Vesper mit Polizeischutz

Von Christian W. Find · 25.06.2011
Im Rahmen des Christopher Street Days gab es in Berlin dieses Jahr mehrere ökumenische Gottesdienste. Theologisch-konservativen evangelikalen Bekenntnisbewegungen werfen den Verantwortlichen "öffentliche Gotteslästerung" vor.
Schon vor der ökumenischen Vesper zum lesbisch-schwulen Stadtfest hagelte es Proteste:

"Es gab Beschwerden bei den beiden Bischöfen, also dem katholischen und dem evangelischen, es gab bei der Generalsuperintendentin und bei den Superintendenten hier im Bereich Beschwerden und es war auch grenzwertig, also es gab jetzt auch im Netz bis hin zu Fantasien, wie man uns denn umbringen könnte, Schilderungen, die dann biblisch begründet wurden. Der Gottesdienst wird polizeilich geschützt, das ist leider so, wir müssen aufpassen, dass niemandem hier was passiert, es ist gedroht worden, dass der Gottesdienst gestört werden soll. Wir sind, denke ich, in dieser Auseinandersetzung gestählt und es ist an uns, das Beste daraus zu machen."

Der protestantische Theologe, Frater Franziskus, ist Gründer des ökumenischen Rogate-Klosters St.Michael zu Berlin. Rogate, eine Gemeinschaft, die vorerst in der Schöneberger Zwölf-Apostelkirche angesiedelt ist, hatte in diesem Jahr zu der Feier eingeladen. Auch wenn die Kirchengemeinde das Vorhaben einer Vesper für Lesben und Schwule grundsätzlich sehr begrüßte, gab es doch Bedenken, vor allem aus dem Gemeinderat.

"An Detailfragen merke ich manchmal, wo da noch eine Blockade ist. Also die Frage, darf in der Nähe des Altars eine Regenbogenfahne hängen, dass die dann plötzlich zu einem Riesenthema wird, finde ich erstaunlich und mühsam, aber das zeigt mir immer wieder, wir müssen Leute an die Hand nehmen und müssen dann so stark mit ihnen arbeiten, dass sie es dann verstehen lernen. Früher hätte ich beispielsweise mit bestimmten fundamentalistischen Kreisen nicht zusammenarbeiten können, heute kann ich’s, weil auch auf der anderen Seite die Erkenntnis gewachsen ist, wir können uns akzeptieren, es gibt Grenzen, aber es gibt Verbindendes und das wollen wir betonen."

Mit ihrer "Erklärung gegen sogenannte Gottesdienste" im Vorfeld des Christopher Street Days hatten vier evangelikale Bekenntnisbewegungen scharfe Töne angeschlagen - von Gotteslästerung war da die Rede. Bei Nachfrage klangen sie tatsächlich versöhnlicher:

"Das ist das Problem eines Textes, der kurz und dicht formulieren muss, aber die positive Zielaussage, die Aufgabe der Kirche aus dem Liebesgebot - aufgetragen ist der Kirche die Zuwendung auch zu homosexuell empfindenden Menschen - das muss in intensiver, ergänz ich jetzt mal, intensiver, auch langfristiger persönlicher Zuwendung geschehen."

Rolf-Alexander Thieke ist ein ehemaliger Pfarrer und Religionslehrer der badischen Landeskirche. Thieke wirkt im Gemeindenetzwerk mit, einem Teil der evangelischen Bekenntnisbewegungen. Die Kritik gegen Gottesdienste für Schwule und Lesben, so betont er immer wieder, ziele in erster Linie nicht gegen den CSD in seiner ursprünglichen Idee als "Bürgerrechtsbewegung", sondern gegen seine anzügliche öffentliche Selbstdarstellung. Das könne die Kirche, seine Kirche, nicht einfach mit Gottesdiensten absegnen.

"Ich sehe die Gefahr, dass hier ein Zuckerguss über vieles gegossen wird, was den Menschen und der Schwierigkeit der anspruchsvollen Aufgabe in der seelsorgerlichen Begleitung nicht gerecht wird. Früher ist die Kirche durch Übergehen der Probleme und durch Moralisieren schuldig geworden, also auch eiskalt, ja, heute wird die evangelische Kirche, oder Teile der evangelischen Kirche, muss man fairerweise sagen, werden schuldig dadurch, dass sie einfach naiv mitmachen, das, was sich im staatlichen Bereich als eine Lebensmöglichkeit ergeben hat, kritiklos, unkritisch naiv übergehen und absegnen wollen."

Zur Schöneberger Vesper war trotz der öffentlich formulierten scharfen Kritik und den Drohungen, den Gottesdienst zu stören, auch Prominenz gekommen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse wirkte selbst bei der Schriftlesung und den Fürbitten mit.

"Ich finde das ein bisschen traurig, und ich vermute, das hat mit Ängsten zu tun, wie ja offensichtlich der Umgang mit Sexualität und ihren Variationen immer auch noch angstbesetzt ist und vorurteilsbesetzt ist."

Schließlich hingen dann doch noch zwei große bunte Fahnen, wenn auch nicht in der Nähe des Altars, sondern von den beiden Seitenemporen der Zwölf-Apostelkirche. Die Predigt der Superintendentin, Birgit Klostermeier, drehte sich um dieses Symbol. Der Regenbogen als Zeichen für Versöhnung Gottes mit den Menschen ist theologisch gesichert, aber stellt er neuerdings auch kirchliche Vielfalt dar? Ist in der Kirche Platz für Lesben und Schwule?

"Was Sie eben angesprochen haben, ist ja eine schöpfungstheologische Frage. Und die ist eben lange anders beantwortet worden. Und die evangelische Kirche hier in Berlin, Brandenburg, Schlesische Oberlausitz sagt zum Beispiel dazu, dass wir andere Erkenntnisse haben, von denen wir davon ausgehen müssen, dass die Sexualität schon vorbestimmt ist. Das ist eine ganz andere Position als die, die man bis vor noch einigen Jahren hatte. Das ist natürlich eine starke Veränderung im Denken."

Und dabei möchte die Superintendentin sowohl mit den fortschrittlichen als auch mit den konservativen Kräften im Gespräch bleiben.

"Also ich finde, beide haben recht. Sowohl die eine Seite, die sagt, die Kirche ist zu langsam, das hat aber auch damit zu tun, dass gesellschaftliche Entwicklungen eben sehr rapide sind, und die anderen haben recht, indem sie sagen, es ist theologisch noch nicht wirklich durchdrungen, es gäbe noch sehr vieles, sehr viel klarer zu machen, das braucht Zeit, das geht eben nicht so schnell, wie die Entwicklungen fortschreiten."
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