Victor Klemperers Nachkriegstagebücher (3/4)

September 1945

Der Romanist und Philologe Victor Klemperer in einer zeitgenössischen Aufnahme. Er wurde am 9. Oktober 1881 in Landsberg (Warthe) geboren und ist am 11. Februar 1960 in Dresden gestorben.
Der Romanist und Philologe Victor Klemperer (1881 - 1960) auf einer zeitgenössischen Aufnahme. © picture alliance / dpa / Fotoreport Aufbau Verlag
Gelesen von Gerry Wolf · 19.07.2015
Die Stimmung von Victor Klemperer schwankt. In einem deindustrialisierten, agrarischen Deutschland wäre wohl kein Platz für einen Professor der Romanistik. Andererseits umwirbt man ihn.
Ein großer Mann sei er sicherlich, versichert der sowjetische Direktor des Schlachthofs dem Gast, der sich zögernd, getrieben vom Hunger, bei ihm eingefunden hat, doch helfen könne er ihm nicht. Demütigende Stunden hat Victor Klemperer auf diese Abweisung warten müssen. Glücklicherweise ackert Eva fleißig im Garten des Dölzschener Hauses, glücklicherweise gibt es Freunde und Nachbarn.
Klemperer liest derweil in seinen Aufzeichnungen und hält die Augen offen. Bei einem Konzertbesuch stellt er entsetzt fest, dass das Programm aus politischen Gründen ausgehöhlt wurde. Hoffnung macht ihm der "Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands", eine überparteiliche Sammlungsbewegung für Intellektuelle, in der er seit Ende August mitarbeitet.
Klemperer hält den ersten Vortrag seit zehn Jahren, und er besucht eine Sitzung der KPD. Seine Stimmung schwankt. In einem deindustrialisierten, agrarischen Deutschland wäre wohl kein Platz für einen Professor der Romanistik. Andererseits umwirbt man ihn.
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