Vom Licht und überlichtschnellen Gedanken

Von Falk Fischer · 16.03.2005
Licht ist die wohl faszinierendste und rätselhafteste Erscheinung der Natur und auch heute noch nicht in ihrem Wesen verstanden. Egal, wie schnell jemand einem Lichtstrahl hinterher zu laufen versucht, er entfernt sich trotzdem stets mit der gleichen Geschwindigkeit. Nichts bewegt sich so wie das Licht, denn eigentlich ist es gar nicht von dieser Welt. Es kann weder altern, weil es die Zeit nicht kennt, noch kann es stillstehen, weil es den Raum nicht kennt. Es ist ein Grenzgänger, ein Mittler zwischen Raum und Zeit und hebt beide im Grunde erst aus der Taufe.
Science-fiction Autoren haben oft davon geträumt, die magische Grenze der Lichtgeschwindigkeit vielleicht doch zu überschreiten und "einen Blick" in die Welt jenseits des Lichtes zu werfen. Und tatsächlich sind Physikern ein paar Schildbürgerstreiche geglückt. Einsteins Theorie konnten sie damit dennoch nicht aushebeln. Das Wesen des Lichtes bleibt rätselhaft.

Unendliche Weiten durchquert die Enterprise auf ihrer Reise zu immer neuen Abenteuern. Technisch hat sie fast alles zu bieten, was Menschen erdenken können, und trotzdem überraschen die Feinde mit überlegenen Vernichtungssystemen. Da hilft nur die augenblickliche Flucht in andere Weiten des Raumes jenseits des Horizontes, den das Licht nicht mehr erreicht. Der Steuermann schaltet auf Warp-Antrieb. Das Raumschiff ruckelt, die Augen der Besatzungsmitglieder treten heraus, die Sterne verschmieren zu langen Streifen. Greller und blauer wird nach vorne das Licht, und dann, unter gleißendem Blitz, ist auf einmal die Lichtmauer durchbrochen, der Rest der Welt abgehängt. Ein anderer Teil des Universums tut sich auf.

Michael Fleischhauer: " Also in der Relativitätstheorie wissen wir, die Lichtgeschwindigkeit ist die obere Grenze, und ... ich denke, es ist einfach nur die Faszination, dahin zu gehen, wo das konservative Verständnis sagt, dass es verboten ist oder dass es unmöglich ist."

Licht, und die Lichtgeschwindigkeit insbesondere, ist das vielleicht faszinierendste Rätsel der Natur, noch bis heute nicht wirklich verstanden. Wie ein roter Faden zieht sich die Frage nach dem Wesen des Lichtes durch die gesamte abendländische Kulturgeschichte. Der Physiker Arthur Zajonc meint sogar eine gemeinsame Geschichte von der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins und den Vorstellungen über das Licht ausmachen zu können.

Früher galt Licht als reine Gottesschöpfung, und alles, was aus dem Licht hervorgegangen ist, war in gewissem Sinne heilig. Heute zeugen die in etlichen Science-Fiction-Romanen nachzulesenden Überlichtgeschwindigkeitsfantasien von einem äußerst technischen Verhältnis zum Licht und der Hybris, irgendwann einmal die Herrschaft über die Schöpfung antreten zu wollen.

Dass dies wohl nie gelingt, hat Albert Einstein in seinem Wunderjahr von 1905 mit Papier und Bleistift bewiesen. Aber gerade, weil es nur mit Papier und Bleistift war, ohne sinnlichen Rückhalt, sprießen um so stärker die Fantasien, seiner Theorie vielleicht doch einmal eine Nase zu drehen.

" Das Problem ist, wenn man mit Überlichtgeschwindigkeit sich bewegen würde, dass es keinen kausalen Zusammenhang geben könnte zu der Welt, wie wir sie kennen, in der wir uns mit Unterlichtgeschwindigkeit oder maximal Lichtgeschwindigkeit bewegen, "

sagt Michael Fleischhauer, Professor für Quantenoptik an der Universität Kaiserslautern.

"Da wären Ursache und Wirkung ... plötzlich nicht mehr in einer eindeutigen Reihenfolge. ... Und ... das öffnet Tür und Tor zu Spekulationen, aber ohne Konsequenzen, weil es keine Verbindung zur gewöhnlichen Welt gibt."

Die Lichtgeschwindigkeit ist weit mehr als nur die Geschwindigkeit des Lichtes. Sie ist die Geschwindigkeit, mit der sich alle Kräfte, die über längere Reichweiten wirken, in der Natur ausbreiten: elektrische, magnetische, gravitative. Darin liegt ihre tiefere Bedeutung. Aber nur im Licht wird diese Geschwindigkeit offenbar.

Einmal auf einem Lichtstrahl reiten - wie würde die Welt dann aussehen? So hatte sich Albert Einstein gefragt, um schließlich erkennen zu müssen, dass sie überhaupt nicht mehr aussehen würde. Denn das Licht verkörpert eigentlich das Schauen selbst und lebt weder so richtig im Raum noch in der Zeit. Es lebt exakt an der Grenze in einem Zustand reinster Gegenwärtigkeit, wo die Zeit stillzustehen und der Raum auf einen Punkt zusammenzuschrumpfen scheint. Es gibt kein vorher, kein nachher, kein vorne, kein hinten. Das ist die Welt des Lichts.

Erst die Lichtgeschwindigkeit setzt überhaupt Raum und Zeit ins Verhältnis. Und nur, weil sie so unfassbar groß ist, die Erde in jeder Sekunde siebeneinhalb mal umrunden könnte, lässt sie Raum und Zeit als scheinbar so deutlich getrennte Sphären hervortreten. In Wirklichkeit sind beide verschwistert. Wie sollte Raum auch existieren, wenn nicht in der Zeit. Und wo könnte Zeit verstreichen, wenn nicht im Raum? Beide Sphären wissen voneinander, und die Lichtgeschwindigkeit knüpft das Band.

Das alles hindert keinen Astronauten daran, beliebig schnell durchs All zu rauschen. Nichts bremst ihn. Mit heutiger Raketentechnik würde er für die Strecke eines Lichtjahres zwar noch 100.000 Jahre benötigen, aber im Prinzip könnte er sie auch an einem einzigen Tag Bordzeit durchqueren. Er wäre dennoch nicht schneller als das Licht. Licht reist anders. Ein sinnliches Gefühl dafür erfährt aber wohl nur der, der selbst einmal in einer Rakete gesessen hat, wie der ehemalige Astronaut Ulrich Walter.
" Man sitzt gebannt auf dem Sitz, und das geht wirklich unter die Haut, was da passiert, das ist schon was Besonderes. Und dann kommt dieser Bruch in dem Augenblick, in dem die Antriebe abgeschaltet werden, man im Weltraum ist, in der Schwerelosigkeit, wird aus diesem starken Schütteln auch diesem, das was auf den Körper, auf eine Person so eindringt durch den Start, wird einfach schlagartig ruhig, der Shuttle ist im Weltraum, es ist absolut ruhig, die Antriebe sind abgeschaltet, man hört kein Surren mehr, kein gar nichts mehr, dass der Shuttle schwebt über der Erde, und das ist wirklich ein absoluter Bruch und sehr beeindruckend, und dann geht tagelang nur noch im frei schwebenden Zustand des Shuttles über der Erde. "

Das Motorgeräusch, die Beschleunigung, das Rütteln, all dies macht das Geschwindigkeitserleben aus. Sobald der Antrieb aber abgeschaltet ist, schwindet jegliches Gefühl für Bewegung. Und es hilft nicht einmal, aus dem Fenster zu schauen.

Ulrich: " Also wenn man dann ein paar Minuten Zeit hat, wenn der Zeitplan es dann zulässt, dann geht man eben schnell auf das Flugdeck hoch und so war das bei mir, und schaut mal ganz kurz aus dem Fenster. Und daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. ... und ich weiß noch, als ich das erste mal runter schaute, schaute ich auf den pazifischen Ozean. Und das ist ein ganz besonderer Anblick.... Das ist einfach grandios. ... Und das Ganze wälzt sich dann unter einem durch. Man hat ja immer das Gefühl, man steht, und alles andere bewegt sich. Und so wälzte sich die Erde unter mir durch, und ... sie starren das einfach nur an und sie sind davon fasziniert. "

Das ist erlebte Relativitätstheorie - der Eindruck, selber völlig still zu stehen, egal, wie lange zuvor beschleunigt wurde. Es gibt überhaupt keinen Hinweis auf Bewegung. Und darin liegt das eigentliche Kuriosum. Nicht einmal das Licht fliegt nach hinten schneller als nach vorne, wie es beim Schall der Fall wäre. Es weiß von keiner Bewegung, und drum lässt es sich auch nie überholen, gleichwohl es nicht unendlich schnell ist.

Rückblende. Jahrtausende lang herrschte die Vorstellung von einer unendlich hohen Lichtgeschwindigkeit. Dann kam Galilei.

Der verdächtigte das Licht, doch nicht unendlich schnell zu sein. Das war um 1600.

Beweisen konnte er es nicht. Dazu brauchte es noch einmal ein dreiviertel Jahrhundert. Jetzt hatte der zwanzigjährige Däne Olaf Rømer eine Idee., die ihm bei der Beobachtung der Jupitermonde kam.

Die umkreisen nämlich den Gasgiganten wie Zeiger einer riesigen kosmischen Uhr. Allerdings zeigt diese Uhr jahreszyklische Ungleichmäßigkeiten von mehreren Minuten. Rømer bemerkte, dass die Uhr genauso schwankt wie auch jahreszyklisch der Abstand zwischen Erde und Jupiter schwankt.

Wenn das Licht nur mit endlicher Geschwindigkeit fliegen würde, hätte es mal einen längeren und mal einen etwas kürzeren Weg zurückzulegen, was die Zeitunterschiede erklärte. Daraus konnte er einen ersten Schätzwert der Lichtgeschwindigkeit ableiten.

Genauere Labormessungen ließen noch einmal weitere 200 Jahre auf sich warten. Schließlich

Nun betrat ein Mann die wissenschaftliche Bühne, der es sich zur Passion gemacht hatte, die Lichtgeschwindigkeit mit geradezu verzweifelter Besessenheit um immer noch eine Kommastelle genauer zu bestimmen. Albert Abraham Michelson.

1887 hatte er seinen Präzisionsapparat so weit entwickelt, dass er hoffen konnte, jetzt sogar die Absolutgeschwindigkeit der Erde durch den Äther messen zu können.

Er ließ einen Lichtstrahl in Flugrichtung der Erde laufen und einen zweiten senkrecht dazu und verglich dann beide Geschwindigkeiten.

Nichts. Gar nichts. Wie er es drehte und wendete, es zeigte sich nicht der geringste Unterschied - eine gewaltige Enttäuschung…

…die ihm später aber den Nobelpreis einbringen sollte. Ohne es zu wollen, hatte er nachgewiesen, dass es einen absoluten Raum nicht gibt und damit das Fundament für Albert Einsteins Relativitätstheorie gelegt.

Das Licht lässt sich so wenig einholen, wie es gelingt, durch das Tor eines Regenbogens zu fahren. Der Bogen bleibt immer gleich weit entfernt, und die Lichtgeschwindigkeit immer gleich schnell. Im Weltraum oder im Vakuum lässt sich Einsteins Relativitätstheorie nicht hintergehen.

Aber Physiker sind findig. Und hartnäckig. Wenn es schon nicht möglich ist, schneller zu fliegen als Licht, lässt sich das Licht vielleicht zu einer etwas gemütlicheren Gangarten verführen, langsamer als Lichtgeschwindigkeit? In Materie ist das möglich.

"Also Vakuumslichtgeschwindigkeit ist 300000 Kilometer pro Sekunde, und was wir hier gemacht haben ist, wir haben im Experiment des Licht abgebremst auf etwa 500 m/s. Und Leni How, die dasselbe Experiment in ultrakaltem Gas gemacht hat, ist auf 10 Meter pro Sekunde heruntergekommen. Sie sagt immer, selbst ein Fahrradfahrer könnte das Licht überholen. "

November 2002. Ort: das Physikalische Institut in Heidelberg. Zwei junge Physiker versuchen sich an einem Schildbügerstreich. Sie wollen Licht einfangen. Es ist schon spät am Abend, als Denis Heine die Apparatur startklar macht und zu ersten Probeversuchen ansetzt.

" Und dann ... haben wir zu zweit vor dem Experiment gestanden und den Lichtpuls, den wir abbremsen wollten, hinein geschickt und auf dem Oszilloskop uns das Signal der Detektoren angeschaut. Das war einfach nur Rauschen. Da war im Grunde nichts zu sehen. Und ich war schon dabei, das ganze wieder umzujustieren und einen etwas anderen Ansatz auszuprobieren, als der Postdoc, der mit mir im Labor war, ... auf einmal ganz aufgeregt anfing, herum zu schreien und herum zu springen und immer auf das Oszilloskop gezeigt hat, wo nur Rauschen zu sehen war. Bis er dann und wann einmal angefangen hat, die Auflösung sehr fein hoch zu drehen, und dann hat man in dem Rauschen einen winzigen kleinen Buckel gesehen. Und das war das erste bisschen von den gespeicherten Licht, was wir da hatten. Ein Signal, das man völlig übersehen würde bei dem Puls, den wir hinein geschickt haben. Aber von da an war es nur noch Feinjustage, und der Buckel ist immer größer und größer geworden."

Am nächsten Tag knallten die Sektkorken. 16 Kilometer wäre der eingefangene Lichtblitz im Vakuum lang gewesen. Jetzt passte er quasi in eine Zigarettenschachtel. Mittlerweile gelingt ihnen sogar, die Geschwindigkeit völlig auf Null auszubremsen. Ein Schildbürgerstreich: Licht in Tüten sozusagen, allerdings mit einem Verfallsdatum von nur Sekundenbruchteilen.

" Wir haben das Licht zwar gefangen, aber das wirklich interessante daran haben wir erst nachher gemacht. Wir haben diesen armen Lichtpuls erst gefangen genommen, und ihn dann sogar noch erlaubt, hier kommt nur die erste Hälfte von dir heraus, jetzt doch das nächste Viertel, und dann nach einer Weile wieder das nächste Viertel. Und das finde ich persönlich viel schildbürgerhafter als die eigentliche Aktion."

Die Experimente sind keine bloßen Rekordversuche für das Guinessbuch, sondern Vorbereitungen für das Fernziel eines Quantencomputers. Der könnte ungleich vielschichtiger rechnen als ein herkömmlicher Rechner und würde insbesondere bequemer mit Lichtteilchen funktionieren als mit Elektronen. Dazu aber braucht es eben solche Lichtspeicher, Lichtspeicher sogar für Einzelphotonen.

Einzelphotonen - auch das war eine von Einsteins Ideen im Jahr 1905, dass Licht tatsächlich portionsweise auftritt, Quantum für Quantum, fast wie ein Gas. Damit legte er das Fundament der Quantenmechanik. Für diese Arbeit - und nicht etwa für die Relativitätstheorie - erhielt er später den Nobelpreis.

Ein Lichtteilchen einmal auf die sprichwörtliche Couch zu legen, es unters Mikroskop zu setzen und in aller Ruhe die Essenz des Schauens selbst anzuschauen, das war einmal ein alter Physikertraum. Die Widersprüche aber, die sich daraus ergeben, löst die Natur in genialer Weise auf.

Heine: "Da ist der Trick, das ist nicht mehr Licht. Sobald Licht in irgendeinem Medium entlang fliegt, muss es mit dem Medium interagieren. ... Und wenn das Licht durch unsere Zelle fliegt und wir die richtig präpariert haben, dann ... klammern sich ... die Atome ... an den Lichtpuls und ... bremsen ihn ab und ziehen ihn herunter. Bedeutet, wenn das Licht die Geschwindigkeit Null erreicht hat, ist eigentlich überhaupt kein Photon mehr daran beteiligt, kein Lichtteilchen, das Licht fort zu schicken, sondern es sind nur noch Atome. "

Kaum scheint die Lichtgeschwindigkeit einmal überlistet, entschlüpft der Triumph doch noch zwischen den Fingern.

So ergeht es allen bisher erdachten überlichtschnellen Fantasien. Jedesmal gibt es irgendeinen entscheidenden Haken. So auch 1992, als der Kölner Physiker Günter Nimtz die Fachwelt aufrüttelte mit überlichtschnellen Laborexperimenten. Er hatte Mikrowellen durch eine eigentlich zu dünne Röhre geschickt, durch die die Wellen genaugenommen gar nicht mehr hindurch passen sollten. Die Gesetze der Quantenmechanik gewähren ihnen aber dennoch eine kleine Chance, unter hohen Intensitätsverlusten jede Barriere, jeden scheinbar unüberwindlich hohen Energiewall zu durchtunneln. In dieser vermeintlich verbotenen Tunnelstrecke gelten nicht mehr die Gesetze der Relativitätstheorie. Es ist ein Raum ohne Zeit.

Nimtz: "Also das war ganz lustig, das ist jetzt schon gut 10 Jahre her. Da habe ich eine Arbeit gefunden von Italienern, ... die haben festgestellt, dass der Tunnel mit kleinerer Geschwindigkeit als die Lichtgeschwindigkeit durchkreuzt wird. ... Und dann habe ich das Buch gelesen und da denke ich, das kann nicht stimmen. "

Günter Nimtz hatte eigentlich anderes zu tun, aber dieser Artikel provozierte ihn. Gleich am nächsten Wochenende baute er zusammen mit einem Kollegen in seinem High-Tech Labor ein kleines Experiment auf, was tatsächlich das Gegenteil zu beweisen schien.

Nimtz: "Der Tunnel, das ist ein rein quantenmechanisches Problem. Sie haben ... Zeitlosigkeit im Tunnelberg, das Teilchen hält sich dort eigentlich gar nicht auf. Die Zeit, die es dort verbringt, ist Null. Und wir haben das mit Mikrowellen, da können Sie wirklich einen Meter Räume herstellen, die durcheilt werden vom Signal, und sie halten sich darin nicht auf. Das ist köstlich. Aber wie gesagt, das ist vorausgesagt von der Quantenmechanik."

Ungläubiges Staunen bei der Forschergemeinde. Zwei Jahre später demonstrierte er in Amerika vor großem Fachpublikum seinen Versuch, indem er Mozarts 40ste g-Moll Symphonie mit fast fünffacher Lichtgeschwindigkeit übertrug. Später schrieb er über die Vorführung:

"Professor Francis Low, der das Seminar veranstaltete, lief ein paar Minuten stumm auf und ab, dann war sein einziger Kommentar: "That is not g-minor!" Das Musikband war tatsächlich ein wenig zu schnell abgelaufen und hatte die Tonlage verschoben. Ansonsten waren er und die anderen Gäste für etliche Sekunden sprachlos, sie hatten superluminal übertragene Musik gehört, und wollten es eigentlich nicht wahr haben."

Ganz so eindeutig lassen sich die Ergebnisse dann aber doch nicht interpretieren, weder in die eine, noch in die andere Richtung. Die Natur gibt sich einmal mehr salomonisch. Tatsächlich verbringt das Signal im Tunnel keine Zeit. Wenn es jedoch den Tunnel verlässt, treten Verzögerungen oder Verzerrungen auf, die jeden wirklichen Zeitgewinn bei genauerer Analyse wieder wettmachen.

Fleischhauer: "Das ist tatsächlich ein bisschen ein Streitpunkt in der Physik, dass man für Tunnelprozesse nicht gut definieren kann, was eine Zeit ist, die ein Tunnelprozess braucht. Man kann also maximal folgendes machen. ... Man schickt ein stufenförmiges Signal, was eine tatsächliche Überraschung bedeutet, eine tatsächliche Information, ... auf einen Tunnelkontakt drauf und schaut sich an, wann das Signal auf der anderen Seite zunächst einmal von Null verschieden ist. Und dann wird sich immer eine endliche Zeit ergeben. Aber die Form dieser Stufe ist nach dem Tunnelkontakt komplett zerstört, und das macht es so schwierig, eine Zeit damit zu assoziieren. "

Zeit und Raum - nie gab es vor Einstein die Möglichkeit, sie ernsthaft als natürlichste Platzhalter für Materie zu hinterfragen oder anders zu denken. Erst im Licht seiner Relativitätstheorien offenbaren sich Raum und Zeit als elastische und formbare Medien, so ähnlich wie das Wasser für den Fisch. Tatsächlich kann sogar die Raumzeit regelrechte Wellen schlagen, zum Beispiel im Umfeld schwarzer Löcher. Wo aber Wellen sind, erwacht auch schnell die Fantasie des Wellenreitens.

Dies genau war die abgefahrene Idee des Mexikanischen Physikers Miguel Alcubierre, als er 1994 den so genannten Warp-Antrieb vorschlug und damit eine ganze Generation von Science-fiction Autoren neu inspirierte.

"To Warp" bedeutet im Englischen so viel wie verzerren. Jede Materieansammlung verzerrt unweigerlich das Raum-Zeit-Gefüge, wenn auch meist nur unmerklich wenig. Verzerren heißt, dass die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten im Raum dann von außen betrachtet keine wirklich gerade Linie mehr wäre, auch wenn es von innen so erscheint.

Die Idee des Warp Antriebs ist, mit Hilfe einer exotischen Materieform das Raumschiff in eine dünne Raumblase einhüllen und dann den Raum vor der Blase zu stauchen und hinter ihr zu dehnen. Auf diese Weise könnte das Raumschiff ohne eigene spürbare Beschleunigung tatsächlich unendliche Weiten durchpflügen, überlichtschnell sogar, weil sie nicht durch den Raum, sondern mit dem Raum reist. Die Spritkosten für eine solche Reise freilich wären ruinös. Sie benötigten die zehnmilliardenfache Energiemenge, die im sichtbaren Universum vorhanden ist.

Überlegungen dieser Art sind wissenschaftlicher Schabernack, auch wenn niemand weiß, ob nicht doch einmal nützliches dabei herauskommt. Faszinierend, inspirativ, abenteuerlich ist es alle Male, an Manipulationsmöglichkeiten des Raumzeitgefüges herum zudenken.

Stock: "Also, jetzt steinigen mich alle meine Kollegen, wenn ich sage, stellen sie sich also mal vor, die Menschheit würde durch konzentrierte Arbeit an der Natur dieser elementaren ... Gravitationswechselwirkung... lernen, die Gravitation so zu manipulieren und in ihrem eigenen Willen so einzusetzen, wie sie es mit der elektromagnetischen Kraft und deren Phänomenen bereits tut. ...

Es gibt ein schönes Buch von Freeman Dyson, das heißt disturbing the universe. Und da steht drin: Wenn die Menschheit jemals im interstellaren Raum ein wirkliches ausgebreiteres Leben als space-Zivilisation wird haben wollen, dann geht das nicht durch Raketenantrieb, ... sondern es geht nur durch Manipulation der Gravitation.

Nicht, wenn also die Menschheit lokal einen Gravitationsdynamo, das kann natürlich jetzt nur ein dummes Wort sein, dann ist auf einmal die Frage, ob die Menschheit vielleicht auch planetar oder überhaupt im weiteren Universum langsam aber sicher in den nächsten Millionen Jahren noch einen Aufenthaltsort sucht ",

meint, einmal weit über den Tellerrand hinaus schauend, der Frankfurter Hochenergiephysiker Reinhard Stock. Aber, Steinigung hin oder her,

" ... kein Pharisäer kann heute sagen, vergiß das doch, ihr schafft das ja doch nie, denn die Erfahrung hat gezeigt, daß man bei der starken Wechselwirkung, bei der elektromagnetischen, bei der Gravitationskraft a la Einstein das alles ja eigentlich auch schon ganz gut angefangen hat. Warum sollten wir die Gravitationskraft nicht auch so verstehen lernen, daß wir sie auch zugleich zu manipulieren lernen. "

Reinhard Stock hat jahrelang am Kernforschungszentrum CERN in Genf gearbeitet, der größten Teilchenschleuder der Welt. Ab 2007 sollen hier an der gerade auffrisierten Maschine Atomkerne mit einer solchen Wucht aufeinander geschossen werden, dass ähnliche Energie- und Dichteverhältnisse entstehen wie beim Urknall. Bereits heute laufen die Rechner heiß, alle denkbaren Prozesse so weit als möglich voraus zu kalkulieren, dass später kein sensationsverdächtiges Signal übersehen wird.

Eine solche Sensation könnte die zufällige Produktion mikroskopisch kleiner schwarzer Löcher sein. Sie würden entstehen, wenn die Materie dermaßen verdichtet ist, dass die Gravitationskräfte ähnlich stark werden wie die ansonsten abermilliardenfach stärker konzentrierten elektrischen Kräfte. Falls dies gelingt, würden sich ungeahnte Möglichkeiten eröffnen, erstmals auch mit Gravitationskräften ähnlich spielen zu können wie mit elektrischem Strom. Reinhard Stocks Kollege Günter Quast brütet bereits über solchen Spekulationen.

" Wenn Gravitation stark wird, ... dann sollte es möglich sein, mit Hilfe einer Quantengravitation der Theorie die quantenmechanische Version von schwarzen Löchern zu erzeugen. Wir wissen schon einiges über die Eigenschaften, wenn es sie gibt. Dann zerfallen sie genauso schnell wieder, wie sie entstehen. Und das ist gerade eines der Szenarien, das wir gerade angucken. Wenn das passiert, werden die nicht zu übersehen sein. Das wäre übrigens technologisch extrem nützlich, denn die könnten sie auf einer Größe halten, dass sie alle zugeführte Materie in Energie verwandeln. Wir hätten dann den idealen Materie-Energie-Umsetzer. "

Schwarze Löcher im Handgepäck einer Enterprise, es wäre der ideale und vielleicht tatsächlich in einer sehr fernen Zukunft zu realisierende Raketenantrieb - welcher Pharisäer weiß das schon. Jede Art von Materie wäre als Treibstoff geeignet und könnte, gravitativ zerrieben, gigantische Energiemengen freisetzen. Masse ist schließlich nichts anderes als "gefrorene Energie", wahrscheinlich eine Art Knötchen im Raum-Zeit-Kontinuum.

Auch diese Idee hat Albert Einstein 1905 in die Welt gesetzt mit seiner wohl berühmtesten Formel: E gleich m c Quadrat. Der Energieinhalt einer Masse ergibt sich einfach dadurch, dass man sie zweimal mit der Lichtgeschwindigkeit multipliziert, dem Maß also, das Raum und Zeit ins Verhältnis setzt. Jede Atombombe zehrt davon. Und trotzdem könnte selbst dieser ultimative Raketenantrieb keine Enterprise über die Lichtgrenze hinauskatapultieren. Die Lichtgrenze überschreiten zu wollen, bedeutet immer, aus dem Universum herauszufliegen - in jedem Sinne des Wortes.

Das Licht ist der erste Schöpfungsgedanke. Bei aller wissenschaftlichen Neugier, allem Forschen, Manipulieren und Bearbeiten, hat es sich nie entzaubern lassen und seinen poetischen und auch spirituellen Reiz stets behalten.

Wohl jeder, der in das aufsteigende Farbenspiel eines Sonnenaufgangs schaut, wie er das ganze Land bemalt, wie das Licht durch die Wolken strömt oder mit Meereswellen spielt, will nie wieder einen Gedanken an die Überwindung des Lichtes verschwenden.

Und trotzdem gibt es beide Arten von Faszination. Das Licht, so scheint es, ist Mittler zwischen eigentlich allen Welten: Nicht nur zwischen Raum und Zeit, Materie und Welle, sondern auch zwischen Wissenschaft und Spiritualität und vielleicht sogar Leben und Tod.

Und wohl nichts könnte dem ersten Schöpfungsgedanken würdiger sein, als eben das Licht.

Zeitreisen
16.3.2005
19.30 Uhr
Die europäische Trägerrakete Ariane 5 hebt am 12. Febraur vom Weltraumbahnhof Kourou ab
Gegenüber der Lichtgeschwindigkeit bewegen sich heutige Raumfahrzeuge im Schneckentempo: Die europäische Trägerrakete Ariane 5 hebt am 12. Febraur vom Weltraumbahnhof Kourou ab© AP / ESA / CNES / ARIANESPACE
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