Vor 35 Jahren

Tödlicher Anschlag auf Nicaraguas Diktator Somoza

Sandinisten nach ihrem Sieg am 19. Juli 1979 in Managua neben einer umgestürzten Statue von Anastasio Somoza Garcia, dem Vater des besiegten Diktators Anastasio Somoza Debayle.
Sandinisten nach ihrem Sieg am 19. Juli 1979 in Managua neben einer umgestürzten Statue von Anastasio Somoza Garcia, dem Vater des besiegten Diktators Anastasio Somoza Debayle. © picture-alliance / dpa
Von Gaby Weber · 17.09.2015
Es geschah in Asunción, der Hauptstadt von Paraguay: Vor 35 Jahren erschoss ein Killerkommando den langjährigen Diktator von Nicaragua, Anastasio Somoza. Das Attentat markierte das Ende der autokratischen Regimes in Lateinamerika.
"Eine Bombe hat ein Auto komplett zerstört. Es soll sich bei dem Opfer des Attentats um General Somoza handeln."
Asunción, am 17. September 1980: In der paraguayischen Hauptstadt wird der frühere Diktator Nicaraguas Anastasio Somoza in seinem Auto erschossen.
Im lokalen Fernsehen sieht man den leblosen Körper des Fahrers auf der Straße liegen und, blutüberströmt, auf der Rückbank des weißen Mercedes-Benz: Somoza und einen Kolumbianer. Das "Kommando Reptil" bestand aus acht argentinischen Guerilleros. Ihr Anführer Enrique Gorriarán erinnert sich später:
"Ich feuere mein gesamtes Magazin auf den Fahrer ab, einen früheren General und Chef der Leibgarde Somozas, 30 Schüsse. Danach schieße ich auf Somoza und seinen Begleiter, den wir nicht kannten."
Generalimporteur von Mercedes-Benz
So stirbt in Asunción der Mann, dessen Familie 43 Jahre lang Nicaragua beherrscht hatte: Anastasio Somoza. Geboren 1925, erzogen in Florida und auf Long Island, ausgebildet an der Militärakademie in West Point. Seinem Clan gehörte ein Drittel des Ackerlandes Nicaraguas, die Fluggesellschaft, Banken, Bordelle und das Tabakmonopol. Außerdem war er Generalimporteur von Mercedes-Benz für Mittelamerika – kein Wunder, dass unter seiner Herrschaft das Schienennetz verfiel und die Transportunternehmen Omnibusse aus Untertürkheim kauften. Die öffentliche Verwaltung wurde mit Familienmitgliedern besetzt und Widersacher systematisch gefoltert und ermordet.
Gestützt von den Amerikanern
Die USA unterstützten den Somoza-Clan von Anfang an mit Wirtschafts- und Militärhilfe. Erst 1976 distanzierte sich US-Präsident Jimmy Carter von dem Regime; Brasilien, Südafrika und Israel jedoch versorgten den Diktator weiterhin mit Rüstungsgütern. Oppositionelle ließ er verhaften, foltern und ermorden.
Doch den Widerstand der Sandinisten konnte er trotz des Terrors nicht brechen. Diese Gruppe hatte sich nach Augusto César Sandino benannt, der von 1927 bis 1933 gegen die US-Besetzung des Landes gekämpft hatte. Er war auf Befehl des Kommandanten der Nationalgarde erschossen worden, von Anastasio Somoza Garcia, der danach die Macht an sich gerissen und an seinen Sohn weitergegeben hatte.
"Es geht aufwärts im freien Nicaragua"
1979 stürzten die Sandinisten den Diktator. Der Deutschlandfunk berichtete:
"An diesem 19. Juli stürzen in Managua die Standbilder Somozas. Am nächsten Tag kommen hunderttausende Menschen zur Siegeskundgebung an den Managua-See. Sie singen, sie feiern. Bald wird eine Landreform durchgeführt und eine Alphabetisierungs- Kampagne beginnt. Es geht aufwärts im freien Nicaragua."
Eine "Regierungs-Junta" trat an, angeführt von dem Sandinisten Daniel Ortega.
"Ich war in der Stadt León, als Somoza ging. Der Tag, an dem ich fühlte, Nicaragua schlägt einen neuen Kurs ein, war der 19. Juli. Eine andere Einheit der Sandinisten hatte in Managua schon den Fernsehsender eingenommen. Und plötzlich sah ich im Fernsehen das Bild Sandinos. Ein bewegender Moment."
Persona non grata in den USA
Somoza setzte sich mit seiner Maitresse und der Staatskasse nach Miami ab. Doch die Carter-Regierung erklärte ihn zur Persona non grata und verwies ihn des Landes. Der paraguayische Präsident Alfredo Stroessner, langjähriger Diktator wie er, bot ihm Asyl an. Nur 13 Monate blieben Somoza noch bis zu seiner Ermordung durch das "Kommando Reptil".
Attentat offenbar nicht aus Rache
Der Anführer der Operation, Enrique Gorriarán, war ein Kämpfer der ersten Stunde der argentinischen Guerillagruppe ERP. 1972 war er aus einem Gefängnis in Patagonien mit einer entführten Linienmaschine nach Chile geflüchtet. Später hatte er die Sandinisten im Bürgerkrieg mit revolutionärem Know-how unterstützt. Das Attentat in Asunción, erklärte Gorriarán gegenüber dem argentinischen Fernsehkanal Telefé, sei keine Racheaktion gewesen, Somoza habe von Paraguay aus die "Konterrevolution betrieben" und eine Rückkehr nach Nicaragua vorbereitet.
"Das war unsere Idee und unsere Entscheidung. Wir teilten sie den Sandinisten mit und die stimmten zu."
Somozas Leiche wurde nach Miami ausgeflogen. Sein Gönner, der paraguayische Diktator Stroessner, wurde neun Jahre später aus seinem Amt verjagt.
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