Vom Internet überfordert

Von Philipp Banse · 06.03.2012
Internetportale wie Google News sollen künftig eine Abgabe an Verlage zahlen, wenn sie fremde Presseartikel in ihre Seite einbinden. Guten Online-Journalismus gäbe es nicht per Gesetz, kommentiert der Publizist Philipp Banse.
Die Bundesregierung lässt sich vor den Karren einer Industrie spannen, die vom Internet überfordert ist. Die deutschen Presseverleger brauchen Geld. Nicht, dass sie kurz vor der Pleite stünden, aber sie nehmen immer Geld mit gedruckter Werbung ein und die Anzeigen im Netz machen diesen Verlust längst nicht wett. Ja, die Verlage probieren hier und da mit Apps herum, machen alle ihre Netz-Experimente – aber es ist nicht so leicht mit Journalismus im Netz richtig dickes Geld zu machen. Auf der Suche nach Einnahmequellen im Netz, die einfacher zu erschließen sind, stießen die Verlage auf Partnerbörsen, den Online-Auto-Handel - und das Leistungsschutzrecht. Die Bundesregierung will ein Gesetz verabschieden, dass Texte im Netz unter einen Schutz stellen soll, die bisher nicht unter Schutz standen und von jedem gefahrlos genutzt werden können: Überschriften zum Beispiel, oder kurze Textauszüge. Wer solche Verlagsprodukte gewerblich nutzt, soll zukünftig zahlen. Wie gesagt: Es geht nicht um Raubkopien, um das Veröffentlichen fremder Texte ohne Genehmigung, das ist auch heute schon illegal. Nein es geht um – nun ja: Google News.

Solche News-Aggregatoren "verbreiten" aber keine "Zeitungsartikel" im Netz, wie der Koalitionsbeschluss behauptet, denn das klingt so schön nach Raubkopie und Urheberrechtsverletzung. Google News ist völlig legal. Es sammelt nur Überschriften und anderthalb Sätze von Verlags-Webseiten ein und setzt einen Link zum Original-Artikel – und spült auf diese Weise Zehntausende Leser auf die Seiten der Verlage, die sonst vielleicht nie dort gelandet wären. Und die Verlage wissen das. Denn niemand zwingt sie, ihre Artikel von Google verlinken zu lassen. Mit zwei, drei kurzen Zeichenfolgen in ihren Webseiten sind sie Google los, durchsucht die Suchmaschine ihre Seiten nicht mehr, zeigt sie nicht mehr an. Aber nein, dazu sind die Leserströme von Google dann doch zu verlockend.

Doch statt sich zu freuen, dass fremde Unternehmen völlig legal und umsonst Leser auf ihre Seiten bringen und die Verlage mehr Werbung verkaufen können, wollen sie eben diese Dienste abkassieren – als würden Hotels Geld vom Taxifahrer verlangen, weil er neue Gäste bringt. Ja, der Taxifahrer verdient Geld, weil es Hotels gibt; ja Google verdient Geld, weil es Webseiten gibt. Aber das heißt nicht, dass jeder mitkassieren darf.

Google News mache Geschäfte mit fremden Inhalten, so der Vorwurf. Naja, nicht mehr, als die Verlage selbst auch Geschäfte machen mit fremden Inhalten. Ungezählte Berichte übers Dschungelcamp recyceln nichts weiter als Texte und Fotos von RTL. Jedes Feuilleton ist voll mit Hinweisen auf fremde Filme, Theaterstücke und Bücher. Ja, aber die Verlage produzieren doch einen Mehrwert, schaffen etwas Neues! Mag sein, Google News aber auch: Dass es keine Kleinigkeit ist ein beliebte, funktionierende Nachrichten-Überblickseite zu bauen, weiß kaum jemand besser als die Verleger selbst, die mit ihrer Google-News-Kopie Nachrichten.de Baden gingen.

Na und? Sollen Verlage und Google sich doch bekabbeln und streiten, wer von wem jetzt Geld bekommen soll. Falsch. Wenn das Leistungschutzrecht Gesetz werden sollte, werden viele von uns fürchten müssen, eine Rechnung von den Verlagen zu bekommen: Ein Zitat aus einem Welt-Artikel, verlinkt zum Original auf Welt Online? Ein Link zur FAZ auf Twitter, Facebook oder dem eigenen Blog? Da könnte der Verlag bald eine Lizenzgebühr haben wollen. Nein, nur die gewerbliche Nutzung von Überschriften soll abgabepflichtig sein, entgegen die Verleger. Was aber ist gewerblich? Ein Blog mit Anzeigen? Vielleicht. Facebook? Sicher. Oder? Ein Leistungsschutzrecht für Verleger wird für enorme Unsicherheit sorgen, jeden Link auf einen Verlags-Artikel zum Risiko machen und so die Informations- und Meinungsfreiheit einschränken. Und warum? Weil die Verleger unfähig oder zu faul sind, wirklichen Qualitäts-Journalismus im Netz zu finanzieren, für den die Leute dann auch zahlen würden, wenn diese Bezahlung einfach zu leisten wäre. Doch guten Online-Journalismus gibt es nicht per Gesetz.

Links im Dradio:

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Blogger kritisiert Beschluss zum Urheberrecht als "absurd und sinnlos"
Thierry Chervel über das geplante Leistungsschutzrecht für Verleger