"Viele Verbraucher sind vorsichtiger geworden" bei Finanzprodukten

Gerd Billen im Gespräch mit Hanns Ostermann · 21.01.2013
Wer sich in einer Bank über Geldanlage beraten lasse, bekomme noch immer Produkte empfohlen, für die der Verkäufer Provisionen erhalte, kritisiert Gerd Billen, Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband. Er fordert einen Ausbau der Honorarberatung.
Hanns Ostermann: Leicht ist das für beide Seiten wirklich nicht, weder für die Arbeitgeber noch für die Arbeitnehmer. Sollen Unternehmen saniert oder zukunftstauglich gemacht werden, dann stehen früher oder später immer Arbeitsplätze auf dem Spiel. Bei der Commerzbank sollen mittelfristig bis zu 6500 Stellen abgebaut werden. Jeder siebte Job steht also auf der Kippe, und das, obwohl nach der Fusion mit der Dresdner Bank bereits 9000 gestrichen wurden.

Offiziell hat sich das zweitgrößte Geldhaus der Welt bedeckt, hält sich bedeckt, ebenso die zuständige Gewerkschaft. Für diese Woche sind aber erste Gespräche mit dem Gesamtbetriebsrat geplant. Welche Konsequenzen müssen wir Kunden befürchten? Darüber möchte ich mit Gerd Billen sprechen, er ist Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände. Guten Morgen, Herr Billen.

Gerd Billen: Guten Morgen.

Ostermann: Gibt es die Filialen demnächst nur noch im Internet?

Billen: Die Commerzbank, da bin ich sicher, wird in Zukunft auch noch Filialen haben, aber es ist ganz klar, dass bei dieser Bank wie auch bei anderen in den nächsten Jahren Personal abgebaut wird und auch Serviceleistungen zurückgenommen werden müssen.

Ostermann: Aber womit haben wir dann konkret zu rechnen? Wir, das sind insgesamt elf Millionen Kunden bundesweit – mit weniger Filialen, längeren Wartezeiten, mit einem noch schlechteren Service?

Billen: Nein, das befürchte ich eigentlich nicht. Es hat sich schon die letzten Jahre gezeigt, dass auch immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihrer Bank übers Internet in Verbindung treten, Überweisungen tätigen – und je mehr natürlich sich an einfachen Dienstleistungen im Internet machen lässt, desto weniger wird die Filiale gebraucht. Ein Problem ist es allerdings im ländlichen Raum oder auch für die, die eben keinen Internetanschluss haben und auf das persönliche Gespräch angewiesen sind. Und da ist schon ein Stück meine Sorge, dass das Angebot zurückgeht.

Ostermann: Aber steht nicht gerade eine hochsubventionierte Bank wie die Commerzbank in der Pflicht, kundenorientiert zu arbeiten auch in ländlichen Gebieten?

Billen: Auf der einen Seite ja, auf der anderen Seite verlangen wir auch nicht von allen Sparkassen oder Raiffeisenbanken, dass sie in jedem Ort eine Filiale haben. Und von daher mache ich mir, wie gesagt, unter dem Strich da keine Sorge, dass das Angebot auch an Filialen so zurückgeht, dass die Verbraucher nur noch im Internet zu ihrer Bank Verbindung aufnehmen können.

Ostermann: Nach der Fusion mit der Dresdner Bank gab es bei der Commerzbank große Pläne mit dem Privatkundengeschäft. Die Sparte sollte eine Milliarde zum Konzerngewinn beisteuern, 41 Millionen waren es aber nur im dritten Quartal. Woran liegt das? An der Konkurrenz, an den ausländischen Instituten?

Billen: Zum einen gibt es natürlich die Konkurrenz im eigenen Land. Und da hat die Finanzkrise unter dem Strich doch sehr viele Kunden eher in Richtung Sparkassen oder Raiffeisenbanken wieder gelenkt. Also für die, die vorher mal probiert haben, was anderes zu machen, da sind, glaube ich, viele wieder zu diesen Instituten zurückgekehrt. Und zum anderen ist das Geschäft um die Privatkunden in Deutschland nicht so einfach, denn der Markt wächst nicht. Viele Verbraucher sind vorsichtiger geworden, sie schauen sich genau an, wo sie ihr Geld anlegen, wofür sie ihr Geld anlegen, wo sie ihre Kredite nehmen. Also ich glaube, hier wachsen auch keine Träume mehr zum Himmel. Und in diesem harten Wettbewerb gibt es eben andere, die entweder, wie manche Internet-Banken dann günstigere Bedingungen anbieten, anderen Service anbieten. Und das ist ein harter Wettbewerb.

Ostermann: Haben die Banken, auch die Commerzbank, eigentlich grundsätzlich aus der Lehman-Pleite gelernt? Spielen sie gegenüber den Kunden nach Ihren Einschätzungen mit offenen Karten?

Billen: Also ich glaube, die Lehren sind noch nicht gezogen, und ein ganz entscheidender Punkt aus Verbrauchersicht ist ja, dass die Verbraucher gelernt haben: Wenn ich in eine Bank gehe, dann treffe ich nicht auf einen Beamten, sondern auf einen Verkäufer, der ganz bestimmte Produkte hat, der Provisionen für Produkte erhält. Und deswegen plädiere ich sehr stark für einen Ausbau der Honorarberatung, damit das Produkt, das zu mir und meinen Bedürfnissen passt, auch das ist, was mir am Ende empfohlen wird, und nicht das Produkt, wo der Mitarbeiter, die Mitarbeiterin die höchste Provision erhält.

Ostermann: Es kommt ja einiges auf die Commerzbank zu und damit auch auf uns Verbraucher. Würden Sie jetzt eigentlich schon Tipps geben? Möglicherweise die Bank wechseln? Oder ist es dafür viel zu früh?

Billen: Nein, dafür ist es viel zu früh. Also das ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicher ein schmerzlicher Prozess. Es gibt viele andere Bereiche, in denen wir sehen, die Zahl der freien Finanzvermittler, die steigt nicht mehr. Also ich glaube, da sollte man jetzt einfach mal abwarten, wie es läuft. Am Ende zählt für uns der Service. Für uns zählen die Konditionen, wir brauchen Wettbewerb im Markt. Wenn wir nur noch eine Gruppe am Ende haben, die überlebt, ist es auch schlecht. Und was bei der Commerzbank erkennbar ist wie bei anderen, ist, dass langsam ein Umdenken beginnt, nämlich doch mehr nach der Kundenzufriedenheit sich zu orientieren und nicht nur danach, dass man einem Kunden schnell irgendwas verkaufen kann.

Ostermann: Bei der Commerzbank sollen Tausende Arbeitsplätze gestrichen werden. Ich sprach mit Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände. Herr Billen, danke für das Gespräch.

Billen: Gerne.

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Gerd Billen, Vorstand Bundesverband Verbraucherzentrale
Gerd Billen© Deutschlandradio - Bettina Straub
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