Von Taubenvergiftern und Mopsverehrern

Von Stefan Keim · 24.12.2011
In diesem Jahr musste die Welt von einigen großen Künstlern Abschied nehmen. Manche von ihnen gehörten durch ihre bekannten Bücher, Filme und Lieder fast schon zur Familie - wie zum Beispiel die beiden Humoristen Georg Kreisler und Loriot.
"Der Tod, der muss a Wiener sein, genau wie die Lieb a Französin ... "

Den Tod hat Georg Kreisler oft besungen, spöttisch, skurril, selbstbewusst. Der Wiener Kabarettist, Autor und Komponist war noch wenige Monaten vor seinem eigenen Ableben auf Tournee. Nicht mehr mit seinen Liedern, sondern mit seinen Büchern. Er machte Lesungen, keine Konzerte, wollte nicht immer für die Fans seine Klassiker wiederholen, sondern Neues ausprobieren.

Kreisler war ein extremer Individualist, einer, der keiner Bewegung angehören wollte, sondern Freiheit in sich selbst fand. "Allein wie eine Mutterseele" ist keins seiner bekannten Lieder, aber eins der persönlichsten.

Liedtext Kreisler: "Aber allein wie eine Mutterseele, so mach Revolution, dann ist sie deine. Zieh Leine! Und stütz dich nicht auf Kampf- und Bachchoräle. Ohne viel Geschrei mach dich - denn darauf kommt´s an - selber frei. Sei schwarz, schwarz wie ein Kohlpechrabe! Wirf dich wie ein Speer so weit. Hab keine Angst. Hab Zeit!"

Die deutschsprachige Komik erlebte 2011 einen Aderlass. Nicht nur der manchmal bitterböse Kreisler, der so hinreißend das Taubenvergiften besang, auch der bekennende Mopsverehrer Loriot starb in diesem Jahr.

Mit Stil und Haltung konnte sich Vicco von Bülow erlauben, den noch etwas spießigen Nachkriegsdeutschen britisch beeinflussten Humor zu kredenzen, bissig, präzise, lebensnah. Loriot servierte Boshaftigkeiten mit mildem Lächeln, ein Perfektionist und Gentleman. Und einer der begnadetsten Festredner. Seine Ansprache zum hundertsten Geburtstag der Berliner Philharmoniker bleibt unvergesslich:

"Wir blicken zurück auf 100 Jahre Orchestergeschichte. Musik, so meine ich. Oder wie es Thomas Mann einmal formuliert hat: 100 Jahre sind eine lange Zeit. Oder Adorno 30 Jahre später: Ja ja, die Musik."

Loriot entlarvte Bildungsdünkel und Engstirnigkeit; mit den Mitteln der Komik zeichnete er ein so genaues Porträt der bundesrepublikanischen Bürgergesellschaft, wie es kaum einem Historiker gelingen wird.

Liedtext Kreisler: "Oh, ich liebe das Mädchen mit den drei blauen Augen, nicht eins, nicht zwei, nein drei blaue Augen ... "

Jane Russell galt als Sexsymbol, trug in ihren Filmen Spezial-BHs und erregte nicht nur die amerikanischen Zensoren. Aber ihr Ruhm blieb eine Episode der Filmgeschichte. Im Gegensatz zu Elizabeth Taylor, die mit Charakterrollen und sinnlicher Ausstrahlung zu einer der bedeutendsten Filmschauspielerinnen überhaupt wurde. Sie war die perfekte Besetzung für die leidenschaftliche und machtbewusste Cleopatra.

In Deutschland starben der Produzent und Regisseur Bernd Eichinger und Walter Giller, der selten seinem Talent entsprechend besetzt wurde. Heinz Bennent hingegen konnte sich seine Rollen aussuchen. Er spielte häufig Außenseiter und Eigenbrötler, oft in französischen Filmen. Dem deutschen Stadttheater stand der Schauspieler skeptisch gegenüber:

"Das sind ja Kulturfunktionäre, die Schauspieler. Da gibt es Schauspieler, die haben vier, fünf, sechs Rollen laufen da im Repertoire, die sie bedienen müssen, und gleichzeitig probieren sie schon eine neue Rolle, manchmal eine große. Das ist unverständlich für mich. Das sind Kulturbeamte, das sind Funktionäre. Das ist unmenschlich."

Liedtext Kreisler: "Ja, da sitz ich mitten im Orchester drin und halt in der Hand mein Triangel. Und endlich zeigt der Dirigent auf mich hin, und dann steh ich auf und mach ... "

Der Dirigent Kurt Sanderling wird in seinem fast 89-jährigen Leben oft auf den Triangelspieler gezeigt haben. Denn er galt als letzter Nachfahre der romantischen deutschen Orchesterschule, ein Musiker, für den Theorie nichts und das praktische Tun alles war.

Die Kunstwelt trauert um den abstrakten Expressionisten Cy Twombly und Lucian Freud, der mit Aktgemälden fetter, faltiger Körper bürgerliche Geschmacksnerven reizte. Mit Bernhard Heisig starb der letzte große Vertreter der DDR-Kunst, wobei Heisig die Grenzen des sozialistischen Realismus vorsichtig erweiterte. Christa Wolf wurde nach der Vereinigung vorgeworfen, sie habe das DDR-Regime in ihren Werken zu sanft kritisiert. Ihr Rang als führende Schriftstellerin Ostdeutschlands bleibt dennoch unbestritten.

In der populären Kultur hieß es Abschied nehmen von Peter Falk, dem unverwechselbaren Inspektor Columbo, und Peter Alexander, Wiener wie Georg Kreisler, vier Jahre jünger, und einer der größten deutschsprachigen Entertainer. Seine "Peter Alexander Shows" waren vielleicht die besten Beispiele für niveauvolle, heitere Familienunterhaltung.

Liedtext Kreisler: "Komm scho. Der Tod muss a Wiener sein."