Vom Waschmaschinen-Verkäufer zum Oscar-Gewinner

Von Christian Geuenich · 31.03.2009
Schon als Kind hatte Florian Gallenberger Kontakt mit der Filmbranche: Mit vier Jahren drehte er einen Werbespot für eine Waschmaschine. Als Erwachsener wird er Student an der Filmhochschule München und gewinnt mit seiner Abschlussarbeit im Jahr 2000 den Oscar für den besten Kurzfilm Jetzt ist er mit seinem aktuellen Film John Rabe beim Deutschen Filmpreis in sieben Kategorien nominiert.
"Das ist schon eine Figur mit einer hohen Widersprüchlichkeit, weil auf der ersten Ebene ist er erst einmal ein NSDAP-Mitglied gewesen, jemand, der ein Hitler-Bewunderer war, der aber dann eben in einer Situation, in der die meisten einfach abgehauen wären, in China 250.000 Menschen vor den angreifenden Japanern gerettet hat aus tiefer Überzeugung, dass man das Richtige tun muss und für die Werte, die man hat, einstehen muss."

sagt Florian Gallenberger über John Rabe, den Protagonisten seines gleichnamigen Historiendramas über das "Massaker von Nanking". Der schmale 37-jährige Regisseur mit den blauen Augen, braunen Haaren und Seitenscheitel sieht trotz seines Dreitagebarts in seinem blütenweißen Hemd mit Manschettenknöpfen eher aus wie ein Produzent. Im Zentrum seines Films, der auf Rabes ausführlichen Tagebüchern basiert, steht ein deutscher Kaufmann, der seit 27 Jahren das Siemens-Werk im chinesischen Nanking leitet. Als im Dezember 1937 die japanische Luftwaffe die damalige chinesische Hauptstadt angreift, wächst John Rabe über sich hinaus und wird zum Helden.

Filmausschnitt:
Rabe: "Wo ist die Fahne? Die Fahne, verdammt noch mal!"

John Rabe spannt eine überdimensionale Hakenkreuzfahne auf, unter der sich Duzende Chinesen in Sicherheit bringen können. Denn weil Japan und Deutschland Verbündete sind, stoppen die Kampfflieger ihren Angriff.

Filmausschnitt "John Rabe":
Rabe (ruft): "Sie hauen ab, sie hauen ab."

Das Sinnbild für Völkermord und Terror wird zum lebensrettenden Schutzschild.

"Und Rabe schreibt in sein Tagebuch: 'Die Hakenkreuzfahne gilt als der bombensicherste Ort in ganz Nanking'. Und ich finde das faszinierend und irritierend gleichzeitig."

Zusammen mit anderen verbliebenen Ausländern richtet Rabe eine vier Quadratkilometer große Sicherheitszone ein und rettet damit einer Viertelmillion Chinesen das Leben.

Das Mammutprojekt, bei dem sich Gallenberger mit Wetterkapriolen und den chinesischen Behörden auseinandersetzen musste, ist gleich sieben Mal für den Deutschen Filmpreis nominiert.

"Also, ich habe mich irre gefreut, weil das schon auch eine breite Anerkennung ausdrückt für das, was wir gemacht haben."

Seine Frau, die in Berlin als Yoga-Lehrerin arbeitet, war mit bei den Dreharbeiten in China und hat als Kostümassistentin die über 30.000 Komparseneinsätze koordiniert.

"Wenn man da in so einem Film drinnen ist, ich glaube das geht nur, wenn der Partner da mitarbeitet, weil nur mitfahren und zuschauen geht nicht, weil es ist so ein Tunnel, in dem man da drinnen ist, und es gibt außer dem Film in den vier Monaten nichts anderes, dass wenn der Partner dabei ist und nicht mitmacht, ich glaube, das führt zwangsläufig zum Zerwürfnis. Und wenn man dann alleine ist und der Partner nicht mitfährt, das finde ich fast noch trauriger."

Florian Gallenberger ist 1972 in München geboren und aufgewachsen, der Vater hat einen Metall- und Werkzeughandel, die Mutter ist Hausfrau. Seine Karriere beim Film beginnt sehr früh, wenn auch auf eine etwas andere Art.

"Ich habe mit vier Jahren einen Werbespot für eine Waschmaschine gemacht, meine Mutter ist da angesprochen worden und fand das ganz großartig, dass der kleine Flori jetzt in irgendwelchen Sachen mitspielt und hat das auch sehr unterstützt."

Von "Derrick" und "Der Alte" bis zu Kinderserien steht Florian Gallenberger immer wieder vor der Kamera, betrachtet das Ganze als spannendes Spiel, in dem man so tut, als wäre man jemand anderes. Mit zwölf kommt dann der Stimmbruch und die große Enttäuschung, dass er auf einmal nicht mehr gefragt ist. Danach plant er, später einmal Jura oder Betriebswirtschaft zu studieren.

"Und dann habe ich mich mit 17 verliebt und bin über diese Freundin so ein bisschen in so einen künstlerisch orientierten Haushalt reingekommen. Und dann hat mein Deutschlehrer gesagt, willst du nicht als Facharbeit einen Film machen? Und das hat mir wahnsinnig Spaß gemacht, das fand ich super, Diese Kombination aus kreativem Arbeiten und Anstrengung und Organisation und Hartnäckigkeit, die man braucht, das kam mir entgegen."

Er wird an der Hochschule für Fernsehen und Film in München angenommen und dreht seinen Abschlussfilm in Mexiko-Stadt. "Quiero ser", eine Geschichte um zwei verarmte mexikanische Brüder, die als Kinder Luftballons verkaufen und sich durch einen Vertrauensbruch entzweien, beschert Florian Gallenberger nicht nur zahlreiche Auszeichnungen, sondern mit erst 28 Jahren auch den Oscar für den Besten Kurzfilm. Seine Frau, mit der er seit 12 Jahren zusammen ist, sitzt bei der Preisverleihung neben ihm.

"Der schwierigste Schritt in der Filmkarriere ist zunächst mal von der Filmhochschule ins Filmemachen reinzukommen. Und diesen Schritt kriegt man quasi geschenkt, wenn man einen Oscar gewinnt. Da fragt keiner mehr, ja muss der denn jetzt einen Film machen, da sagt jeder, bitte, was will er denn machen."

Die Erwartungshaltung nach dem Oscar ist groß. Florian Gallenberger zieht nach Berlin, um dort einen Film zu drehen, hat aber eine Schreibblockade. Um dem Druck ein Stück weit zu entfliehen, dreht er eine Liebesgeschichte in Indien und wird dafür mit dem Bayrischen Filmpreis als Bester Nachwuchsregisseur ausgezeichnet. Im März 2006 reist der Regisseur und Drehbuchautor dann das erste Mal nach China, verbringt dort insgesamt ein ganzes Jahr.

"Ich habe eigentlich den Plan, jetzt einen Film in Deutschland zu machen, das wird wahrscheinlich wahnsinnig exotisch werden, aber das würde ich gerne machen."

Weil sein Beruf nun einmal "manische Phasen" mit sich bringe, wie Florian Gallenberger es nennt, sei Yoga für ihn der ideale Stabilitätsfaktor, um seinen Akku wieder aufzuladen. Außerdem kocht der Wahlberliner leidenschaftlich gerne und hat den festen Plan, seine Tenniskarriere wieder aufzunehmen. Eine Fernreise brauche er zur Entspannung jedenfalls nicht, sagt er lachend, in den letzten Jahren ist er dann doch lieber an die Ostsee gefahren.

"Es ist eher, ich möchte jetzt keine fremde Sprache und kein Durcheinander und kein 'alles ist neu', sondern ich möchte das, was ich kenne, und ganz ruhig."