Viktor Schenderowitsch

Russlands schärfster Kritiker

Viktor Schendorowitsch
Viktor Schendorowitsch, Russlands bekanntester Satiriker © imago/ITAR-TASS
Von Sabine Adler · 18.04.2016
Seine Satire-Sendung, in der er Putin aufs Korn nahm, wurde verboten. Heute wird er regelmäßig mit antisemitischen Kommentaren überhäuft. Viktor Schendorowitsch wird Putin und seine Politik aber so lange kritisieren, bis sie ihn davon jagen, sagt der russische Satiriker.
Bevor Viktor Schenderowitsch das Gespräch beginnt, ruft er zu Hause an: Er schalte jetzt das Handy für eine Stunde aus. Sein Vater würde sich sonst Sorgen machen. Das sei so, seit dem Mord an Anna Politkowskaja, Natalja Estemirowa, Boris Nemzow, um nur einige Kreml-Kritiker zu nennen, die in der Amtszeit des russischen Präsidenten Putin ermordet worden sind.
"Die schrecken weder vor Dreck noch Blut zurück und ich bin nur am Leben, weil sie es bislang nicht für nötig hielten, mich umzubringen."
Was Boris Jelzin sechs Jahre lang ertrug, schaute sich sein Nachfolger im Präsidentenamt genau ein Jahr an: Wie der Satiriker Schendorowitsch Sonntag für Sonntag in seiner Sendung "Kukli" die Puppen tanzten ließ. 1999 als Putin Premier wurde, ließ Schendorowitsch einen Wladimir Wladimirowitsch bauen, mit schütterem Haar, spitzer Nase, kleinen blassen Augen. Die Puppe sprach so hasplig wie das Original. Der Puppen-Putin fand sich toll.
"Meine Puppe ist recht sympathisch, allerdings werde ich von den Autoren vielleicht ein bisschen zu häufig umgezogen."

Putin-Puppe im Kampffliegeroverall

Wie im wahren Leben der Präsident trug die Putin-Puppe mal eine Kapitänsuniform, mal einen Kampffliegeroverall oder eine Judojacke – der nackte Oberkörper kam später. 2001 musste Schendorowitsch die Puppen auf der TV-Bühne einpacken, alle Wiederbelebungsversuche schlugen fehl.
"Satire ist wie ein Lackmustest. Der Platz der Satire, die Freiheit der Satire, sagt viel über die Freiheit einer Gesellschaft aus."
Der Satiriker Schendorowisch ließ sich nicht den Mund verbieten. Seine bissigen Kommentare brachten andere Fernsehsender, noch heute Echo Moskau – ein Radioprogramm, das er längst nicht so unabhängig findet, wie gemeinhin behauptet wird.

"Echo Moskau existiert heute nur, weil Chefredakteur Alexej Wenediktow weniger ein Chefredakteur als vielmehr unser Dach, unsere Schutzperson ist. Er trifft Absprachen mit diesen Banditen und ermöglicht uns so die Existenz. Man kann die Tür zuknallen oder aber hinnehmen, dass sie Texte aus dem Netz entfernen. Noch hört man mich. Solange sie mich nicht davonjagen, spiele ich das Spiel mit."

Bitterböse, antisemitische Kommentare

Der 58-Jährige mit den warmen lustigen Augen wird nach jeder Sendung überhäuft mit bitterbösen Kommentaren, die fast immer antisemitisch sind. Seine Beobachtung:
"Leute, die aus tiefster Überzeugung für Putin sind, sind häufig auch Antisemiten. Das eine wie das andere zeugt von geringem Intellekt. Dabei ist Putin nicht gegen Juden. Aber sein primitiver Populismus wirkt sich aus auf Leute mit nicht allzu viel Verstand."
Und doch sagt Schendorowitsch, der kein gläubiger Jude ist, dass es von Staatswegen keinen Antisemitismus gibt, allerdings schränkt er ein:
"In Putins Russland halten als Juden jetzt andere Völker her: Lange waren es die Tschetschenen, dann die Georgier, die Balten, Zentralasiaten. Die Regierung sucht ständig neue Feinde, jetzt sind es die Türken und die Ukrainer."
Mit Satire habe Präsident Erdogan so viel am Hut wie Putin. Doch könne sich der Türke mehr erlauben, noch nationalistischer auftreten. Wenn Putin die nationalistische Karte zu häufig ziehe in Russland, riskiere er den Bestand der multinationalen Föderation.
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