Volksverköstigung und Staatsbankett

Von Wibke Bergemann und Tina Hüttl · 18.10.2009
Siegfried Pasternak war 14 Jahre Chef-Gastronom im Palast der Republik. Hier verköstigte er nicht nur das normale Besuchervolk, sondern auch die Kader der Volkskammer sowie hochrangige Staatsgäste. So wie am 7. Oktober 1989 beim Staatsbankett zum 40. Geburtstag der DDR - das Ehrengast Michail Gorbatschow vorzeitig verließ.
(Schritte, Vögel) "Kommen Sie rein, Sie werden sehen, so bitte gehen Sie durch ..." (Tür)

"Der Gast, der kommt, der soll immer merken, wenn man ein guter Gastgeber ist, dass man sich auf sein Kommen vorbereitet hat und man sich darüber freut. Beim Gast muss es einen gewissen Aha-Effekt geben. Und dann gehört dazu natürlich ein Höhepunkt, dass man sagt, nach dem Aha-Effekt, oh, den Oho-Effekt. Und zum Schluss muss es einen Ausklang geben, dass der Gast gerne wieder kommt."

"Wir begrüßen Sie nicht mit einem Cognac, weil Sie ja Autofahrer sind, Gisela, sondern mit einer Brandenburger Milch."

Die Milch schwappt fast über den Rand, als Siegfried Pasternak schwungvoll das schmale Long-Drink-Glas zur Begrüßung erhebt. Auf dem großen Holztisch steht ein Strauß frisch gepflückter Waldblumen. Pasternak versteht es zu inszenieren, selbst wenn es nur Milch ist, mit der angestoßen wird. Zu Gast beim einst wichtigsten Gastronom der DDR.

"Ich habe in allen Berufen der Gastronomie selber gearbeitet, ich konnte also immer sagen, wenn es mal zur Auseinandersetzung kam: Geh mal zur Seite, so wird gezapft, und nicht anders."

Wenn Pasternak erzählt, kommt der strenge, aber engagierte Chef von damals durch. Auch heute noch, obwohl er seit zehn Jahren Rentner ist. Zurückgezogen von der Großstadt leben er und seine Frau Gisela in einem kleinen Ort nördlich von Berlin. Überall blüht es in den Vorgärten. Zum selbstgebauten, gelben Einfamilienhaus führt ein sandiger Weg. Seit fünf Jahren ist hier ihr Ruhesitz:

"Wir arbeiten wie früher. Ich bewirtschafte 1700 qm Garten, die Kinder sind zwei-dreimal in der Woche da. Ich sag immer: Wo haben wir früher die Zeit hergenommen, um arbeiten zu gehen? (lacht) Wir sind auch nicht einseitig, sowohl Kultur als auch Sport interessiert uns sehr. Für die Kulturlandschaft ist Berlin schon sehr interessant. Wir sind natürlich verwöhnt, durch die vielen Jahre im Palast, wir hatten ja Theater auch noch im Palast gehabt."

Der Palast der Republik. Das ist sein Stichwort.
"Habe ich das gezeigt? Hier haben Sie zum Beispiel, wir hatten so ein Souvenir-Programm. Und das war eines der Souvenirs und da waren auch Spezialitäten drin."

Ein großer, ein imposanter Mann. Das feingestreifte, lachsfarbene Hemd spannt etwas über dem massigen Oberkörper. Dichtes, dunkles Haar, nur der Vollbart des 70-Jährigen ist weitgehend ergraut.

Er schlägt eine Din-A4-große grüne Mappe auf. Jedes Foto steckt feinsäuberlich in einer Klarsichthülle, jedes Foto eine Erinnerung an seine Zeit im Palast der Republik. Von der Eröffnung 1976 bis zur Schließung im September 1990 ist Pasternak Chefgastronom des Hauses. 14 Jahre lang unterstehen ihm 14 Restaurants, Cafes, Bars und 280 Köche. Dabei versorgt er nicht nur rund 6000 Gäste täglich, sondern auch die Volkskammerabgeordneten, die SED-Parteispitze und den Generalsekretär Erich Honecker.

Pasternak blättert in der Fotomappe. Die Lesebrille, die sonst immer am Band vom Hals hängt, setzt er auf die Nase:

"Hier hinten war eine Wand aus Meisner Porzellan, war eine wunderschön gestaltete Wand. Das ist das Hauptfoyer, das Hauptfoyer am Abend eines Empfanges. Das war die Ringbar im dritten Foyer."

Nichts existiert mehr von dem, was auf den Bildern zu sehen ist: Weder die immer überfüllten Restaurants, noch die opulenten Säle, in denen bei Staatsempfängen aufgetischt wird und an Ballabenden Livebands spielen. Siegfried Pasternak liebt das Haus bis heute - auch wenn an der Stelle des Palastes inzwischen eine Wiese wächst:

"Das sind die Palastrestaurants, Blumenmädchen, das war zur Begrüßung eines gastronomischen Abends, hier Köche und Kellner bei der Arbeit, 'ne Künstlergruppe, 'ne Feuerzangenbowle wird gemacht , Feuerzangenbowle-Arbeiten wurden gemacht."

Pasternak lächelt. Er genießt es, diese alten Bilder anzuschauen. Trotzdem lebt er im Hier und Jetzt. Erinnerungsfotos finden sich nur in Alben, nicht an den Wänden seines Hauses. Im modern eingerichteten Wohnzimmer keine Spur von Ostalgie: Der Fußboden ist aus italienischer Terrakotta. Vor der großen Glasfront zum Garten stehen ein Baby-Hochstuhl und eine Spielzeugkiste - für die beiden Enkel, die Kinder von Pasternaks erwachsener Tochter.

"Jetzt muss ich mal überlegen."

Pasternak läuft durch den Flur, aus der Vorratskammer holt er einen großen Edelstahltopf und bringt ihn in die Küche. Es ist längst Zeit, das Drei-Gänge-Menü zum Mittag vorzubereiten.

(Backpapier knistert) "So, gemeinsam wollen wir mal aus unserer Landhausküche eine Suppe probieren und zwar eine Kräutersuppe. Das Erste, was wir brauchen, ist eine kräftige Rinderbrühe. Als Zweites habe ich vorbereitet frische Kräuter: Das sind acht bis zehn Kräuter fein gehackt, die geben wir dazu. Das Ganze lassen wir dann schön ziehen, 20-30 Minuten. Dann entwickelt sich im Topf ein Aroma."

Vor ihm auf der marmorierten Arbeitsplatte stehen ordentlich aufgereiht silberfarbene Küchenschalen mit Petersilie, Liebstöckel, Schnittlauch, Rosmarin und Bärlauch. Mit einem Kochlöffel gibt er die Zutaten nacheinander in die heiße Rinderbrühe, die auf dem Ceranfeld-Herd nur zieht, aber nicht kocht.

"Ich bin Jahrgang '39 und habe 39 bis 45 die schwere Zeit des Krieges - Abwesenheit der Väter usw. - relativ gut überstanden, und war damals fünf Jahre, ein kleines, schmächtiges Bürschchen, unterernährt wie die meisten und so weiter. Und dann gab's da die Oma, und Omas sind ja immer nette Personen für die Enkel. Und ich habe zugeguckt, wie gekocht wurde, weil da hatte man ja auch immer die Chance, etwas größere Happen abzukriegen oder vorneweg schon mal was zu naschen. Da war man dabei, und deswegen hatte man da eine bestimmte Beziehung zu."

Auch als Hobbykoch ist Pasternak perfekt organisiert. Kochutensilien, Zutaten, Gewürze - alles steht geordnet bereit.

"Und diese Suppe, wenn die fertig ist, servieren wir dazu ein Käsesandwich überbacken. Jetzt muss erst mal der Herd arbeiten."

Die Arbeitsflächen an der Längsseite des hellen Raumes sind großzügig und von ihm nach seinen Bedürfnissen entworfen. Schließlich ist die Küche einer seiner liebsten Orte im Haus. Sein Talent entdeckt er früh, mit 13 Jahren. Als er seine Kochlehre beginnt, ist er der Jüngste in der Großküche. Schon drei Jahre später wird er zum Chefkoch befördert.
"Ich habe mich nur einmal in meinem DDR-Leben beworben. Das war die Bewerbung für die Kochlehre. Ich habe mich dann nie wieder beworben, denn als ich ausgelernt hatte, kam der Gaststättenleiter zu mir und sagte: Siegfried, du übernimmst die Küche, du bleibst hier. Und da habe ich mit 16 Jahren in Kamenz das 'Stadt Dresden' übernommen. Da musste mein Vater noch mit unterschreiben, weil ich da haftungsmäßig noch nicht das Alter hatte."

Der Küchenchef Pasternak weiß genau, was er als nächsten Schritt zu tun hat.

"Gisela, machst Du mal die Sandwichs? So, bis das aufkocht, machen wir mal die Sandwichs. So, hier haben wir Hartkäse gerieben. Das ist frisches Brot, und nehmen schönes Graubrot dazu. Das passt zur Suppe."

Auch in seiner Karriere geht es schnell nach oben. Er studiert "Wirtschafter der Gastronomie" an der Fachhochschule in Leipzig und beginnt am Institut für Handelstechnik in Berlin. Sein Organisationstalent bleibt der Staatsführung nicht verborgen. 1971, gerade einmal 32 Jahre alt, wird Pasternak stellvertretender Vorsitzender der Handelsorganisation der DDR. Er ist für den flächendeckenden Aufbau des Gaststättenwesens verantwortlich, ein Manager der Mangelwirtschaft.

"Das war eine Aufgabe mit Licht und Schatten, wie der Handel überall an dieser Strecke. Sie mussten sich mit vielen Problemen auseinandersetzen, wo Sie wussten, die sind nicht lösbar. Sie können nur mit den vorhandenen Mitteln versuchen, das zu managen."

Pasternak erinnert sich, während er im Kühlschrank sucht. Für die Käsesandwichs fehlen noch zwei Eigelb. Doch in der Packung ist nur noch ein Ei. Er hat gelernt, sich zu behelfen:

"Die DDR war immer in einer Situation, da sie sich in vielen Gebieten sehr anspruchsvolle Ziele gesetzt hatte, zu improvisieren. Wir standen immer vor dem Problem: Der Kerl ist zwei Meter lang, die Decke ist immer 1,20 m lang. Wir konnten uns immer raussuchen, ob wir am Kopf frieren oder an den Füßen frieren."

Siegfried Pasternak hebt den gläsernen Topfdeckel.

"Duftet schon schön, oder?"

Exakt 20 Minuten haben die frischen Kräuter laut der Küchenuhr gezogen, nun wird nur noch abgeschmeckt:

"Bisschen nachwürzen, Pfeffer nachwürzen. Mal testen, ist okay. Ich glaube, ist gut."

Als Hauptgericht gibt es Kaninchen. Das zerlegte und marinierte Kaninchen legt Pasternak in einen großen Schnellkochtopf.

"Also ich habe jetzt das Kaninchen drin, und dann gebe ich dazu eine Flasche herben, kräftigen französischen Rotwein, einen guten Bordeaux. Ah, das reicht nicht ganz - oder doch?"

Das Rezept stammt von seiner Reise nach Bulgarien. Pasternak macht es nach seiner Rückkehr in Ostberlin bekannt.

"So. Rotwein ist drin. Ein Stück Butter.""

Er schwärmt für die osteuropäische Küche, in der sich regionale Traditionen bewahrt haben und die in vielem der DDR-Küche ähnelt.

"Kochen ist auch Mode und auch Tradition. Es kommen neue Produkte, also kommen auch neue Rezepte. Was Sie sofort bestätigen werden, Sie kriegen eine Soljanka heute nirgends mehr, was so eine typische DDR- Suppe war. Zum Schluss in der DDR war total verschwunden die Winzersuppe."

In solchen Momenten vermisst Pasternak die DDR ein wenig, und natürlich den Palast der Republik. 1976 eröffnet, ist der Sitz der Volkskammer zugleich als Kulturpalast konzipiert, dessen gastronomische Leitung viel Erfahrung und Geschick erfordert. Monatelang wird nach einem gastronomischen Direktor gesucht.

"An und für sich zuerst erfahren habe ich, dass ich für den Palast vorgesehen bin, weil eine gute Nachbarin sagte: Herr Pasternak, ich soll's Ihnen ja nicht sagen, aber es war ein Herr da, der hat sich nach Ihnen erkundigt. Ich hab nur Gutes gesagt. Und Sie werden in den Palast gehen."

Im Visier der Stasi zu leben, daran gewöhnt er sich schnell. Schließlich hat er nichts zu verbergen, wie er sagt:

"Ich war mir natürlich bei diesem Schritt bewusst, dass man dann auf dem Tablett steht, wie wir so sagen. Nicht nur ich, sondern meine ganze Familie. Aber das ist nun mal in dem Job üblich, überall auf der ganzen Welt."

Zumindest in der sozialistischen. Pasternak stellt den Schnellkochtopf auf den Herd und schneidet weitere Zutaten in den Rotweinsud.

"So schneiden wir die auch an, halbieren wir sie auch, damit das Aroma rausgeht. Diese Knoblauchzwiebel kommt rein."

Stolz erzählt er von dem jungen und motivierten Mitarbeiter-Kollektiv, das er führt. Der Palast wird bevorzugt mit Lebensmitteln versorgt. Schließlich ist das Haus ein Schaufenster des Sozialismus und der Sitz der Volkskammer. Abgeordnete, hochrangige Parteifunktionäre und auch internationale Delegationen sind hier oft zu Gast. Pasternak wendet sich wieder dem Herd zu und schaltet die Dunstabzugshaube ein.

"Die Darstellung der gastronomischen Gepflogenheiten der Politbüromitglieder halte ich überwiegend für falsch. Wenn wir welche im Haus hatten, dann waren das immer Gerichte, die aus der einfachen Hausfrauenküche stammten. Ein einfacher Eintopf wurde gerne gegessen. Buletten wurden gerne gegessen."

Pasternak ist immer noch ganz professioneller Gastwirt, und als solcher spricht er nicht über seine Gäste und deren Vorlieben. Aber, wohl um den Eindruck zu vermeiden, dass im Palast geprasst wird, erzählt er eine kleine Anekdote über Erich Honecker. Zum 30. Jahrestag der DDR läuft die Küche wochenlang auf Hochbetrieb für das Festbankett:

"Und wir haben alles aufs Feinste vorbereitet und in dem Moment kommt der rein, auf die letzte Minute rein, und das erste, was er sagt: Ich brauch ein Selters, ich hab Durst, und 'ne Bockwurst. Und jetzt kam Folgendes: Wir hatten alles vorbereitet, aber dort in dieser kleinen Küche am Saal war keine Bockwurst. Ab diesem Tag hatte ich festgelegt: Egal, was für eine Veranstaltung kommt, es ist immer ein Glas Bockwurst dort hinten in der Ecke.""

Pasternak ist damals überzeugt, im besseren der beiden deutschen Staaten zu leben. Er ist Mitglied in der SED. Doch direkt für die Partei, den Staatsapparat oder das Militär tätig zu sein, schließt er aus, obwohl er gefragt wird.

Wenn Pasternak redet, lässt er sich nicht unterbrechen. Er ist ein durchsetzungsstarker Mann, der sich auch im Palast genügend Spielräume verschafft.

"Ich fühlte mich in dem Palast in keiner Art und Weise gedengelt. Ich sag ihnen aber auch, Viele haben in anderen Bereichen gesagt: Das darf sich nur der Pasternak hier trauen, das ist schon so gewesen, ja. Aber ich glaube, das ist überall im Leben so."

Pasternak schließt den Deckel über dem Schnellkochtopf und regelt den Herd auf die richtige Temperatur runter.

"Und das Ganze wird jetzt angesetzt und kocht ungefähr 15 Minuten, und dann machen wir aus und lassen noch mal 15 Minuten ziehen. Und dann essen wir das. (Lacht) Gehen wir raus, ja?"

Durch die große Glasschiebetür im Wohnzimmer geht Pasternak hinaus in den Garten. Am hinteren Ende trennt ein vom Schilf überwucherter Graben das Grundstück vom Wald. Mittendrin steht ein großes Gartenhaus mit überdachter Terrasse, darunter eine voll funktionsfähige Außenküche und eine lange Tafel. Gisela Pasternak deckt den Tisch, das Kaninchen ist fertig.

"Dann werden wir das servieren. Klein wenig Salat und nun geht es los. Vorsichtig! So, bitte sehr, greifen Sie zu! Guten Appetit!"

Das Kaninchenfleisch ist zart, hat den warmen Geschmack von Rotwein. Pasternak isst etwas hastig, er hat viel zu erzählen. Sein Rezept, das Kaninchen à la Pasternak, gehört damals in einem Ostberliner Restaurant zu den Spezialitäten und geht sogar in die Weltliteratur ein:

"In den Offenbachstuben verkehrten zu DDR-Zeiten viele Herren der Diplomatie, Botschafter und auch Schriftsteller, Schauspieler und Gastronomen, so wie ich. Herr Grass, der öfters Gast gewesen ist und dieses Gericht sehr geliebt hat, hat das dann in seinem Nachwendebuch 'Ein weites Feld' mit einfließen lassen thematisch."

Es ist frisch geworden in dem gemütlichen Garten. Der Wind hat zugenommen. Siegfried Pasternak schaut zum Himmel und entscheidet als guter Gastgeber, den Nachtisch im Haus zu servieren.

"Das sind Erdbeeren in Weingelee, das ist alles. Das ist mit einem Rotwein, auch einem Bordeaux-Wein. Das ist im Prinzip Wein, Gelatine, etwas Zitrone, etwas Zucker, wenig Zucker. Und ein bisschen Sahne und ein bisschen Zitronenmelisse als Dekoration."

Beim Dessert kommt er zum letzten Kapitel seines Arbeitslebens. Er heftet seinen Blick auf die Schale mit Weingelee. An die Krisenstimmung in den Monaten vor dem Mauerfall erinnert er sich ungern. Etwa an den Staatsempfang zum 40. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1989. Vor dem Palast rufen die Demonstranten: "Gorbi, hilf uns!"

"Über den Staatsempfang möchte ich gar nicht viel sprechen, weil das eine furchtbare Angelegenheit war. Das war eben eine Phase schon der Zersetzung der DDR im wahrsten Sinn des Wortes. Weil einen Staatsempfang zu machen, wo vor der Türe demonstriert wird, das ist nicht gut in letzter Konsequenz, ja."

Dieser Tag geht in die Geschichtsbücher ein, denn der sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow warnt die SED-Führung: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben". Pasternak ist voll mit dem protokollarischen Ablauf des Empfangs beschäftigt. Die Küche hat Wachtelbrüstchen auf Maispüree und Filetensemble Trianon sowie Forellenröllchen vorbereitet.
"Es läuft ja beim Staatsempfang von solcher Größenordnung, da muss ja alles auf die Minute laufen. Und es ist ja nicht normal, wenn der Hauptgast, der da ist, in diesem Fall war das Gorbatschow, sich nur kurz an den Tisch setzt und an dem ganzen Menü nicht mehr teilnimmt und aufsteht und geht, weil er zum Flughafen muss. Also das ist schon ein Punkt, da kam mir das Grauen, weil Sie haben ja immer eine Verantwortung für diese Veranstaltung."

Die Demonstranten draußen vor der Tür nimmt er vor allem als störend für die Ordnung im Hause wahr. Zu den Geschehnissen von damals fehlt ihm bis heute der Abstand, das schnelle Ende der DDR enttäuscht ihn.

"In der DDR waren überwiegend Leute, die ordentlich gearbeitet haben und versucht haben vernünftig zu sein, eben wie es das System hergegeben hat. Dieses System gibt eben her, dass Millionen Leute arbeitslos sind und nicht wissen, selbst wenn sie arbeiten, wie sie ihr Auskommen bestreiten sollen. Ja das sind alles solche Dinge - okay - ja beantwortet."

Mehr sagt er zur aktuellen Politik nicht. Der redselige Mann ist plötzlich kurz angebunden. Also weiter mit der Geschichte. 1989 fällt die Mauer.

Er: "Was war denn am 9.?"
Gisela: "Da hattest Du Chefdienst."
Er: "Meine Frau hat recht, der 9. November kann ich Ihnen ganz genau sagen, ich hatte Chefdienst. Weil das ging ja immer, eine Demonstration vorne, eine Demonstration hinten. Und irgendwann haben die die Schnauze voll von dem ganzen Zirkus. Und ich hatte mich hingesetzt ins Büro und habe gesagt: Jetzt trinkste noch mal ein Bierchen und dann fährste nach Hause."

Nur ein Jahr später wird der Palast wegen Asbestverseuchung geschlossen. Ein Vorwand, meint Pasternak und schüttelt den Kopf. Mit einem Mal ist er ein Chefgastronom ohne Arbeit.

"Das war schon nach einer erfolgreichen Tätigkeit bis zum 50. Lebensjahr ein bisschen gewöhnungsbedürftig, das auf sich sitzen zu lassen, so dass ich dann von Kollegen den Hinweis bekam: Mach dich doch selbstständig, und ich bin sehr dankbar, dass ich diesem Hinweis gefolgt bin."

Mit 51 Jahren macht er sich mit seiner Frau, einer studierten Geophysikerin, selbstständig. Denn Siegfried Pasternak ist kein Mensch, der einfach sitzen bleibt und sein Leben dem Schicksal überlässt. Auf seiner Visitenkarte, die er über den Tisch reicht, steht: "Pasternak, Immobilien und Unternehmensberatung". Seine Hand zittert leicht. Durch einen Zeckenbiss ist er an Borreliose erkrankt. Der Grund, warum er mit 60 Jahren zu arbeiten aufhört. Er genießt das Rentner-Leben. Und manchmal stößt er auf die Spuren seiner Arbeit.

"Ich bin neulich mit meiner Frau in Cottbus über den Trödelmarkt gelaufen. Da haben wir noch Plastegeschirr gefunden, das ich mitentwickelt habe. Richtig noch im Original, mit Spremberg, damals mit dem Plasteberg Spremberg. Das ist die ganz normale Geschichte, Das ist nun mal so im Leben. Daran müssen wir alle uns dran gewöhnen, dass wir unsere heißen Jahre haben, und dass es danach irgendwie bergab geht. Das ist vergänglich. Ich freue mich darüber."