Verschwurbelte Schwärmerei

22.07.2013
Ausufernd und voll technischer Details huldigt der Journalist Ulf Poschardt mit dem Band "911" dem eigenen Fetisch. Für seine mitunter ermüdende Liebeserklärung an den legendären "Elfer" hat der bekennende Porschefahrer aber auch Spannendes im Zuffenhausener Firmenarchiv gefunden.
James Dean ist darin gestorben, Andreas Baader hat ihn geklaut und Jil Sander fährt ihn bis heute: Der Porsche gehört zu den ältesten und erfolgreichsten Sportwagen der Welt. Vor 50 Jahren wurde das Modell 911 auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt vorgestellt, heute gilt der "Elfer" als Inbegriff der Marke Porsche und ist als Coupé, Cabriolet und Targa noch immer auf dem Markt.

Diesem Fetisch hat der Journalist und Autor Ulf Poschardt sein neues Buch gewidmet. "911" ist eine ausufernde Liebesgeschichte voll technischer Details, aufgehübscht mit intellektuellem Namedropping von Baudrillard bis Barthes. Der bekennende Porsche-Fahrer Poschardt bezeichnet sein Buch als "Kulturgeschichte einer Romanze":

"Deswegen ist dieses Buch, für manch PS-ferne Leser, wohl auch ein kaum nachvollziehbarer Liebesdienst."

Doch ob nachvollziehbar oder nicht: Poschardt hat sich für sein Buch in die Tiefen des Zuffenhausener Porsche-Archivs begeben – und auch spannende Einblicke in eine exemplarisch deutsche Firmengeschichte zutage gefördert.

In zehn Kapiteln lässt Ulf Poschardt die Geschichte der Automobilikone Revue passieren. Von den Anfängen, die bis in den tiefsten Morast der deutschen Geschichte reichen: Porsche-Gründer Ferdinand Porsche kooperierte als Leiter der Panzerkommission mit den Nazis und profitierte wie alle Automobilhersteller besonders von Zwangsarbeitern in seinen Werkhallen. Bis zum global operierenden Unternehmen, das heute zum Volkswagenkonzern gehört. Dabei wird die erstaunliche Attraktivität dieses Rennwagens deutlich.

Er zieht gleichermaßen das "Establishment" wie die "Outlaws" an: So wurde das erste Porsche-Serienmodell von einer Frau gekauft - Jolanda Tschudi, die als Segelfliegerin Rekorde aufstellte und als Ko-Pilotin an Expeditionsreisen nach Afrika beteiligt war. Niemand entsprach weniger dem Bild einer "Trophäen-Frau", die in der biederen Porsche-Werbung der 1950er im Beifahrersitz Platz nahm (oder die lasziv ihre Unterwäsche einem Porsche präsentierte, wie in einer Werbung von 2007!).

Zumindest die Verpackung stimmt
Doch abseits der historischen Fakten gerät Poschardt schnell ins Schwärmen – und dann wird´s oft verschwurbelt. Etwa wenn der Autor in Anlehnung an den französischen Philosophen Michel Foucault von einer "Biopolitik des Sportwagens" schwadroniert, die "leichte, drahtige Menschen" präferiere. Poschardt resümiert: "Foucault war selbst Sportwagenfahrer und so ließe sich seine Idee des Lebens als Werk, das Schönheit und Stil zulässt, auch in Sachen Fortbewegung autobiographisch als eine Art individualisierte Befreiungsgeste werten – eine Emanzipation von der Biopolitik tumber Normierung." Mit Verlaub, die Foucaultsche Machttheorie zur Regulierung der Bevölkerung hat im tiefergelegten Porsche wirklich nichts verloren.

So ist Poschardts Ritt durch die Design-Geschichte eine Liebeserklärung an den "Elfer", die mitunter ermüdet. Vor allem, wenn er als Fan zum Feldzug gegen die "postmodernen Verzichtsapostel" ausholt, die per ökologischem Imperativ den Porsche-Fahrern den Spaß verderben wollen. Doch zumindest die Verpackung stimmt: Das Buch wird optisch gekrönt mit Vintage-Fotografien und einem schicken Layout, das dem reduzierten Porsche-Stil alle Ehre erweist. Eine vollmundige Hommage an einen Sportwagen, der bis heute als Inbegriff puristisch reduzierten Designs gilt.

Rezensiert von Tabea Grzeszyk

Ulf Poschardt: 911
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2013
296 Seiten, 22,95 Euro
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