Vom Giftmüll- zum Energieberg

    Von Verena Herb · 19.04.2011
    Vor knapp zwei Jahren entschied die damalige schwarz-grüne Koalition, einen neuen kommunalen Stromversorger zu gründen: Hamburg Energie. Das besondere: Der Strom von Hamburg Energie ist grün. Ohne Kohle und Atom. Hergestellt wird jener Strom zum Teil auf der ehemaligen Giftmülldeponie Georgswerder, wo Anfang der 80er-Jahre Dioxin - das sogenannte Seveso-Gift - entdeckt wurde. Heute arbeitet man an der Rekultivierung der Deponie. - aus dem Giftmüllberg wird langsam ein Energieberg.
    Anja Hajduk: "Wir wollen in Hamburg wieder mehr Entscheidungsspielraum in der Energiepolitik. Wir wollen für Hamburg einen Energieversorger, der für Hamburg arbeitet und die Interessen der Stadt vertritt und wahrt."

    September 2009: Anja Hajduk, die Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt, gibt den Startschuss für einen neuen – wieder kommunalen – Energieversorger in Hamburg. Sieben Jahre nach dem Verkauf des städtischen Stromversorgers an Vattenfall tritt die Stadt in Konkurrenz zum Energieriesen.

    Damals startete Hamburg Energie mit einem Kundenstamm von Null. Nach 18 Monaten am Markt zieht Michael Beckereit, Geschäftsführer von Hamburg Energie, eine positive Bilanz:

    "Wir haben innerhalb von einem Jahr gut 16.000 Stromkunden gewonnen. Wir haben gut 1600 Gaskunden gewonnen. Ein Zahlenspiel. Wir haben uns für dieses Jahr eine Gesamtzahl von 22.500 Strom und Gas vorgenommen. Und wenn man weiß, dass jetzt die wechselstarken Monate kommen, wie wir in der Branche sagen, sind wir also mehr als zufrieden."

    Hamburg Energie als kommunaler Stromanbieter wirbt mit einer Besonderheit um potenzelle Kunden:

    "Der Strom, den wir liefern, hat erst einmal eine besondere Qualität. Das ist auch etwas, das in unseren Annalen steht: Er hat Kohle- und Atomfrei zu sein."

    Grüner Strom also. Ungewöhnlich und eine Nische, in der sich das städtische Unternehmen gegen zwischenzeitlich rund 80 Wettbewerber am Hamburger Energiemarkt durchsetzen will.

    Ökostrom ist grün, gut – aber eben nicht günstig. Deshalb ist Paul Schmid, Sprecher des Umweltverbandes BUND, auch zurückhaltend optimistisch, was den Erfolg von Hamburg Energie angeht:

    "Dieses hehre Ziel, diese Idee, zu sagen: Wir sind das erste städtische Unternehmen, das auf Strom ohne Kohle und Atom setzt, das wird die Bürger noch nicht überzeugen. Die Bürger werden letztendlich gucken: Bekomme ich wirklich günstigen Strom, und dann kommt vielleicht der ideelle Teil dazu."

    Der Wind pfeift über die schwarzen Solarplatten hinweg. 5000 Quadratmeter ist die Fläche groß. 1600 Fotovoltaik-Module produzieren rund 400.000 Kilowattstunden pro Jahr. Das ist grüner Strom für 170 Haushalte - und erst der Anfang. Ende 2009 erst wurde die Fotovoltaik-Anlage auf dem Hügel der ehemaligen Mülldeponie Georgswerder in Betrieb genommen, erklärt Simona Weisleder, Projektleiterin der Internationalen Bauaustellung IBA, die an der Rekultivierung des ehemaligen Giftmüllbergs mitarbeitet:

    "Das ist der erste Bauabschnitt. Bis 2013 soll noch mal das Doppelte kommen. Zusammen mit der Windkraftanlage, die uns im Rücken stehen würde, die 3 MW umfassen wird ... rein rechnerisch werden rund 2000 Haushalte damit versorgt. Mit erneuerbaren Energien versorgt ..."

    Hamburg Energie agiert derzeit größtenteils noch als Stromhändler – nur 30 Prozent stellt das Unternehmen selbst her. Doch das soll sich mittelfristig ändern: 50 Prozent Eigenproduktion beim Strom, 10 Prozent beim Gas ist das Ziel.

    "Wir haben heute noch nicht das Riesenkraftwerk als Projekt. Sondern wir fangen eben mit den erneuerbaren Energien in den eben genannten Feldern an, und versuchen uns entsprechend breit dort aufzustellen."

    Erklärt Geschäftsführer Michael Beckereit. In Hamburg ist man überzeugt, dass mit der Katastrophe von Japan eine Denkwende eingeläutet wurde. Das Konzept des Ökostroms aus städtischer Hand könnte aufgehen.

    Programmtipp:
    Erneuerbare Energie als Chance für Deutschland? -
    Ideen, Projekte & Versuche: Die Energie-Reihe im Deutschlandradio Kultur