Vor 150 Jahren: Smetanas "Die verkaufte Braut"

Komisches Singspiel um eine verschacherte Frau

Anna Samuil als Marenka in einer Szene der komischen Oper "Die verkaufte Braut" von B. Smetana, die am 19.11.2011 in der Inszenierung des ungarischen Regisseurs Balázs Kovalik an der Staatsoper im Schiller Theater Berlin Premiere hat.
"Die verkaufte Braut" in einer Inszenierung der Staatsoper Berlin im Jahr 2001. © picture alliance / ZB
Von Frieder Reininghaus · 30.05.2016
In die idyllisch-patriarchalische, aber nicht sonderlich gütige und gerechte Welt des ländlichen Böhmen führt "Die verkaufte Braut" von Bedřich Smetana. Das komische Singspiel entstand in den Monaten vor Ausbruch des preußisch-österreichischen Krieges. Im Prager Interimstheater am 30. Mai 1866, vor 150 Jahren, uraufgeführt, wurde es zum Exportschlager.
Nach etlichen beruflichen Fehlschlägen mühte sich der 40-jährige Chorleiter, Musikpädagoge und Musikkritiker Bedřich Smetana mit einer großen Historienoper zur Landesgeschichte ab. Anfang 1866 errangen "Die Brandenburger in Böhmen" die lang ersehnte Anerkennung. Das Libretto stammte vom radikaldemokratischen Journalisten Karel Sabina. Das erfolgreiche Tandem schob rasch eine weitere Arbeit nach, die bereits knapp zwei Jahre zuvor konzipiert worden war.
"Weil mir nach meinen Brandenburgern vorgeworfen wurde, dass ich Wagnerianer sei und im nationalen, leichteren Stil nichts fertigbringen würde, schrieb ich "Die verkaufte Braut" so, dass sich nicht einmal Offenbach mit ihr messen konnte."
Das komische Singspiel erwies sich bei der Uraufführung am 30. Mai 1866 im Prager Interimstheater als weniger erfolgreich. Es dürfte am Plot gelegen haben. Der kreist um Mařenka, die Jeník liebt, von dessen Herkunft man nichts weiß und von dessen Zukunft man sich nichts verspricht.
Die Tochter armer Bauern ist allerdings schon Vasek, dem Sohn des Gutsbesitzers Mícha aus zweiter Ehe versprochen. Doch statt Vasek tritt der Heiratsvermittler Kecal in Aktion. Der bewegt Jeník für die stolze Summe von 300 Gulden dazu, sein Liebchen abzutreten – vorausgesetzt, sie heiratet keinen anderen als Michas Sohn. Und Mařenka redet dem sprechbehinderten Vašek ein, eine andere liebe ihn.

Die Braut gelangt in die richtigen Hände

Als Komödianten ins böhmische Dorf kommen, verliebt sich Vašek tatsächlich in eine Tänzerin und springt für den wegen eines Vollrauschs dienstuntauglichen Zirkus-Bären ein. Er blamiert sich und macht damit den Weg frei für Jeník, den einst vom Hof verjagten Sohn aus erster Ehe. Die Braut gelangt in die "richtigen Hände".
Das nachmals meistgefeierte Bühnenwerk Smetanas war und blieb ein Dokument rückständiger Lebensumstände an der Peripherie des Habsburger Reichs, kein Silberstreif am Horizont der gesellschaftlichen und Frauenemanzipation.
Neuere Inszenierungen haben mit drastischer Akzentuierung der Gewaltverhältnisse zwischen den Geschlechtern und Bratpfannen-Prügelorgien gegengesteuert – oder mit ironischen Hinweisen auf die Veränderungen des Erotikmarkts durch moderne Kommunikationsmittel seit Kecals Tagen.
Trotz der Handicaps des Singspieltextes – oder gerade auch ihretwegen – avancierte die Prodaná nevĕsta grenzüberschreitend zum Publikumsliebling. Die schnöde Geschichte spielt wahre Liebe gegen die von der regulierenden Kraft des Geldes bestimmte aus. Von Anfang an aber waren die "eigentlichen Bräute" die Folklore und die Idee der mit dieser zu erweckenden tschechischen Nationalkultur. Diese "Doppelhochzeit"
"... trug wesentlich zu Smetanas Ernennung zum Ersten Opernkapellmeister des Interimstheaters im September 1866 bei. Damit nahm er eine der renommiertesten Positionen im Prager Musikleben ein."
So resümiert es die dem tschechischen Nationalstolz verpflichtete wissenschaftliche Publizistik bis heute. Smetana hat dann weiter mit Sabina nicht mehr zusammengearbeitet. Der wurde als Mitarbeiter der Staatssicherheitsbehörden enttarnt – die Darstellungen über Ausmaß und Härtegrad der Denunziationen gehen weit auseinander
Der verratene verräterische Vater der "Verkauften Braut" fiel ins Nichts und verhungerte. Vielleicht konnte nur einem wie ihm die schäbige Intrige von der verschacherten jungen Frau einfallen.
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