"Viele Stimmen sind sicherlich gekauft"

31.08.2012
In Angola haben die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen begonnen. Obwohl Präsident Dos Santos bereits 33 Jahre im Amt ist, gilt er als Favorit. Der SPD-Europaabgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler kritsiert, dass die EU zu wenig Wahlbeobachter schickt.
Marietta Schwarz: Seit 33 Jahren ist Angolas Präsident dos Santos an der Macht und es besteht kein Zweifel, dass er aus den heutigen Wahlen wieder als Sieger hevorgeht. Bei den letzten Wahlen 2008 bekam seine Partei MPLA, die einzige Befreiungsbewegung, 81 Prozent – die Opposition ist zersplittert und dümpelt vor sich hin. Zehn Jahre nach dem Bürgerkrieg hat sich Angola zum boomenden Ölstaat entwickelt. Die meisten Angolaner bekommen das allerdings nicht zu spüren, sondern leben in großer Armut. Aufbruch also oder Stillstand in Angola – Fragen dazu an Wolfgang Kreissl-Dörfer, SPD-Abgeordneter im Europaparlament und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Guten Morgen!

Wolfgang Kreissl-Dörfler: Ja, guten Morgen!

Schwarz: Herr Kreissl-Dörfler: Ist dies eine demokratische Wahl heute in Angola?

Kreissl-Dörfler: Ja, es ist ja so, dass die Opposition gesagt hat, die Wahlen finden ein Jahr zu früh statt. Es gab ja sehr viele Verwerfungen im Vorfeld, wer die unabhängige Wahlkommission leiten soll. Sie wird sicher einigermaßen demokratisch ablaufen, aber das Ergebnis steht ja bereits fest, und viele Stimmen sind sicherlich gekauft.

Schwarz: Einigermaßen demokratisch – so demokratisch immerhin, dass die EU keine Wahlbeobachter mehr da hinschickt?

Kreissl-Dörfler: Ja, ich halte das für falsch, nur zwei Leute hinzuschicken. Das ist eine Alibifunktion. Ich hätte gerne gehabt, dass dort eine große Wahlbeobachtermission stattfindet, denn die NGOs vor Ort können das so nicht leisten. Ich war ja '92 selbst vor Ort mit der UNO und habe dort die Wahlen im Norden Angolas mitgemacht und mitgeleitet. Also das ist sicherlich Barroso zuschulden, die ja große Geschäftsverbindungen – also Portugal, Angola – haben. Hier soll auch untermauert werden, wie toll das Regime mittlerweile arbeitet, dass man Vertrauen in das Regime, sprich, in die MPLA hat. Aber ich halte es für falsch.

Schwarz: Dos Santos ist Staats- und Regierungschef in einer Person, das hat er in der Verfassung so festschreiben lassen. Bewegt sich denn Angola überhaupt auf dem Weg in die Demokratie?

Kreissl-Dörfler: Ja, es bewegt sich schon, aber sehr, sehr langsam. Es gibt immer mehr junge Leute, die jetzt nicht aus der Kriegsgeneration stammen, die hier sehen, was in anderen Ländern, im nördlichen Afrika passiert, die das so nicht mehr hinnehmen wollen. Aber die Repression ist schon noch gewaltig in Angola. Man muss ja auch sehen, dass sehr viele noch traumatisiert sind von den Kriegsfolgen. Es war ja ein sehr, sehr langer Bürgerkrieg zwischen der UNITA, die ja mit aller Härte unter Savimbi vorgegangen ist, aber die MPLA hat sich auch nichts geschenkt, sodass es zu hoffen ist, dass jetzt in den nächsten Jahren sich das verändert. Aber wenn die MPLA gewinnt – und es sieht so aus –, dann wird dos Santos ja die nächsten zehn Jahre wieder dran sein und er wird seine Nachfolge übergeben, und die Familienclans bestimmen dort das Leben.

Schwarz: Woran liegt es denn, dass die Bevölkerung so in überwiegender Mehrheit diese MPLA wählt, trotz wuchernder Korruption und Vetternwirtschaft im Land?

Kreissl-Dörfler: Ja, sie hoffen natürlich, auch etwas abzubekommen. Das ist wie in allen Systemen dieser Art und Weise. Man will ja lieber auf der Position, auf der Seite der Gewinner sein, um zu hoffen, man bekommt irgendwas, und die Clans verteilen natürlich auch. Ja, es werden Wahlversprechungen gemacht, wir kennen das ja auch, aber nicht in dieser Härte, und so hoffen sie, dass sich doch etwas verbessert. Aber wenn man sieht, dass 50 Prozent der angolanischen Bevölkerung mit weniger als einem Dollar auskommen muss, dass die Infrastruktur in Luanda eine einzige Katastrophe ist, das war es schon immer, dass die Minen noch nicht geräumt sind, dass die Landwirtschaft vernachlässigt wird – also da ist erst mal wenig Hoffnung da. Aber wir haben ja auch nie geglaubt, dass sich in Ägypten, in Tunesien, in Libyen mal was ändern wird.

Schwarz: Sie waren, Herr Kreissl-Dörfler, ja zu Beginn der Amtszeit von dos Santos Mitte der 80er-Jahre selbst längere Zeit in Angola, später dann noch mal – Sie haben das erwähnt – als Wahlbeobachter. Was hat sich denn in diesem Land seither getan?

Kreissl-Dörfler: Es ist sicherlich manches besser geworden, gar keine Frage. Nur die Korruption ist weltweit mit an der Spitze. Die Erziehungsmaßnahmen, die Schulbildung, das Gesundheitssystem – das ist eine einzige Katastrophe. Das muss man einfach leider so benennen. Nur: Es ist ein aufstrebendes Land, alle anderen Länder hoffen, am Ölreichtum partizipieren zu können, da sind natürlich Diamanten da, aber die Umbundus und die Ovimbundus sind hier natürlich immer noch nicht so grün, wie es sein sollte.

Schwarz: Sie haben Barroso und die EU bereits erwähnt. Es ist ein rohstoffreiches Land, das sich ja auch auf internationale Handelsbeziehungen verlassen kann. Wird, wer mit diesem Land Handel betreibt, selbst Teil des korrupten Systems?

Kreissl-Dörfler: Ja, selbstverständlich, anders geht es überhaupt nicht. Wir haben in Deutschland auch bewusst im Bundestag – also nicht wir, aber die Regierung – entschieden, dass es keinen Korruptionsparagrafen bei uns gibt. Ohne Korruption, ohne Versprechungen, ohne Leute, die einen einführen in das System, bekommt man dort nichts geregelt. Um allein eine Wohnung in Angola, in Luanda zu bekommen, muss man schon mal 20.000, 30.000 Dollar auf den Tisch legen, denn die Infrastruktur ist sehr, sehr prekär, also ohne Schmiergeld geht überhaupt nichts.

Schwarz: In den USA sind gerade schärfere Gesetze für den Rohstoffhandel mit solchen Regimen wie mit Angola erlassen worden. Das muss transparent gemacht werden in Zukunft. Ist das ein Vorbild auch für Deutschland und die EU?

Kreissl-Dörfler: Das wäre auf alle Fälle ein Vorbild. Wir haben ja keine Transparenz, es wird auch immer wieder kritisiert, wie denn die Deals zustande kommen, wie die Verträge aussehen, wo welches Geld hingeflossen ist. Es wäre dringend notwendig, ... Man muss natürlich auch wissen, dass die USA mit einer der Hauptnutznießer dieses Systems im Ölbereich in Angola sind.

Schwarz: Welche Verträge hat denn Deutschland mit Angola?

Kreissl-Dörfler: Es sind verschiedene Firmen, die natürlich auch dort tätig sind. Wir partizipieren ja auch von dem Rohstoffreichtum. Die Regierung deckt das, indem wir ja keinen Korruptionsparagrafen haben. Also wenn jetzt eine deutsche Firma in Angola schmiert, dann ist das wirkungslos, das wird hier nicht bestraft. Deutsche Firmen haben das auch jetzt mittlerweile beklagt, dass wir im internationalen Ranking hier zurückfallen. Aber wie gesagt, Angola hat Diamanten, Öl, Kupfer, es ist ein unglaublich reiches Land, und da geht es eben derzeit nur über Korruption.

Schwarz: Wolfgang Kreissl-Dörfler – SPD-Europaabgeordneter und im Auswärtigen Ausschuss – über die heutigen Wahlen in Angola. Herr Kreissl-Dörfler, vielen Dank für das Gespräch!

Kreissl-Dörfler: Ja, herzlichen Dank!

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