Vor 20 Jahren in Guatemala

Ein Friedensabkommen beendet den Bürgerkrieg

Richard Aikehed als Vertreter der Regierung Guatemalas (l) und Jorge Rosal, einer der vier Kommandanten der Guerillabewegung "Guatemaltekische Revolutionäre Nationale Einheit" (URNG), unterzeichnen am 29.12.1996 im Präsidentenpalast in Guatemala-Stadt den Friedensvertrag, mit dem die Regierung und die linksgerichtete Guerilla Guatemalas den 36-jährigen Bürgerkrieg in dem mittelamerikanischen Land beenden.
Der Friedensvertrag in Guatemala wird unterzeichnet. © picture-alliance / dpa
Von Gaby Weber · 29.12.2016
Als heute vor 20 Jahren in Guatemala nach einem jahrzehntelangen blutigen Bürgerkrieg ein Friedensvertrag zwischen Regierung und Guerilla-Gruppen unterzeichnet wurde, war dies ein großer Moment der Hoffnung für das zentralamerikanische Land. Doch die Erwartungen erfüllten sich bis heute nicht.
"Pueblo de Guatemala, la paz ...”
"In Guatemala ist heute das Friedensabkommen unterschrieben worden" – berichtet das nationale Fernsehen. 36 Jahre dauerte der Bürgerkrieg, der über 200.000 Tote gefordert hat. Am 29. Dezember 1996 wird ein Friedensvertrag zwischen der Regierung und der Guerilla unterzeichnet.
Die Regierung verspricht Reformen in der Sozialpolitik, eine gerechtere Verteilung von Grund und Boden, ein neues Wahlsystem und die Anerkennung der Rechte der indigenen Völker. In dem Vertrag geht es aber auch um die Entschädigung der Opfer, die Einrichtung einer Wahrheitskommission und eine Generalamnestie für Guerilla, Staat und Militär. Mit einer wichtigen Einschränkung:
"En nuestro caso, a diferencia ... In unserem Fall, anders als bei bisherigen Generalamnestien, schließt die für Guatemala gefundene Rechtsformel alle Verbrechen aus, die die Menschlichkeit verletzten. Jeder Bürger hat das Recht, sich an die Justiz zu wenden und zu beweisen, dass die erlittenen Verbrechen nicht direkt mit Vorfällen verknüpft waren, die bei einem bewaffneten Konflikt unvermeidlich sind. ... armado."
Das war in Lateinamerika damals eine Sensation. Bis dahin hatten sich die Diktatoren nur unter der Bedingung in ihre Kasernen zurückgezogen, dass ihnen Straffreiheit für Folter und Morde garantiert wurde, in Chile und Uruguay etwa. In Guatemala aber sollte Gerechtigkeit vor den Strafgerichten durchgesetzt werden.

CIA putschte Präsidenten aus dem Amt

Der langjährige Menschenrechtsaktivist und spätere Abgeordnete Amílcar Méndez hat die Massaker an der Zivilbevölkerung während des Bürgerkrieges hautnah miterlebt:
"Muerte, terror ... Für meine Familie war das eine Zeit der Angst, des Terrors. Während des bewaffneten Konflikts sind furchtbare Verbrechen begangen worden. Es hat nie Kriegsgefangene gegeben oder politische Gefangene. Es gab nur Tote und Verschwundene. Jahrelang haben wir ständige psychologische Unterdrückung erlebt. Ich habe all die Flugblätter gesammelt, auf denen steht ‚Amilcar Guerillero, Amílcar Kommunist‘. Drohungen gegen meine Frau, gegen meine Kinder. Ich musste ins Exil. ... exilio."
In Zeiten des Kalten Krieges haben die USA Mittelamerika als ihren "Hinterhof" betrachtet: Auch in dem kleinen Guatemala wollten sie ihren Einflussbereich gegen kommunistische Strömungen sichern. So putschte die CIA 1954 mit einer Söldnertruppe den demokratischen Präsidenten Jabobo Árbenz aus dem Amt. Árbenz hatte Sozial- und Agrarreformen durchgeführt und Ländereien des US-amerikanischen Konzerns United Fruit Company (heute Chiquita) an die Bauern zurückgegeben. Das war für den damaligen CIA-Chef Allen Dulles, der im Übrigen auch die United Fruit Company als Rechtsanwalt vertreten hat, Grund genug, in Guatemala eine "kommunistische Verschwörung" zu wittern.

83 Prozent der Opfer gehörten zum Volk der Maya

Die neuen, diktatorisch regierenden Machthaber wurden engste Verbündete der USA, sämtliche Reformen wurden rückgängig gemacht. Hiergegen erhob sich bald heftiger Widerstand. Ab 1960 entstanden mehrere Guerilla- Organisationen, die zum Teil eng mit der kubanischen Regierung verbunden waren.
Das Regime ging mit aller Härte gegen seine Gegner vor. Ganze Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht und alle Einwohner ermordet, weil sie unter dem Generalverdacht standen, mit den Rebellen zu sympathisieren. Vor allem das Volk der Maya wurde Opfer dieser ethnischen Säuberungen. Die Wahrheitskommission der Vereinten Nationen stellte in ihrem Abschlussbericht 1999 fest:
"Für 93 Prozent der Rechtsverletzungen war der Staat verantwortlich. 83 Prozent der Opfer gehörten zum Volk der Maya."

Urteil gegen Montt wieder aufgehoben

Besonders grausam waren die Militärkampagnen Anfang der Achtzigerjahre unter der Präsidentschaft von Efraín Ríos Montt, so die Wahrheitskommission:
"Zwischen 500.000 und 1,5 Millionen Menschen mussten wegen der Gewalt Zuflucht in Flüchtlingscamps oder im Ausland suchen, und das bei einem Land mit sechs Millionen Einwohnern."
Doch die im Friedensvertrag versprochene Gerechtigkeit hat sich bis heute nicht erfüllt. 17 Jahre dauerte es, bis Ríos Montt vor Gericht gestellt wurde. Schließlich wurde er zu 80 Jahren Gefängnis verurteilt.
Doch nur zehn Tage später hob das Verfassungsgericht den Richterspruch wegen "formeller Verfahrensfehler" auf. Weitere Verfahren gegen Militärs und Politiker laufen nur schleppend an. Und die versprochene Landverteilung wurde ebenso wenig realisiert wie die Justizreform. Ein Leben in Sicherheit ist hier noch nicht möglich.
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