahlen im kommenden Jahr.
Das voraussichtlich starke Abschneiden der Rechtspopulisten dürfte den anderen Parteien ziemliches Kopfzerbrechen bereiten. Denn es durchkreuzt bisherige Koalitionsmehrheiten, aber stellt allen Strategen in den Berliner Parteizentralen die Frage nach dem richtigen Umgang mit der AfD.
Die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt sind völlig offen. Der weitgehenden Stille an diesem Samstag könnte schon sehr bald ein ordentlicher Sturm folgen.
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