Völkerverständigung

"Das schwierigste Projekt meines Lebens"

Pierre Dulaine, geboren in Jaffa und jetzt Tanzlehrer in New York. Im Rahmen des Filmfest München wird eine Dokumentation (Dancing in Jaffa) über Dulaine vorgestellt, in der er in Jaffa (Israel) ein Tanzprogramm an Schulen initiiert hat, bei dem jüdische und palästinensische Kinder zusammen tanzen.
Pierre Dulaine, geboren in Jaffa und jetzt Tanzlehrer in New York © picture alliance / dpa / Inga Kjer
Moderation: Christine Watty · 07.01.2014
Pierre Dulaine ist in seinen Geburtsort Jaffa zurückgekehrt, um dort Kindern das Tanzen zu lehren. Der Clou: Israelische und palästinensische Kinder tanzen gemeinsam. Das Projekt hat er mit der Filmemacherin Hilla Medalia auf die große Leinwand gebracht.
Christine Watty: Vladimir Balzer über den Film "Dancing in Jaffa". Und wir sind sehr froh, dass noch kurz vor der Berlin-Premiere dieses Films Pierre Dulaine zu uns ins Studio gekommen ist. Welcome, Mister Dulaine! Und wir begrüßen auch übrigens gleich an dieser Stelle den Übersetzer Jörg Taszman. Monsieur Dulaine, erzählen Sie uns von der Idee des Filmes. Sie arbeiten schon lange auch mit Schülern in New York zusammen. Was hat Sie bewogen, an Ihren Geburtsort zurückzukehren und dieses Tanzprojekt dort zu versuchen?
Pierre Dulaine: Erst einmal vielen, vielen Dank, dass ich hier in Berlin sein kann. Es ist sehr schön, hier zu sein, und, um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich habe den Kindern geholfen, ich habe Ihnen etwas beigebracht in New York City – und es gibt ihnen so viel Respekt füreinander auch, was das Arbeiten miteinander angeht und Toleranz. Und ich hatte diesen Traum seit einer langen Zeit, zurückzukehren an den Ort, wo ich geboren bin. Weil wir wissen, die politische Situation in Israel – und ich dachte mir, ich möchte den Kindern helfen, da, wo ich herkomme, wo ich geboren bin. Und ich hatte diesen Traum, dahin zu gehen, und es gab eine Frau Miri Shahaf Levi, die hatte meine ersten Dokumentarfilm gesehen über die Gesellschaftstänze, auf Englisch hieß dieser Film "Mad hot Ballroom", wo wir mit Kindern aus der Bronx arbeiten.
Und sie kam nach New York und sagte, würden Sie bitte Ihr Tanzprogramm nach Israel bringen. Ich sagte, das würde ich so gerne, aber ich tue das wirklich nur, wenn ich die jüdischen Kinder und die palästinensischen Israelis, wie man sie nennt, die arabischen Kinder, wenn sie zusammen tanzen. Und ihre Augen und Ohren öffneten sich und wir wurden sofort Freunde. Wir waren auf der gleichen Welle, und wir blieben in Kontakt, aber es dauerte dann noch sechs Jahre, bis es wirklich stattfand. Aber die Produzenten Diane Nabatoff, die Produzentin des Films mit Antonio Banderas, und ich liebe diesen Mann. Sie sagte, na gut, ich komme mit dir.
Und dann haben wir das Geld aufgetrieben. Sie fand das Geld. Miri Shahaf Levi, diese Dame, sie hat die Schulen für mich ausgewählt, sagte, möchten Sie nach Tel Aviv oder Haifa, und ich sagte, nein, es muss in der Gegend sein, in der ich geboren bin, in Jaffa. Also, wir haben fünf Schulen ausgewählt und gefunden. Ich bin dort hingekommen und der Rest ist jetzt schon Geschichte.
Watty: Sie hatten vor Ort mit mehreren Schwierigkeiten zu kämpfen, und im Film leidet man schnell mit und schüttelt manchmal auch den Kopf, während man denkt, das kann doch nicht funktionieren. In den arabischen Schulen wird ihnen erklärt, dass Jungen nicht mit Mädchen tanzen sollen, dann treffen sie auch außerhalb aller religiösen und auch politischen Vorbehalte auf ganz normale Probleme von fast pubertierenden Schülern, die einfach grundsätzlich gar nicht miteinander tanzen wollen. Und es gibt Momente am Anfang des Filmes, bei denen man glaubt, es habe Ihnen nahe gelegen, das Ganze doch noch hinzuschmeißen. War das tatsächlich so?
"Sogar die Eltern haben sich angefreundet"
Dulaine: Ich hatte ein doppeltes Problem. Die arabisch sprechenden Gemeinden, die israelischen Palästinenser, wie ich schon sagte, Jungs und Mädchen berühren sich nicht, wenn man sehr konservativ ist. Das war das große Problem, das ich hatte, das erste Problem. Das zweite Problem war, mit dem Feind zu tanzen. Es musste viel gearbeitet werden, ich war dreimal in Israel, bevor ich überhaupt mit dem Programm begann, um mich erst einmal mit den Schulen zu treffen, den Eltern und den Kindern, bevor wir es überhaupt beginnen konnten. Mit den jüdischen Gemeinden – mit allem Respekt vor den arabischen Gemeinden, sind die jüdischen Gemeinden offener, was Kultur betrifft. Es war natürlich für die Eltern, dass Kinder zusammen tanzen. Aber mit dem Feind zu tanzen, war nun auch wieder etwas anderes.
Also da gab es auf der jüdischen Seite ein Problem, und ein doppeltes Problem auf der anderen Seite. Und dann bin ich auch manchmal raus aus der Schule. Aber ich liebe die Kinder, also, ich bin wieder zurückgekehrt, und es war wirklich nicht leicht. Aber wissen Sie, das ist nicht die Schuld der Kinder, es ist die Umgebung. Ich wollte sie nicht alleine lassen, ich wollte den Job nicht hinschmeißen. Und dann hätten sie etwas versucht, und sie hätten die Reise nicht beendet, das heißt, jemand anders hätte sie aufgegeben. Also es war wirklich notwendig, dass ich das durchstand.
Das schwierigste Projekt meines Lebens war dieses hier. Aber es gibt keine Wörter dafür auf Englisch oder Deutsch, wie befriedigend es für mich war, dass es mir gelungen ist am Ende. Jetzt habe ich Ihnen natürlich schon das Ende des Films verraten, aber es war eine großartige, wunderbare Erfahrung.
Watty: Sie haben ja mit diesem Film eine Art des kleinen Mikrokosmos geschaffen, in dem Sie nicht nur etwas für die Schüler getan haben, die wir dort kennenlernen, sondern Sie haben kurzfristig mal den Nahostkonflikt einfach gelöst durch den Tanz für ein paar Momente womöglich, aber vielleicht auch nachhaltig. Glauben Sie, dass diese Erfahrung für die Schüler auch langfristig bleibt, diese Idee des Miteinanders gegen vielleicht auch das, was in ihren Familien vermittelt wird?
Dulaine: Das ist eine sehr große Frage, und mit allem Respekt weiß ich jetzt, dass ich es schaffen kann, die Kinder selber, mit denen ich gearbeitet habe, das waren 150 Kinder in den fünf Schulen – viele von ihnen sind noch miteinander befreundet. Ich will jetzt sagen, Facebook ist wunderbar dafür, ohne jetzt Reklame machen zu wollen. Sogar die Eltern haben sich angefreundet. Und diese Kinder, viele von diesen Kindern sind noch befreundet. Ich weiß es, weil ich ihr Freund in Facebook bin.
Und daher weiß ich Bescheid. Und sie sind so glücklich, Teil des Films zu sein, natürlich. Und ich weiß, dass die Welt verändert werden kann, und nur durch Kinder. Und Ballroom-Dancing, im Gesellschaftstanzen, wenn du jemanden berührst in einem Tanzsaal, im Englischen ist dieses Tanzen eine Umarmung, wenn du jemanden umarmst.
Und dieses Einander-Umarmen, und wenn du jemanden umarmst, dann lernst du ihn auf eine andere Art und Weise kennen, als wenn du nur Tennis mit ihm spielst, wo eine Distanz herrscht. Also, Inschallah, wie wir auf Arabisch sagen, es wird gut für die Zukunft sein. Ich möchte auch, dass die Demokraten und die Republikaner in Washington anfangen, miteinander zu tanzen. Inschallah.
Watty: Danke schön an Pierre Dulaine. Der Film "Dancing in Jaffa" läuft ab Donnerstag bei uns im Kino. Und gleich findet die Premiere in Berlin statt, im Kino International, und da wird Pierre Dulaine nun sofort hineilen. So thank you very much, Pierre Dulaine, good luck and all the best for you. And thank you for this movie.
Dulaine: Gern geschehen! It's a pleasure. Thank you very, very, very much.
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