Vor 25 Jahren

Der Preis der Währungsunion

Leipzig 1991
Demonstration in Leipzig am 18.03.1991 gegen den massiven Sozialabbau und die Schließung von Betrieben. © picture alliance / dpa / Foto: Wolfgang Kluge
Von Jens Rosbach · 01.07.2015
Für den damaligen Referatsleiter im Bundesfinanzministerium, Tilo Sarrazin, war die Währungsunion ein "abenteuerliches Konzept". Edgar Most, damals Vizepräsident der DDR-Staatsbank, fragt hingegen, ob der wirtschaftliche Exodus des Ostens wirklich notwendig war.
Der Kollaps war kalkuliert, ganz bewusst. Die ostdeutsche Wirtschaft konnte nicht mit der westdeutschen konkurrieren – denn die DDR-Arbeitsproduktivität lag nur bei 40 Prozent. Thilo Sarrazin, der SPD-Politiker und umstrittene Migrations-Kritiker, arbeitete 1990 im Bundesfinanzministerium. Als Referatsleiter schrieb er einen Entwurf für die Währungsunion. 20 Jahre später räumte er ein: Es sei von vornherein klar gewesen, dass die D-Mark die Ost-Wirtschaft aushöhlen wird.
"Darum war der Zusammenbruch des Größtenteils der DDR-Industrie mit der Währungsunion vorprogrammiert, das war mir auch bewusst. Der zügige Zusammenbruch war ja auch der beste Weg für eine schnelle Wirtschaftsumstellung."
Die Volkseigenen Betriebe sollten plötzlich Rohstoffe und Gehälter in D-Mark bezahlen – genauso wie ihre alten DDR-Kredite. So wurde die Produktion, die sowieso wenig effektiv war, viel zu teuer. Hinzu kam, dass die DDR-Bürger nur noch Westwaren kauften und die bisherigen Absatz-Partner im Ostblock keine Valuta besaßen. All dies war den Finanz-Beamten vorab bewusst: Sie rechneten mit 1,6 Millionen Ost-Arbeitslosen und mindestens 170 Milliarden Mark Transferleistungen - als Folge der Währungsunion.
"Also das war schon klar!"
Platt machen der Ostkonkurrenz
Nach der staatlichen Einheit kamen schließlich Treuhand, Hauruck-Privatisierungen und West-Firmen, die die Ostkonkurrenz platt machten.
"Wir hatten 9,3 Millionen Beschäftigte im Osten, dann haben wir – nachdem die Treuhand ihre Arbeit eingestellt hat, nur noch fünf Millionen. Das heißt, die Hälfte war nur noch Vorruhestand, Rentner oder arbeitslos oder was auch immer. Die Hälfte der Menschen, die früher Arbeit hatten, ob sie gut oder schlecht gearbeitet haben, aber sie waren integriert. Aber jetzt waren sie eine Null!"
Edgar Most war vor 25 Jahren Vizepräsident der DDR-Staatsbank, später machte er bei der Deutschen Bank Karriere. Most kennt eine Untersuchung der Freien Universität Berlin, wonach die Wiedervereinigung – inklusive Wirtschaftsfördertöpfe, Solidarpakt, Länderfinanzausgleich und EU-Fördermittel - bis 2014 fast zwei Billionen Euro gekostet hat.
"Wir haben heute keine selbsttragenden ostdeutschen Länder. Ein Fünftel Deutschlands kann sich nicht selbst erwirtschaften. War das notwendig?"
Weitere Folgen der Währungsunion: das Ausbluten strukturschwacher Ost-Regionen. Der Banker spricht von Langfrist-Schäden.
"Die Leute haben die D-Mark gekriegt – und nach zwei Jahren waren die Leute weg! Und fast genauso viele wie vor dem Mauerbau sind nach dem Mauerfall weggegangen. Eine Völkerwanderung hat stattgefunden, die wir bis zum heutigen Tag nicht korrigieren konnten."
Auch der Westen musste bluten. Die D-Mark-Schwemme – mit ihrem kurzzeitigen Konsumrausch – kam zwar vielen Westfirmen zugute. Zugleich stiegen aber Inflation und Zinsen, eine Rezession setzte ein. Zudem rissen die Ost-Transferleistungen über Jahre Löcher in die Kassen westdeutscher Regionen. Thilo Sarrazin, der das Konzept der Währungsunion mitgeschrieben hat, resümierte später:
"Das war natürlich letztlich – trotz allem – ein abenteuerliches Konzept!"
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