Volksrepublik Volkswagen

Wolfsburg als Kommunistische Partei

Chinesische Schriftzeichen am Volkswagen-Werk in der Nähe von Schanghai, aufgenommen am 13.10.2005.
Chinesische Schriftzeichen am Volkswagen-Werk in der Nähe von Schanghai © picture-alliance / dpa / Gero Breloer
Von Alexander Kohlmann · 10.10.2014
Regisseur Stefan Kaegi hat den Betrieb einer VW-Werkshalle in China dokumentiert und als Schauspiel auf die Bühne gebracht. Der Zuschauer fragt sich: Ist der VW-Konzern eine Art Diktatur?
Wer in der neuesten Uraufführung von Rimini-Protokoll einmal mehr Experten des Alltags auf der Bühne erwartet hatte, der wurde enttäuscht. Denn Regisseur Stefan Kaegi arbeitet erstmals mit Schauspielern, fiktiven Figuren, nur der Text zu "Volksrepublik Volkswagen" beruht auf ursprünglich dokumentarischem Material. Hunderte von Briefen und Mails hat Kaegi ausgewertet - und Blogs, geschrieben von VW-Mitarbeitern in China in die Heimat.
Aus den Texten hat er verschiedene Charaktere entwickelt, die den Volkswagen Konzern in China auf der Bühne repräsentieren, die Öffentlichkeitsarbeiterin, den Mann an den Maschinen im weißen Drogerie-Kittel - und den gut trainierten Boss ohne moralische Skrupel: "Man sollte China nicht mit Deutschland vergleichen, die finden schon ihren eigenen Weg".
Wirtschaft im Schatten der Diktatur
In einer riesigen, detailliert nachgebauten VW-Werkshalle, beobachten wir die deutsche Manager, wie sie vor fast drei Jahrzehnten voller Überheblichkeit im Reich der Mitte ihre Arbeit begannen. Lustig machten sich die deutschen Ingenieure - über die chinesischen Autos, die schon bei leichten Aufprallen wie Tomaten zerplatzen. Immer neue Unfallfotos postet einer von ihnen an den Spind am Bühnenportal. Jahrzehnte später lacht niemand mehr, sondern die Faszination der VW-Menschen für die effiziente Wirtschaft im Schatten der Diktatur ist groß.
Während das riesige blaue VW-Logo gegen das Parteiwappen ausgetauscht wird und auf der Leinwand Bilder von jubelnden Parteisoldaten laufen, überlegt einer neidisch: Sind wir bei VW nicht auch eine Art Volksrepublik, mit riesigen Werken, eigenen Schwimmbädern und Millionen Arbeitern?
Kein ganz abwegiger Vergleich ist das, wenn man sich den politischen und gesellschaftlichen Einfluss des Konzerns alleine in Niedersachsen ansieht. Nur: Wenn Wolfsburg die Kommunistische Partei ist, wo bleiben dann Deutschland und unser westliches Wertesystem, das Recht auf Streik, Gewerkschaften und Bewegungsfreiheit - und nicht zuletzt die Demokratie?
Komplexe Fragen, die dieser Abend in immer neuen szenischen Konstellationen verhandelt. Und das, ohne auf einfache Antworten und ideologische Scheinlösungen zu setzen.
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