Viele Bedenken gegen die alten Pfade

Rezensiert von Martin Hyun · 28.04.2013
Die Mitglieder des Club of Rome sorgen sich um die Nachhaltigkeit des Finanzsystems. Sie haben nun eine Art Bestandsaufnahme der Finanzkrise vorgelegt und gleichzeitig Alternativen aufgezeigt. Allerdings ist ihr Bericht keineswegs die angekündigte Roadmap für den Wandel.
Sie bezeichnen das internationale Finanzsystem als monopolistisch, hierarchisch und vor allem als überholt. Es sei für 425 Krisen im Zeitraum zwischen 1970 und 2010 verantwortlich, aufgeteilt in 72 Staatsinsolvenzen, 145 Bankpleiten und 208 Währungszusammenbrüche.

Die Autoren des Club of Rome sehen die Wurzeln allen Übels in kurzfristigem Denken, aber auch darin, dass Humankapital vernichtet und auf ungerechte Weise Reichtum konzentriert werde.

"Das vorherrschende monetäre System fördert die Multiplikation von Geld und destabilisiert damit das spekulative Investment, statt dem produktiven Investment zu dienen, das Arbeitsplätze schafft, Realeinkommen steigert und die Gleichheit der Gesellschaft voranbringt",

so Ivo Šlaus, als Präsident der World Academy of Art and Science gleichsam wissenschaftlicher Schirmherr des Berichts. Und der fängt vielversprechend an.

In leicht verständlicher Sprache wird die jüngste Finanzkrise beschrieben. Also erwartet der Leser, dass dies auch auf den folgenden 300 Seiten so fortgeführt wird. Schließlich suggeriert der Titel "Geld und Nachhaltigkeit. Von einem überholten Finanzsystem zu einem monetären Ökosystem", es würden Patentrezepte geliefert. Aber eine solche Erwartung wird bald enttäuscht:

"Wir sind uns jedoch vollkommen bewusst, dass die Vorschläge in diesem Text nicht alle Antworten und Lösungen liefern können. Wir fordern vielmehr dazu auf, über Ansätze nachzudenken, deren Möglichkeiten bis heute noch nicht ausreichend erkundet worden sind."

Spätestens an dieser frühen Stelle wird klar, dass der Bericht auch kürzer hätte ausfallen können - nach der alten Weisheit "Qualität vor Quantität". Mal verfallen die Kapitel in ein Fachchinesisch, das für Außenstehende schwer verständlich ist. Mal erwecken sie den Anschein, in Makroökonomie einführen oder Wirtschaftsgeschichte schreiben zu wollen.

Nicht Müde werden die Autoren zu betonen, das Finanzsystem müsse nachhaltig werden. So räumt Dennis Meadows, der Altmeister des Club of Rome, in einem Vorwort ein, lange nicht über das Geldsystem nachgedacht, sondern es als etwas Selbstverständliches, als einen neutralen und unvermeidlichen Aspekt unserer Gesellschaft angesehen zu haben.

"Inzwischen weiß ich, dass das vorherrschende Finanzsystem in fünffacher Hinsicht mit Nachhaltigkeit nicht zu vereinbaren ist: Es bewirkt in der Wirtschaft Zyklen von Boom und Bankrott, es erzeugt ein kurzsichtiges Denken, es erfordert ein Wachstum ohne Ende, es konzentriert den Reichtum und es vernichtet Sozialkapital".

Demgegenüber legen die Autoren ihren Analysen die "Charta" des Weltgipfels von Rio 1992 zugrunde - mit folgenden Prinzipien:

"Achtung und Fürsorge für die gesamte Gemeinschaft des Lebens. Ganzheit der Ökosysteme, soziale und ökonomische Gerechtigkeit. Demokratie, Gewaltlosigkeit und Frieden."

Generationen von Ökonomen, Bankern und Politikern werfen sie vor, für das Finanzsystem erst falsche Spielregeln geschaffen, dann diese nie kritisch überdacht, sondern immer wieder verteidigt zu haben.

"Alle ökonomischen Denkschulen sehen die monopolistische Schaffung und Verbreitung einer einzigen Währung als gegeben an. Sie wird genauso wenig infrage gestellt wie die Tatsache, dass sich ein Mond um den Planeten Erde dreht."

So wie einst Dennis Meadows würden die dermaßen Kritisierten an einem monetären blinden Fleck ihrer wissenschaftlichen Sehkraft leiden. Ihnen und anderen empfiehlt das Autorenteam des Club of Rome als Pflichtlektüre erstens die Arbeiten des britischen Wirtschaftshistorikers Arnold Toynbee.

"Toynbee hat 21 Zusammenbrüche ganzer Zivilisationen dokumentiert, für die es nur zwei Ursachen gebe: eine zu große Konzentration von Reichtum und eine Elite, die nicht bereit war, auf sich verändernde Verhältnisse zu reagieren und neue Prioritäten zu setzen, bevor es zu spät war."

Und zweitens empfehlen sie den amerikanischen Evolutionsbiologen Jared Mason Diamond zu lesen:

"Diamond befasst sich mit der Schädigung der Umwelt als unmittelbarer Ursache für Zivilisationszusammenbrüche.

Gegenwärtig droht uns ein Zusammenbruch aufgrund aller drei dieser Ursachen, und zwar gleichzeitig. Und die Geschichte lehrt uns, dass nicht einmal Eliten in einer zusammenbrechenden Zivilisation geschützt sind."


Und dieser endgültige Zusammenbruch werde kommen. Ein weiteres Mal könnten Banken, Anleger und Sparer nicht gerettet werden, weil sich alle Länder, die von der Finanzmarktkrise betroffen waren, massiv verschuldet hätten. Um öffentliche Haushalte zu sanieren, seien außerdem Ausgaben stark gekürzt worden, was den Konjunkturabschwung nur noch verlängern würde.

"Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es daher in naher Zukunft zu gewaltsamen sozialen Unruhen und zum reihenweisen Rücktritt von Regierungen ebenso wie zu autoritären und nationalistischen Reflexen kommen.

Selbst wenn der Euro zusammenbricht, wird nur eine Alternative in Betracht gezogen: die Rückkehr zu einem System nationaler Monopole, jeweils mit einer nationalen Währung, die durch Bankschulden geschaffen wird."


Sich auf nur eine Währung - egal ob national oder europäisch - zu verlassen, sei der falsche, mehrfach gescheiterte Ansatz. Das "monetäre Ökosystem", das die Autoren entwerfen, arbeitet dagegen mit verschiedenen - parallel laufenden - Währungen oder Geldeinheiten.

"Dies würde für größere strukturelle Vielfalt sowohl bei den Zahlungsmitteln wie bei den Instituten, die sie erschaffen, sorgen.
Solche komplementären Arrangements würden auch den außergewöhnlichen Würgegriff lockern, in den das Bankensystem inzwischen Staaten und die gesamte Wirtschaft nimmt."


Da ließen sich beispielsweise "Wellness Token" durch gesunde Lebensweise verdienen. Mit jedem Besuch eines Fitnessstudios wachse dabei ein Guthaben, das zweckgebunden, also gesundheitsfördernd, wieder ausgegeben werden könnte - ein Bonussystem, das bereits von vielen Krankenkassen angewandt werde.

"Wir haben nie behauptet, dass ein monetäres Ökosystem ausreichend wäre, um die heutigen Herausforderungen anzugehen. Wir hoffen jedoch, gezeigt zu haben, dass ein Überdenken unseres Geldsystems ein notwendiger Teil jeder Lösung ist. Dies ist die Kernbotschaft dieses Berichts."

Und diese Kernbotschaft enttäuscht, wenn selbst die Finanzexperten des Club of Rome vom Erfolg eines monetären Ökosystems nicht recht überzeugt sind. Sie liefern - anders als angekündigt - eben keine "Roadmap für den Wandel des Finanzsystems".

Cover: Bernard Lietaer, Christian Arnsperger, Sally Goerner, Stefan Brunnhuber: Geld und Nachhaltigkeit. Von einem überholten Finanzsystem zu einem monetären Ökosystem
Cover: Bernard Lietaer, Christian Arnsperger, Sally Goerner, Stefan Brunnhuber: Geld und Nachhaltigkeit. Von einem überholten Finanzsystem zu einem monetären Ökosystem© Europa Verlag
Bernard Lietaer, Christian Arnsperger, Sally Goerner, Stefan Brunnhuber: Geld und Nachhaltigkeit. Von einem überholten Finanzsystem zu einem monetären Ökosystem
Ein Bericht des Club of Rome

Europa Verlag, Berlin April 2013, 330 Seiten, 19,99 Euro
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