Von Erfolg und Misserfolg

31.03.2009
Ist der richtige Trainer wirklich so unverzichtbar für die Mannschaft, sind Bestseller wirklich die besten Bücher? Erfolg ist kein zuverlässiger Maßstab, um über die Güte eines Produktes oder die Fähigkeiten eines Menschen zu entscheiden. Zu diesem Schluss kommt der Physiker Leonard Mlodinow. Sein Buch "Wenn Gott würfelt" öffnet den Blick für den Einfluss eines oft verkannten Mitspielers.
Der Zufall ist unberechenbar, allgegenwärtig und schlägt uns so manches Schnippchen. Er sitzt selbst dort, wo wir sinnvolle Zusammenhänge zu sehen meinen.

Aber ist der richtige Trainer wirklich so unverzichtbar für den Aufstieg einer Mannschaft, und üben Führungskräfte wirklich so viel Einfluss auf ihr Unternehmen aus, dass sie damit über Gedeih oder Verderb einer Firma entscheiden? Der Physiker Leonard Mlodinow öffnet in "Wenn Gott würfelt" den Blick für den weitreichenden Einfluss eines oft verkannten Mitspielers.

Geahnt haben wir es eigentlich schon immer: Ob an der Börse oder bei einem Schulaufsatz, bei Kinofilmen, Pophits oder Bestsellern, im Sport oder bei der Beurteilung von Wein - nur weil etwas gut läuft, muss es noch lange nicht gut sein.

Erfolg ist kein zuverlässiger Maßstab, um über die Güte eines Produktes oder gar die Fähigkeiten eines Menschen zu entscheiden. Das ist einer der erstaunlichen Schlüsse, zu denen Leonard Mlodinow in seinem Buch "Wenn Gott würfelt" kommt.

Seiner Ansicht nach lassen wir uns gern von Zahlen blenden und neigen dazu, Muster zu sehen, wo keine sind. Ein Buch, das sich 100.000 Mal verkauft hat, kann nicht schlecht, eine Ware, die mit gut bewertet wurde, kein Fehlkauf sein?

Tests bezeugen das Gegenteil. Romananfänge des Literaturnobelpreisträgers V.S. Naipaul, unter falschem Namen an renommierte Verlage geschickt, wurden überall abgelehnt. Ein Weinmagazin gibt einem Wein Bestnoten, ein anderes deklariert denselben Wein zum schlechtesten des Jahres. Eine Liste aus 48 unbekannten Songs entwickelt sich in neun verschiedenen Gruppen zu vollkommen unterschiedlichen Hitparaden.

Mit anderen Worten: Erfolg oder Misserfolg hängen viel mehr vom Zufall ab, als wir gemeinhin glauben wollen. Auch wenn Mlodinow es nicht direkt ausspricht, der Gedanke, ob die vielen Vorstände und Marktstrategen in den Chefetagen ihr Geld wirklich wert sind, liegt nah, wenn Erfolg nicht planbar, nur mehr oder weniger wahrscheinlich ist.

Anschaulich erzählt er zugleich die Geschichte der Berechenbarkeit des Zufalls. Er streift leichtfüßig die wichtigsten Namen (Cardano, Pascal, Bernoulli, Bayes, Laplace), erläutert mit vielen Beispielen ihre Errungenschaften und zeigt Denkfallen auf, in die wir beim Betrachten des Zufalls allzu leicht tappen. Das gelingt ihm umso besser, als dass für das Verständnis von Wahrscheinlichkeiten keine Formeln nötig sind.

Den Zufall für kontrollierbar zu halten, ist eine der fundamentalsten Selbsttäuschungen des Menschen.

Leonard Mlodinow selbst verdankt seine Existenz einer Reihe unwahrscheinlicher Ereignisse. Sein Vater war Häftling in Buchenwald, seine Mutter Gefangene in einem polnischen Arbeitslager. Ohne die Nazis, ohne den Krieg wären beide nie nach New York emigriert, um sich dort kennenzulernen.

Hier wird die Tragweite des Buchuntertitels in vollem Ausmaß deutlich: Wie der Zufall unser Leben bestimmt. Unbedingt lesen! Es könnte auch die Sicht auf Ihr Leben verändern!

Rezensiert von Gerrit Stratmann

Leonard Mlodinow: Wenn Gott würfelt oder Wie der Zufall unser Leben bestimmt
Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2009,
318 Seiten, 19,90 Euro