"Viola Beach" erobern die britischen Charts

Die toten Newcomer

Die britische Band Viola Beach bei einem Auftritt am 10.1.2016 in London
Die britische Band Viola Beach bei einem Auftritt am 10.1.2016 in London © imago stock&people
Von Tarik Ahmia · 11.08.2016
Mit dem Tod von großen Popstars wie Prince und David Bowie gerieten weniger prominente Abschiede etwas aus dem Blickfeld. Dabei war etwa der von der jungen britischen Band Viola Beach besonders dramatisch. Alle starben bei einem Autounfall in Schweden.
Viola Beach standen ganz am Anfang einer hoffnungsvollen Karriere. Im vergangenen Jahr spielten sie erstmals auf großen Festivals in Leeds und Reading, die BBC lud die vier jungen Musiker zu einem gefeierten Live-Auftritt im Fernsehen ein und pries deren Songs als "ansteckende Pop-Hymnen".
Die vier Freunde Anfang zwanzig waren musikalische Überzeugungstäter. Viola Beach trugen den Sommer nicht nur im Bandnamen, mit ihrem optimistischen, lebensbejahenden Pop waren sie auch musikalisch auf der Sonnenseite.
Den Bandnamen hatten sich der Frontmann Kris, Gitarrist River, Bassist Tom und Schlagzeuger Jack als fiktiven Ort ausgedacht. Viola Beach - ein Strand, der jeden aufmuntern sollte.

Optimismus und Träumerei

"An einem Strand ist es unmöglich, schlecht drauf zu sein!", sagten die Musiker in einem frühen Interview. Optimismus und Träumerei zählten zu ihren Grundüberzeugungen."
Das Bild vom Strand wählten sie trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer Herkunft aus dem kalten, regnerischen Nordwesten Englands. Der Fluss Mersey verbindet ihre Heimatstadt Warrington mit den Nachbarstädten Liverpool und Manchester. Doch Warrington blieb bislang bedeutungslos, geographisch, wirtschaftlich und kulturell eingekeilt zwischen seinen berühmten Nachbarn.
Gegründet hatten sich Viola Beach schon 2013. Doch in der letzten Besetzung spielte die Band erst seit Mai 2015. Zwischen den vieren herrschte offenbar die richtige Chemie, denn seitdem ging es mit der Karriere steil bergauf. Ihre Songs wurden landesweit im Radio gespielt, millionenfach gestreamt und auf ausverkauften Konzerten gefeiert. Schließlich nahm sie Ian Grimble, Produzent der Stadion-Folkband Mumford & Sons, unter seine Fittiche.
Viola Beachs melodieverliebter Pop, der Anleihen von den Beatles über die Kooks bis zu Two Door Cinema Club machte, war nicht zu stoppen. Ende 2015 blickte die Band auf ein triumphales erstes Jahr zurück, einschließlich einer landesweiten Tour. So entschlossen, selbstbewusst und voller Energie sollte es auch 2016 weitergehen.

Plötzliches tragisches Ende

Konzerte und Festivals waren schon für das ganze Jahr gebucht, als am 13. Februar allen Plänen ein brutales Ende gesetzt wurde: Auf der nächtlichen Autofahrt von einem Festival im schwedischen Norrköping zum Flughafen von Stockholm verunglückten die Band und ihr 33-jähriger Manager Craig Tarry tödlich.
Ihr schwarzer Minivan war eine geöffnete Klappbrücke 30 Meter tief in einen eiskalten Fluss gestürzt. Zuvor hatte der Wagen mit hoher Geschwindigkeit zwei Schranken durchbrochen. Die Untersuchung des Unfalls ergab, dass der Fahrer allem Anschein nach, die Klappbrücke nicht rechtzeitig wahrgenommen hatte.
Die Schockwellen dieser Tragödie reichten bis in diesen Sommer, als Coldplay-Sänger Chris Martin auf dem größten Festival Großbritanniens vor mehr als 100.000 Fans verkündete, als Zugabe Viola Beach posthum einen Auftritt als Glastonbury-Headliner zu verschaffen. Dann coverten Coldplay einen ihrer Songs, während Viola Beach synchron als Videoprojektion mitspielten.
So sinnlos, unfair und brutal dieses Drama erscheint, so mussten gerade die Familien der Opfer einen Weg für sich finden, mit der Katastrophe umzugehen.

"Sie haben ihren Traum gelebt"

Joane Dakin, die Mutter von Schlagzeuger Jack erzählte der BBC, wie sehr die jungen Musiker für ihre Leidenschaft brannten:
"Die Jungs waren so glücklich und haben ihren Traum gelebt. Sie waren leidenschaftliche Musiker. Nichts war für sie wichtiger als Musik und die machten sie so perfekt, wie es nur ging. Jacks Zimmer war chaotisch, seine Schuhe waren schmutzig, aber Schlagzeug zu spielen, bedeutete ihm alles. Er war so ein talentierter junger Mann."
Gemeinsam beschlossen die Familien, im Sinn ihrer toten Söhne zu handeln und ihnen ein musikalisches Denkmal zu setzen. Sie stimmten zu, aus den vorhandenen Aufnahmen der Band das Debütalbum zusammenzustellen, das Viola Beach zu Lebzeiten nicht mehr veröffentlichen konnten. Erklärtes Ziel des Vorhabens war es, den Traum der Musiker wahrzumachen und sie auf Platz 1 der Charts zu bringen.

Platz 1 der Charts

Sharon Dunne: "The only thing we’ve got left is for them to make it to number one. Because that was their dream. The only thing we can hang on to really."
Radio One, Official Charts: "We have a brand New Number 1 album this afternoon. It’s a huge load of love to their families and friends from all of us at radio one and although I wish the circumstances were different, it’s huge congratulations to Kris, River, Tomas, Jack and their manager Craig – because not only they headline Glastonbury, they now have a number 1 album."
Viola Beach ist sicher nicht das Debütalbum, das die Band selbst abgeliefert hätte, sondern das einzige künstlerische Dokument, dass von den vielversprechenden Musikern übrig bleibt, bevor sie wirklich loslegen konnten. Dennoch ist es ein Album voller Energie und Lebensfreue, das die Hörer trotz der traurigen Begleitumstände mit einem Lächeln zurücklässt.