Verteidigung eines verhassten Schriftstellers

Von Jörg Plath · 24.07.2006
Maxim Biller teilt gerne und gnadenlos aus. Insofern hat der deutsch-jüdische Schriftsteller im deutschen Literaturbetrieb mehr Feinde als Freunde. Dennoch setzen sich derzeit sehr viele seiner Kollegen für ihn ein, da ihm eine Schadensersatzklage von seiner ehemaligen Geliebten und deren Mutter droht, die ihn in den Ruin treiben könnte. Diese sahen ihre Persönlichkeitsrechte durch Billers letzten Roman "Esra" verletzt.
Er schwingt die Geißel über der deutschen "Schlappschwanz-Literatur", er piesackt die bräsigen Deutschen, und er schurigelt die spießigen deutschen Juden. Einen Skandal in Ehren lässt sich der Schriftsteller und Journalist Maxim Biller nicht verwehren. Seine Devise: lieber hart als gerecht. In "Tempo", dem Zeitgeistmagazin der Achtzigerjahre, hatte Biller eine Hasskolumne, und in seinen Büchern "Väter und Verräter", "Wenn ich einmal reich und tot bin" oder "Harlem Holocaust" langt er bisweilen ordentlich zu.

In seinem letzten Erzählungsband "Bernsteintage" gibt es auch überraschend zärtliche Erinnerungen an die Kindheit in Prag, aber die Vorliebe für Blutgrätschen bleibt: Erst vor kurzem hat er einen Kritiker im Literarischen Colloquium Berlin als "Arschloch" beschimpft. Maxim Biller, der geistige Enkel Henryk M. Broders, hat mehr Feinde als Freunde im Literaturbetrieb. Alles andere würde den deutsch-jüdischen Polemiker, der nach dem gewaltsamen Ende des Prager Frühlings 1970 mit seinen Eltern nach Hamburg floh, wohl auch mit Abscheu erfüllen. "Wo es keine Feindschaften gibt", hat er einmal gesagt, "gibt es keine Moral. Und wo die Moral fehlt, fehlt die Kunst." Feindschaft - Moral - Kunst. Ein atemberaubender Dreischritt.

Was mag Biller nun davon halten, dass sich 100 Intellektuelle, Schriftsteller, Kritiker und Verleger für ihn einsetzen? In dem Aufruf "Freiheit der Kunst" warnen sie vor gleich dreifachem Ruin: dem Billers, dem der Literatur und dem der Kunstfreiheit. Zwei Frauen verklagen den Autor nämlich auf mindestens 100 000 Euro Schadensersatz. Seine ehemalige Geliebte und ihre Mutter hatten sich in Billers Roman "Esra" (2003) wieder erkannt und ihn verbieten lassen, weil sie durch Angaben zu Herkunft, Beruf und Auszeichnungen mühelos identifizierbar waren.

Biller und sein Verlag Kiepenheuer & Witsch scheiterten mit dem Argument der Kunstfreiheit. Denn "Esra" ist kein Schlüsselroman, sondern ein Schlüssellochroman: Nicht Personen des öffentlichen Lebens werden bloßgestellt, sondern Intimitäten von Privatpersonen in die Öffentlichkeit gezerrt. Manches sieht wie die Rache des ehemaligen Liebhabers aus.

Maxim Biller macht sein Leben zur Literatur. Insofern kann ihm die Schadensersatzklage, die am 9. August am Münchener Landgericht verhandelt wird, nur zum Vorteil ausschlagen. Die astronomische Summe allerdings, die Biller und sein Verlag zahlen sollen, gehört in die Sphäre der Schönen und Reichen - oder in die USA. Hierzulande haben deutsche Gerichte in den letzten Jahren zwar zunehmend öfter Passagen aus Sachbüchern und Prominentenbiographien verboten. Doch nicht einmal eine Ex-Geliebte von Dieter Bohlen konnte 50.000 Euro Schmerzensgeld erstreiten.

Biller wird wohl davonkommen, möglicherweise mit einer vierstelligen Summe wie üblich. Warum aber die hohe Geldforderung? Wollen die beiden Frauen den Ruin Billers, wie es im Aufruf heißt? Also schlichtweg Rache üben? Enttäuschte Liebe kann furchtbar sein: Biller hat sie vielleicht erstmals ebenbürtige Gegner beschert.