Vielfalt erfreut

Von Ulrich Fischer · 09.03.2012
Bei den Mülheimer Theatertagen ist für Spannung gesorgt. Im Wettstreit um den diesjährigen Dramatikerpreis, der am 9. Juni verliehen wird, treten junge, noch relativ unbekannte Autoren gegen alte Meister wie Peter Handke an. Nur Botho Strauß ist leider nicht dabei.
Claudia Grehns und Darja Stocker, noch relativ unbekannt, treten mit "Zorn und Zärtlichkeit (Reicht es nicht zu sagen ich will leben)", eine Produktion des Schauspiels Leipzig und des Deutschen Nationaltheaters Weimar, gegen einen weltberühmten alten Meister an: Peter Handke. Handke entfachte mit "Immer noch Sturm" einen Hurrican in deutschsprachigen Feuilletons, als sein Schauspiel über das komplexe Verhältnis von Vergangenheit und Gegenwart bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt wurde.

Auch eine kleine Bühne wird für ihre findige Dramaturgie belohnt. Das Theater Bielefeld, das einen ungewöhnlich reizvollen Spielplan präsentiert, zeigt Anne Leppers "Käthe Hermann", eine Satire auf die Versprechen unserer Kommerzsender und die Gutgläubigkeit allzu vieler. Martin Heckmanns war schon mehrfach nach Mülheim eingeladen, diesmal ist er mit "Vater Mutter Geisterbahn", einer Produktion des Staatsschauspiels Dresden dabei. Es geht um Eltern in prekären Verhältnissen, die alle Hoffnung auf den Nachwuchs setzen – das muss im Desaster enden. Philipp Löhle hat mit "Das Ding" eine höchst anschaulich-vergnügliche Collage über die Globalisierung geschrieben. Die Uraufführung kam bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen heraus, die mit dem Deutschen Schauspielhaus in Hamburg kooperierten. René Pollesch wurde schon zwei Mal zum Dramatiker des Jahres gewählt, 2012 geht er mit "Kill your Darlings! Streets of Berladelphia" erneut ins Rennen, eine Produktion seiner Basisstation, der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin. Auch Roland Schimmelpfennig war schon einmal Dramatiker des Jahres, 2010 wurde er für sein Meisterwerk "Der goldene Drache" ausgezeichnet - "Das fliegende Kind", dessen Uraufführung Schimmelpfennig selbst im Burgtheater Wien, im Akademietheater inszenierte, ist nicht ganz so geglückt.

Die Auswahl ist spannend, aber doch auch anfechtbar, Marius von Mayenburg fehlt, Kathrin Röggla, Albert Ostermaier. Tom Peuckert war noch nie nach Mülheim eingeladen – ein schwerwiegendes Versäumnis. Auch Falk Richter war bislang nur einmal vertreten – und das ausgerechnet mit einem schwachen Stück. Aber vor allem Botho Strauß fehlt. Sein geschichtsphilosophisches Drama "Das blinde Geschehen" konnte aus Termingründen im letzten Jahr nicht vom Auswahlgremium berücksichtigt werden und hätte 2012 eingeladen werden können und sollen – es hat mehr Substanz als so manches Stück, das diesmal den Sprung nach Mühlheim geschafft hat.

Einerseits ist es schön, dass es einen Schwesterwettbewerb "KinderStücke 2012" gibt, andererseits ist die Frage, wo die Grenze zwischen "Kinder-" und anderen Stücken genau verläuft. Gerade das GRIPS Theater, das mit Lutz Hübners "Held Baltus" nach Mülheim eingeladen wurde, hat diese Grenze durchlässig und fragwürdig werden lassen.

Wer von Kunst spricht, sollte von Geld nicht schweigen. Der Dramatiker-Preis ist mit 15.000 Euro zu bescheiden dotiert. Angesichts der Millionen, die Finanzjongleure verbuchen, sollten die StückeschreiberInnen angemessener, großzügiger bedacht werden.


Mehr Infos im Netz: Mühlheimer Theatertage
Mehr zum Thema