Von Eifersucht und Einsamkeit

27.12.2007
Seine Frau betrüge ihn, so glaubt der niederländische Kapitän Jacob. Die Eifersucht zerstört schließlich die Ehe. "Die Geschichte meiner Frau" des ungarischen Schriftstellers Milán Füst gehört mittlerweile zu den wichtigen europäischen Romanen des 20. Jahrhunderts. Nun wird das Werk neu aufgelegt.
"Dass mich meine Frau betrog, vermutete ich längst. Aber dass sie es mit dem trieb", so der furiose Auftakt eines ungarischen Romanklassikers von 1942, der 1962 bereits im Rowohlt Verlag erschienen ist und nun dankenswerterweise in der "Anderen Bibliothek" bei Eichborn wieder aufgelegt wurde.

In roten Samt eingebunden und auf schönem Papier gedruckt, ist dieser komplexe Roman über Eifersucht so aktuell wie vor 50 Jahren.

Der Protagonist erzählt selbst rückblickend seine Erinnerungen. Jakob, niederländischer Kapitän von Transportschiffen, über 40 und "ein regelrechter Riese", verliebt sich in die zierliche, charmante und hübsche Französin Lizzy und heiratet sie. Man lebt in Paris, später in London. Jakob gibt die Seefahrt auf, bleibt zuhause - und er wird, obwohl angeblich von Natur aus kalt, zum manisch eifersüchtigen Ehemann. Das hat komische und es hat zutiefst tragische Züge.

Niemals bekommt er heraus, ob ihn seine Frau wirklich betrügt und mit wem. Er verdächtigt alle, benimmt sich oft höchst merkwürdig seiner Umwelt gegenüber und bringt es doch selten über sich, Lizzy konkret zu fragen. Und wenn er es einmal tut, wartet er nicht auf ihre Antwort, fast als hätte er Angst vor dem, was er zu hören bekommen könnte.

Schließlich liefert ihm seine Eifersucht den Vorwand, selbst ehebrüchig zu werden. Aber natürlich zeigen ihm seine Affären nur immer wieder, wie wenig er von seiner Frau loskommen kann.

Am Ende steht die Trennung. Er geht nach Südamerika, wird erfolgreich und reich und vielleicht auch ein wenig weiser als früher. Dennoch wird ihm nach seiner Rückkehr nach Europa klar, welch unauflösliches Band ihn noch immer mit seiner Ex-Frau verbindet, auch als er erfährt, dass sie bereits vor Jahren gestorben ist.

Der Roman enthält sich politischer Anspielungen und gesellschaftlicher Analysen und konzentriert sich ganz auf eine Person, und auch von dieser erfahren wir nur, was ihr wichtig ist. Ausschließlich die Wahrnehmungen und Selbstreflexionen Jakobs werden dargestellt.

Dennoch bringt dieser kluge Roman das Kunststück fertig, die subjektive Weltsicht ironisch zu unterlaufen und die Leserinnen und Leser ahnen zu lassen, dass es immer auch andere Perspektiven gibt. Er macht spürbar, wie Jakob sich selbst austrickst, wie er große Beschlüsse fasst und klein handelt, wie er sich selbst anklagt und sich vor sich selbst rechtfertigt. Und am Ende sehen wir einen Mann, der sich und sein einsames Leben akzeptiert.

Diese Studie über Eifersucht ist zugleich eine Analyse der menschlichen Einsamkeit, der grundsätzlichen Unmöglichkeit, nicht nur den Anderen, sondern auch das eigene Selbst wirklich zu kennen. Es ist eine Studie über die Liebe und über die Erinnerung, von großer psychologischer Klugheit und oft abgründig.

Milán Füst, 1888 bis 1967, zählt neben Endre Ady, Mihály Babits, Zsigmund Moricz und anderen zu den bedeutendsten Autoren im Umkreis der 1908 gegründeten Zeitschrift "Nyugat", "Westen", die in der Auseinandersetzung mit westlichen Traditionen Ungarn an die internationale Kultur anzunähern suchten.

Der Lehrer und Universitätsprofessor für Ästhetik schrieb eine bilderreiche Gedankenlyrik, Theaterstücke und Prosa. "Die Geschichte meiner Frau" zählt zu den wichtigen europäischen Romanen des zwanzigsten Jahrhunderts.

Rezensiert von Gertrud Lehnert

Milán Füst: Die Geschichte meiner Frau
Aus dem Ungarischen von Mirza von Schüching
Frankfurt am Main, Eichborn Verlag 2007, 495 Seiten, 30 Euro