Vor 70 Jahren

Uraufführung von "Des Teufels General"

Undatierte Aufnahme des deutschen Schriftstellers Carl Zuckmayer. Er wurde am 27.12.1896 in Neckenheim in Rheinhessen geboren und starb am 18.01.1977 in Visp in der Schweiz.
Undatierte Aufnahme des Schriftstellers Carl Zuckmayer. © picture-alliance/ dpa / Baege
Von Cornelie Ueding · 14.12.2016
Carl Zuckmayer gehörte zu den deutschen Schriftstellern, die vor den Nationalsozialisten flüchten mussten. Aber auch im Exil beschäftigte er sich mit Deutschland. So entstand während des Zweiten Weltkriegs eines der wichtigsten Theaterstücke der Nachkriegszeit: "Des Teufels General".
"Der Anlass, das war eine lakonische Zeitungsnotiz in der amerikanischen Presse, dass Ernst Udet, der Fliegergeneral, mit dem ich seit dem Ersten Weltkrieg befreundet war, tödlich verunglückt und mit Staatsbegräbnis beerdigt worden sei. Mehr nicht. Aber mir war sofort klar, dass da was nicht stimmt und dass es anders gewesen sein muss."
Bis zur Uraufführung seines Stückes "Des Teufels General" am 14. Dezember 1946 in Zürich sollte es zwar noch fünf Jahre dauern, aber Carl Zuckmayer, seit zwei Jahren im amerikanischen Exil, reagierte schnell und machte sich, von dieser Zeitungsnachricht elektrisiert, sofort an die Arbeit.
"Einen Anfang oder eine Idee für den Aufbau der ganzen Handlung hab ich zunächst gar nicht gehabt. Nur ein einziges Wort, das Wort Staatsbegräbnis. Ich habe gewusst, dass das Stück mit diesem Wort und mit der bitteren Ironie dieses Vorgangs enden muss."

Das Mitläufertum auf allen Ebenen bloßgestellt

Wie jedem Emigranten aus Nazideutschland war ihm klar: Das verordnete Staatsbegräbnis im November 1941 diente nur einem Zweck, die heroisch-nationalsozialistische Fassade aufrechtzuerhalten und das Skandalon eines hochrangigen Offiziers als Saboteur und Kollaborateur zu verdecken. Und so stellte er mit seiner Figur Harry Harras einen Mann ins Zentrum des Stückes, den seine Technikbegeisterung in schwere Konflikte mit dem Nazi-Regime brachte, dem er als General und Flugzeugbauer diente. In zahllosen, immer wieder wechselnden Konstellationen, in vielen kleinen Episoden zerpflückt Zuckmayer die pseudo-idealistischen Posen und das Mitläufertum auf allen Ebenen: der Militärs, Ministerialbeamten und der in die Irre Geführten. Schon 1948 sendete der Südwestfunk eine von Christian Böhme für den Funk bearbeitete Hörspielfassung von "Des Teufels General", Regie: Karl Peter Biltz.
"Jawohl Herr General! Der Tod auf dem Schlachtfeld ist groß und rein und edel ..." - "Ach Scheiße! Das sind doch olle Tiraden! ... Der Tod auf dem Schlachtfeld – der stinkt! ... Er ist gemein und roh und dreckig! ... Er gehört zum Krieg wie die Verdauung zum Fraß. Sonst nichts. Du sollst den Tod nicht fürchten ... Aber du sollst ihm widerstehen und ihn überlisten und ihn hassen wie die Pest! Wer ihn anbetet, wer ihn vergöttert und verklärt, oder gar ihn sucht, der ist kein Held. Der ist ein Narr!"
Der eigenwillige Kriegsheld Harras weigert sich, in die NSDAP einzutreten. Andererseits macht er aber eben doch mit. Als es immer mehr Unfälle durch Materialfehler gibt, gerät er in Verdacht. Am Ende wird er den Saboteur decken und, statt zu fliehen, sich selbst dafür bestrafen, dass er Hitler, dem Teufel, gedient hat. Und fliegt in den Tod.
"Ich konnte ja nicht wissen, und ich hatte keine Ahnung, ob ich mit dem, was mir die innere Wahrheit zu sein schien, auch die Wirklichkeit getroffen hatte, wie sie sich denen darstellte, die dabei gewesen waren. Aber offenbar war das geglückt."

Was zählte, war allein die Haltung

"Des Teufels General" sollte Zuckmayers größter Nachkriegserfolg werden. Allein in den Vierzigerjahren wurde das Stück über 3000mal gespielt. Trotz des spektakulären Abgangs - kein Stück, das auf grelle Effekte setzt. Zuckmayer war kein Schwarz-weiß-Maler. Weder im Leben noch in seinen Stücken. Selbst sein "Geheimreport", den er im Auftrag des US-Geheimdienstes verfasste, eine Art Prosa-Pendant zu seinem Stück, ist ein virtuoses Panoptikum der Ambiguität. So charakterisierte er in 150 Porträts, die von Anpassung bis Widerstand reichten, Persönlichkeiten des kulturellen Lebens – ohne Anklage, ohne Entschuldigen, mit viel Sinn für Nuancen. Über Heinz Hilpert, den Uraufführungsregisseur des "Hauptmanns von Köpenick", der später die Uraufführung von "Des Teufels General" inszenieren sollte, schrieb er zum Beispiel:
"Wer nicht selbst miterlebt hat, wie Hilpert zum Beispiel auf einer Probe im Jahr 1936 dem 'Heil Hitler' eines beflissenen Statisten nach langem, vernichtenden Blick, Räuspern, Spucken und bedeutsamem Kopfschütteln mit einem breiten 'Gut’n Morjen' antwortete, kann sich von dem Ton, der an seinen Bühnen herrschte, und von dem, was er sich trotz dauernder Denunziationen erlauben konnte, keine Vorstellung machen."
Was für Carl Zuckmayer zählte, ob in den Stücken oder im "wirklichen Leben", war allein die Haltung.
"Viel wichtiger aber als diese kleineren und mehr äußerlich determinierten Beispiele von Zivilcourage ist die innere Einstellung Hilperts und sein im Ergebnis wohl tragischer Versuch, die Reinheit und Echtheit deutscher Kunst durch eine ordinäre und nichtswürdige Periode, von deren Vergänglichkeit er immer überzeugt war, hindurchzuretten."
Mehr zum Thema