Vom "Drogen- und Musiklebenzackzackzack"

11.07.2013
Judith Innerhofer hat einen Nachruf auf die Bar 25 verfasst, die bis zu ihrer Schließung 2010 einer der Leuchttürme des Berliner Nachtlebens war. Die Ich-Erzählerin Mia arbeitet dort als Barfrau. Durch sie lernt der Leser eine riesige Spielwiese für Erwachsene kennen samt Rutsche, Zirkuszelt und Holzhütten.
Als im September des Jahres 2010 die am Spreeufer gelegene Bar 25 nach fast siebenjähriger Laufzeit ihre Pforten schließen musste, schrieb Judith Innerhofer in der "Welt am Sonntag" einen Nachruf, der verriet, dass sie die Bar nicht nur vom Hörensagen, sondern auch von innen gut kannte: "Man wollte bleiben an diesem Ort, der einem so wunderbar vorgaukelte, dass alles gut ist und das Leben ein einziges Fest". Oder: "Maßlosigkeit war in der Bar nicht nur bei den Gästen, sondern auch bei der Dekoration das Maß der Dinge."

Eine gewisse Trauer war da zu spüren, wie bei vielen Stammgästen der Bar 25, die neben dem heute noch existierenden Berghain auch international als einer der größten Leuchttürme des Berliner Feier-und Nachtlebens galt. Innerhofer hat ihre Trauer produktiv verarbeitet und jetzt auch eine lange Erzählung über "Die Bar" geschrieben. Diese konnte, wie ihr Berliner Verlag Metrolit mitteilte, erst "nach langer juristischer Prüfung" in diesem Sommer erscheinen. Das weist darauf hin, dass Innerhofer bei ihren zu einer Fiktion ausgebauten Erinnerungen doch recht nah an der Wirklichkeit war.

Es handele sich nicht, so steht es der Erzählung explizit voran, "bei den Schauplätzen - insbesondere bei der Bar - um eine Beschreibung real existierender Orte". Das kann man glauben oder nicht, ändert aber nichts daran, dass man bei der Beschreibung der Bar von innen und außen (sie liegt hier zum Beispiel an einem See, nun denn) natürlich unweigerlich an die Bar 25 denken muss.

Innerhofers Ich-Erzählerin heißt Mia, hat gerade ihr Medizinstudium absolviert und ist noch nicht bereit fürs Ärztinnendasein: "Ich hatte mich entschlossen, mich noch ein Jahr treiben zu lassen". Also landet sie nach ihrer Ankunft im Berliner Nachtleben, speziell in der Bar 25, in der sie schließlich als Barfrau an der sogenannten Backstage-Bar arbeitet.

Es gibt hier schließlich alles, weiß Mia, "was man sich wünschen kann: ein Zirkuszelt mit Freiluftkino, einfache Holzhütten, in denen man übernachten kann, eine riesige Rutsche, eine Manege mit aufgefülltem Sand und ein übliches Clubaccessoire: einen Fotoautomaten, von dem wohl fast jeder Gast zwei oder drei Bildstreifen zu Hause liegen hat. Man fühlt sich so wohl, dass man die Momente, die Nächte, unbedingt festhalten will".

Auch Innerhofer, die gelernte Medizinerin und Journalistin, versucht in ihrer Erzählung über den letzten Sommer der Bar, diese Momente festzuhalten, die Magie des Ortes zu beschreiben, das "Hier und Jetzt", das "Drogen-und Musiklebenzackzackzack". Sie porträtiert aber auch einige der oft gar nicht mehr so jungen Menschen, die hier in der Bar gewissermaßen eine Auszeit von der Realität nehmen.

All das gelingt Innerhofer ganz gut, an den besten Stellen erinnert es an Rainald Goetz` Erzählung "Rave". Zudem erzählt "Die Bar" immer wieder davon, wie so eine Bar im Innern funktioniert: von der Arbeit der sogenannten Selektoren, Türsteher und " Runner" über Sinn und Unsinn von Gästelisten und Armbändchen bis hin zu den Hierarchien in Bezug auf die Gäste. Dass es in dieser Erzählung auch langweilige Passagen gibt, versteht sich, das ist im Nachtleben auch so. Trotzdem stimmt die Dramaturgie in Form des Countdowns der letzten Bar-Tage. Am Ende, ganz klar, gibt es doch wieder ein Morgen, da ist die Party dann endgültig vorbei. Mit Innerhofers Erzählung aber hat die Feierwelt ein schönes "Bar 25"-Vermächtnis bekommen.

Besprochen von Gerrit Bartels

Ju Innerhofer: Die Bar. Eine Erzählung.
Metrolit Verlag, Berlin 2013
224 Seiten, 16, 99 Euro


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