Versandhandel

Die Risiken des Online-Shoppings

Symbolbild: Eine kleine Frauenfigur steht mit Einkaufswagen auf einer Tastatur
Es ist so bequem: Sich alle Waren einfach nach Hause liefern zu lassen. © dpa / picture alliance / Sven Hoppe
Von Michael Meyer · 16.12.2014
Der Umfang des Online-Handels sprengt alle Vorstellungskraft, eine Milliarde Pakete werden in diesem Jahr ausgeliefert. So bequem er ist, der Versandhandel hat Risiken für Händler, Innenstädte und Umwelt.
"Es gibt einen Ort, wo deine Träume wahr werden... Wo du in vielen Ecken Neues und in vielen anderen noch Neueres entdecken kannst. Und damit du immer das findest, was du haben möchtest, sind deine Möglichkeiten endlos. Dank über 30 Millionen Produkten - mein ein für alles...
Sabrina Capitani: "Ich kauf gern online ein, weil es Zeit spart und weil ich kriege was ich will. Wenn ich zum Beispiel Klamotten kaufen möchte, dann müsste ich rumrennen, dann haben die nicht meine Größe, nicht meine Farbe, oder das Kleid was ich in irgend einer Zeitschrift gesehen habe, ist überhaupt nicht da, und darauf habe ich überhaupt keinen Bock mehr, also setze ich mich an den Computer, ich kann gleich sehen, ob es in meiner Größe da ist, zack."
Die Deutschen lieben es, im Internet einzukaufen. In Europa liegen nur die Briten noch weiter vorne beim Online-Einkauf. Seit Jahren steigt der Anteil jener Waren, die per Mausklick bestellt werden. Bücher, Kleidung, Elektronik, CDs und DVDs werden am häufigsten online gekauft.
Online-Handel ist bequem
"Die Maus mit ihrer Haustür zu verbinden, war unsere Mondlandung. Und wenn wir uns etwas Neues für Sie einfallen lassen, dann ändert das wieder einmal alles. Ein kleines bisschen mehr. Schauen Sie sich um! Was uns früher unmöglich vorkam, ist heute völlig normal. Und was normal ist, machen wir gerne besser."
Hudertz: "Es hat mit ganz ganz vielen Faktoren zu tun, dass der Online-Handel so dramatisch zugelegt hat, und der wesentliche ist eigentlich Bequemlichkeit, es wird immer einfacher, es wird immer schneller, die Websites sind immer besser navigierbar, das heißt die Qualität des Online-Handels hat dramatisch zugenommen und das muss man auch sehen, wir sind da noch nicht am Ende der Fahnenstange."
Marketingaktionen wie die Online-Version des "Black Friday Sale" erhöhen zusätzlich die Aufmerksamkeit der Kunden: Diese aus den USA stammende Aktion, an dem an einem Tag im November viele Firmen ihre Waren gezielt deutlich billiger anbieten, hat im letzten Jahr über 200 Millionen Euro in die Kassen der Online-Händler gespült. Allein in Deutschland, und das an nur einem Tag. Aber auch in normalen Zeiten sind Firmen wie Zalando und Amazon – oder Auktionshäuser wie eBay in aller Munde. Selbst Prominente wie der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer bekennen sich öffentlich dazu, online einzukaufen:
"Ich bin ein ganz ganz intensiver Internetnutzer möchte ich hier mal gestehen. Das Einkaufen dort ist für mich etwas bekömmlicher, weil ich einen Marktüberblick habe, ich kann ja fast aus einem Laden nicht rausgehen, wenn ich ihn aufsuche, ohne was gekauft zu haben, beim Internet kann ich eben sagen: Auf Wiederschauen, und das ist ein Stück mehr Freiheit."
"Auf englische Bücher muss ich im Buchhandel ewig warten"
Das Argument der größeren Freiheit ist ganz offensichtlich wesentlich für Online-Einkäufer, auch für Sabrina Capitani. Sie ist Schriftstellerin, lebt am Rande von Berlin, könnte also durchaus in die Innenstadt fahren und dort shoppen gehen. Zwar sei das Einkaufen vor Ort ganz schön, aber der Vorteil des Online-Einkaufens überwiege, sagt Capitani:
"Angefangen hat es vor allen Dingen mit Büchern über Amazon, ich weiß, das ist verrufen, ich mach's trotzdem, ich kauf hauptsächlich englische Bücher, da muss ich ewig warten im Buchhandel, eh ich die kriege, kann's mir auch nicht gleich angucken, so kann ich es mir angucken aufm Bildschirm, krieg Leseproben, und deswegen habe ich angefangen ganz viel Bücher zu kaufen, Musik auch, und als nächstes Klamotten, weil es so gut gelaufen mit den Klamotten, habe ich mehr und mehr Sachen online gekauft und jetzt kaufe ich fast alles online, es tut mir leid für den Einzelhandel, ich weiß dass die drunter leiden, es tut mir besonders leid für den Buchhandel, weil mir sehr daran gelegen ist, aber was soll ich machen, meine Zeit ist endlich."

Besucher und Kunden am Eingang zum KaDeWe
Sie könnte in die Berliner Innenstadt fahren, um dort einzukaufen - die Schriftstellerin Sabrina Capitani bestellt trotzdem viel im Netz. © picture alliance / dpa / Manfred Krause
Capitani hat gute Online-Kauferfahrungen gemacht, auch mit den großen Plattformen, die einen schlechten Ruf haben, wegen übler Arbeitszustände und schlechter Bezahlung ihrer Mitarbeiter, aber auch weil sie zunehmend den Markt oligopolisieren – sprich: Es dadurch immer weniger Anbieter bestimmter Waren gibt.
"Über Amazon, ich muss leider das böse Wort wieder sagen, sind meine Kauferfahrungen sehr gut, da ist noch nie was schief gegangen, die Leute verpacken das ordentlich, und schicken es schnell, weil sie wissen, dass sie schlechte Bewertungen kriegen, wenn sie es nicht machen, das finde ich alles sehr prima. Und ich mag da auch, dass die von Anfang an eine professionelle Seite hatten, während die bei kleinen Anbietern die auch ihre eigenen Online-Seiten, da braucht man seine Weile um da hinzukommen und da sucht man seinen Einkaufswagen, wutsch, ist man rausgeflogen, das kann schon passieren, passiert aber immer weniger häufig, weil inzwischen es einfach bestimmte Standards gibt, ich habe da gute Erfahrungen mit."
Online-Handel ist für die Unternehmen oft ein Minusgeschäft
"Hey, die Dinger waren aber auch nicht ganz billig, oder? - Doch total! - So viel billig hat ein Zuhause: die riesige Elektronikauswahl im Netz, kauf online! Tauchen Sie ein in eine Welt voller Inspirationen mit weltweit über 800 Millionen Angeboten. Was immer Sie inspiriert und Freude bringt – es kann Ihnen gehören! Ich kann auch alles wieder zurückschicken, der Versand ist da kostenlos. Schrei vor Glück! Oder schick's zurück!"
Online-Handel, so praktisch er für die Kunden ist, ist für die Unternehmen nicht selten ein Minusgeschäft. Oder zumindest eines, das nur wenig Gewinn abwirft, selbst bei Firmen, die bereits lange Jahre im Markt sind, wie Amazon oder Zalando.
Einer jener Kostenfaktoren, die beim Onlinehandel stärker anfallen als beim normalen Einzelhandel, sind die Retouren. Passt nicht, gefällt nicht, oder man bestellt gleich mehrere Größen, vorsichtshalber. Vor allem Mode- und Schuhhändler leiden unter einer hohen Rücksendungsquote. Verstärkt wird der Trend noch durch bei jungen Konsumenten beliebten "Retour-Spielarten", zum einen das sogenannte "Wardrobing": Kleidung wird bestellt, einmal getragen und wieder zurückgeschickt – eine sehr eigenwillige Auslegung des Rückgaberechts.
Zum anderen sind im Netz immer stärker sogenannte "Fashion-Hauls" populär. Und die gehen so: Mädchen, meist im Alter von 16-20 Jahren, präsentieren vor der Kamera, was sie alles an Klamotten gekauft haben:
"Hallo, heute kommt mal wieder ein Haul, ich hatte euch ja in meinem letzten in meinem Mega-Follow-Me-Around hab ich euch ja gefragt, ob ihr ihn sehen wollt, weil ich in der letzten Zeit so ein bisschen was gekauft habe..."
Hohe Retourenquote ist das Problem
Auf diese Weise wird der schnelle Konsum, gerade in der Mode, noch befeuert. Und offensichtlich ist Teil dieses Trends eben auch: Nicht alles behält man, vieles wird wieder zurückgeschickt, was man und vor allem frau nicht haben will. Derlei Kaufverhalten findet man im stationären Einzelhandel allenfalls bei der irischen Mode-Kette "Primark".
Die hohe Retourenquote ist für die Onlinehändler jedenfalls ein Problem, meint Marktforscher Kai Hudertz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung in Köln:
"Die Retouren-Quote ist eines der Themen die dazu beitragen, dass Online-Handel vergleichsweise margenschwach ist. Wir dürfen aber nicht vergessen, das ist kein neues Problem, das haben die klassischen Versandhändler in Deutschland auch schon gehabt, über Jahrzehnte, die Ottos dieser Welt, und die sind damit auch klargekommen, man kann es schon hinkriegen, aber sehr große Renditen sind im Onlinehandel nicht zu erwirtschaften, da gibt es nur ganz ganz wenige Ausnahmen."
Des einen Leid, des anderen Freud: Aus Kundensicht stellt sich das Thema natürlich etwas anders dar. Die Kunden genießen es, Produkte kostenfrei zurückschicken zu können. Auch Sabrina Capitani schickt zurück, was nicht gefällt oder passt.
"Nur dann, wenn der Schnitt nicht dem entspricht, was ich auf der Seite gesehen habe, oder wenn's wirklich nicht gut aussieht, gibt's ja, sieht an nem Model Größe 36 gut aus – an mir... Oh Gott, oh Gott.... dann schicke ich es natürlich zurück. Ansonsten: Warum, ich such mir nur das aus, was ich wirklich will, und die Retouren schaden ja nicht nur dem Händler, sondern mir auch, denn der Händler holt sich das bei uns Kunden zurück. Also werde ich den Teufel tun und da Kosten verursachen."
In Zukunft werden sich Hybrid-Konzepte durchsetzen
Für den zunehmenden Anteil des E-Commerce am Handelsvolumen, im letzten Jahr betrug er in Deutschland gut acht Prozent, gibt es natürlich viele Gründe. Die Analysten des Instituts für Marktforschung in Köln haben in einer Studie ein paar Prognosen für den Online-Handel aufgestellt: Erster, wenig erstaunlicher Befund: Bis 2020 werden die Zahlen noch erheblich ansteigen, immer mehr wird online bestellt werden, sagt Kai Hudertz. Aber, zweiter wichtiger Befund, es werden sich auch immer mehr Hybrid-Konzepte durchsetzen, sprich: Unternehmen werden sowohl den Internet-Handel bedienen, wie auch Geschäfte betreiben:
"Die Verknüpfung von Online und Offline wird ein ganz zentraler Erfolgsfaktor für Einzelhandel hier auch sein. Ganz einfach weil es Konsumenten fordern, wir werden zunehmend die Erwartungshaltung haben von Konsumenten, ich kann WLAN kostenfrei in den Geschäften nutzen, ich kann online reservieren, und mir es in der Filiale abholen, ich kann online bestellen, ich kann es in der Filiale zurückgeben, ich kann aus der Filiale aus Sachen mir nach Hause liefern lassen, die vielleicht nicht vorrätig sind, oder für es mich bequemer ist, weil ich es nicht den Rest des Tages in der Stadt rumschleppen möchte, das werden Konsumenten einfach verlangen und wir sagen immer das Smartphone ist der Kitt zwischen den Kanälen, wird diese Entwicklung auch noch sehr stark getrieben durch die zunehmende Verbreitung von Smartphones."
Allerdings: Beide Kanäle zu bedienen, die sogenannte "Multi-Channel-Strategie", bedeutet auch mehr Aufwand. Von daher ist die Euphorie bei vielen Händlern über diese Entwicklung gebremst.
"Manche sagen Multi-Channel ist Multi-Problemo, sind auf jeden Fall zusätzliche Kosten, die hier auch entstehen, das gehört leider zu der unerfreulichen Wahrheit dazu, dass das hohe Anspruchsniveau der Kunden durchaus herausfordernd ist, was die Prozesse angeht und auch mit höheren Kosten auch verbunden ist, das ist absolut richtig."
"Ich gucke im Vorfeld online nach"
Es gibt allerdings auch Unternehmen, die nicht auf schnellen Konsum und möglichst viel Warenumschlag, sondern auf Nachhaltigkeit, auf langlebige Produkte setzen. Und dabei die erwähnte "Multi-Channel-Strategie" bedienen.
Manufactum ist eine jener Firmen, die zweigleisig fahren, also sowohl Läden betreiben, wie auch Versandhändler sind. Manufactum verkauft unter anderem Haushaltswaren, Kleidung, Möbel und Lebensmittel und setzt dabei konsequent auf beste Qualität. "Es gibt sie noch, die guten Dinge" lautet der Slogan. Auch der Katalog ist liebevoll gestaltet – die gedruckte Ausgabe des Warenangebots ist eine der letzten ihrer Art. Die Produkte kommen aus kleinen Fabriken, unter anderem auch aus Klöstern. Spötter meinen schon mal, Produkte wie Hirschleder-Etuis und Besen aus Rosshaar seien etwas altmodisch und nur etwas für die Besserverdienenden-Typus: Grünen-Wähler mit Beamtenstatus. In den Läden der Firma sieht alles sehr gediegen aus: Hier wird man keinen Grabbeltisch finden, sondern man sieht viel Holz, Naturmaterialien, edel verarbeitete Metalle. Außerdem ist es in den Läden auffällig still – keine nervige Hintergrundmusik stört das Einkaufserlebnis. Viele Kunden kennen die Website von Manufactum, gehen aber doch auch gerne in die Läden:
"Ich schaue mir gerne die Dinge nochmal vor Ort an, und lass mich ein bisschen inspirieren, ich guck zwar viel nach online, so im Vorfeld, ich gehe dann aber immer gerne in den Laden und schaue es mir vor Ort an, ob es wirklich von der Größe und Qualität meinen Vorstellungen entspricht. Produkte, die einfach teurer sind, da will man dann schon nochmal genauer gucken, was man dann so in Händen hält, wobei man insgesamt sagen muss, dass die Artikel alle sehr hochwertig sind. Ich könnt auch online bestellen, aber zum einen gehe ich sehr gerne in diesen Laden, die Eindrücke sind einfach physisch und sinnlich, da kann ich auch sehen und auswählen und zum anderen kann ich fragen, wenn ich Fragen habe, und werd beraten. Hätt ich auch gemacht, wenn ich's nicht in der Tat, weil es ein Weihnachtsgeschenk ist, mir vorher anschauen wollte, sonst hätte ich es wahrscheinlich online bestellt, weil ich sehr faul bin und mir alles online schicken lasse. Und dann schicke ich es wieder zurück, wenn's nicht passt."
Die Läden sind Werbung für den Versandhandel
Christoph Heinemann ist Geschäftsführer von Manufactum. Heinemann sagt, dass das Internet für seine Firma kein Spielzeug sei, sondern ein Medium der Information, auch des Rückkanals zum Kunden. Zwei Drittel seiner Kunden im Versandhandel bestellen übers Internet. Und doch: Man habe gemerkt, dass manche Kunden das Produkt vorher einfach mal sehen, mal anfassen wollen, gerade weil Manufactum deutlich höherpreisiger ist als andere Versandhändler.
"Also wir haben es am Anfang probiert, in dem wir ausführlich das Produkt beschrieben haben, also wir haben nicht gesagt: Ein Mörser, gusseisern, 3,2 Kilo, sondern wir haben dann beschrieben, wie das kalte Material sich in der Hand anfühlt, wie man den schweren Mörser bewegen kann, ich glaube, dass wir es unseren Kunden einfacher gemacht haben, die Sachen zu verstehen, aber natürlich bieten wir inzwischen in den Läden an, die Sachen, die Dinge wirklich auszuprobieren und anzufassen und das ist sehr unterschiedlich von Mensch zu Mensch, was er bevorzugt."
Bei einer Vielzahl von Produkten ist es natürlich nicht möglich, alles immer vorrätig zu haben im Laden:
"Wir probieren das, soweit es geht, bei Großteilen, gerade bei Möbeln ist es manchmal schwierig, aber wenn Sie ein Produkt bei uns im Laden nicht bekommen, dann schicken wir es Ihnen kostenlos nach Hause, aus dem Laden heraus, damit Sie nicht nochmal in die Stadt kommen müssen, wenn Sie das wünschen. Sie können es natürlich auch abholen, und das ist natürlich die interessante Tendenz, wenn man eben die drei Vertriebskanäle mit Internet, dem klassischen Katalog und den Läden hat, wie man diese miteinander kombiniert, um den Nutzen für den Kunden am größten zu gestalten."
Die Läden sind gewissermaßen auch eine Werbung für den Versandhandel. Manufactum genießt sicher Vertrauen bei seinen Kunden, jedoch hat auch diese Firma mit den Rücksendungen, den "Retouren", zu tun. Bei der Bekleidung sind es bis zu 70 Prozent, die wieder zurückgehen. Ein ganz normaler Wert in der Branche, erzählt Christoph Heinemann, bei den anderen Warengruppen sei es aber bedeutend weniger.
"Wir haben allerdings schon festgestellt, dass früher die Kunden sich mehr vorher die Gedanken gemacht haben, was sie kaufen, und heute vielleicht gerade im Textilbereich der Versandhandel so als "Gang in die Umkleidekabine' betrachtet wird, wo man dann eben einfach das was nicht gefällt oder nicht passt wieder zurückschickt."
Teleshopping ist mittlerweile ein Milliardenmarkt
Ist Manufactum für die gutbetuchten Qualitätsshopper, so ist das Teleshopping eher am anderen Ende der Einkommensskala angesiedelt. Dort macht es die Masse. Anfangs noch belächelt, ist dieses Segment mittlerweile ein Milliardenmarkt. Über ein Dutzend Kanäle buhlen in Deutschland rund um die Uhr um Aufmerksamkeit und Kundschaft.
Waren im Wert von 1,7 Milliarden Euro werden voraussichtlich in diesem Jahr verkauft, 30 Prozent davon online, der Rest übers Telefon. Und Experten gehen davon aus, dass der Markt noch immer nicht ganz ausgereizt ist.
Hierzulande ist QVC der Marktführer mit über 50 Prozent Anteil am Teleshopping-Versandhandel. QVC wurde 1986 in den USA gegründet und steht für "Quality, Value, Convenience", also etwa: Qualität, günstiger Preis und Bequemlichkeit.
68.000 Anrufe gehen jeden Tag ein, und 43.000 Pakete werden verschickt. Im Studio selbst sieht das dann so aus: Die beiden Moderatorinnen präsentieren gerade weihnachtlich – winterliche Bettdecken - während im Hintergrund, für die Zuschauer unsichtbar, sich Assistenten über das nächste Bett hermachen, das für die nächste Präsentation gebraucht wird:
"Es ist einfach ein ganz ganz tolles Gefühl, diese Winterengel-Bettwäsche, das kommt noch dazu..."
Nichts wird dem Zufall überlassen: Im Regieraum wird auf einem Bildschirm genau erfasst, wie viele Anrufe eingehen, und wie viel online bestellt wird – das Ganze hat etwas vom gläsernen Kunden. Wenn ein Produkt nicht ganz so läuft, wird die Präsentation schon mal verlängert, um doch noch mehr zu verkaufen, erklärt ein Studioleiter:
"So steuern wir eine Sendung, das macht der Line-Producer, der entscheidet quasi, wie lange zeige ich ein Produkt, also nach der vorgegebenen Zeit, kürze ich es oder verlängere ich es, wenn wir auf Sendung sagen, wir haben nur noch 5000, oder wir haben in der Farbe braun, Größe x nur noch 1300 dann stimmt das."
QVC hat 18.000 Produkte im Sortiment - nur ein Bruchteil wird live präsentiert
In der Vergangenheit wurde den Teleshoppingsendern schon mal vorgeworfen, künstlich Druck auszuüben, auch die Produktqualität und Preisgestaltung wurde von Stiftung Warentest kritisch gesehen. Doch diese Kritiken sind schon etliche Jahre alt, wie es scheint, haben die Teleshoppingsender, und auch QVC dazugelernt.
Von den 18.000 Produkten, die QVC im Sortiment hat, werden nur ein paar wenige live präsentiert, man selektiere, erklärt Verkaufsleiter Ronald Kaeding:
"Also, wenn Sie heute in den Elektronikmarkt gehen und wollen ein Navigationssystem kaufen, stehen Sie vor 40 Stück. Bei QVC würde das in dem Vergleich bedeuten, wir schauen uns auch die Navigationssysteme an, wir schauen und auch womöglich die 40 an, und sagen dann, was ist beim Preis-Leistungsverhältnis das Beste. Hier ist mir wirklich wichtig, dass bei QVC das 'V' für 'Value' steht, also nicht für das Günstigste oder Billigste, sondern eher fürs beste Paket."
Mit anderen Worten: Bei QVC sind in der Regel noch Zusatzangebote dabei, in dem Beispiel Navigationsgeräte könnten das sein: Eine Tasche und ein Kabel, Kartenupdates, längere Garantiezeit oder ähnliches. Über all das kann man dann On Air gut und lange erzählen – nicht unwichtig beim Teleshopping.
Bei all dem muss man berücksichtigen, dass das QVC-Publikum zu 80 Prozent weiblich ist. Danach richtet sich absolut alles: Produktauswahl, Präsentation und Preisgestaltung.
"Das durchschnittliche Alter ist 50 im Teleshoppingbereich, wobei wir durch immer weiter ansteigende Umsätze im Web jünger werden, weil der durchschnittliche Webkunde gut zehn Jahre jünger ist."
QVC verfolgt keine klassische "Multi-Channel-Strategie" - der Schwerpunkt wird immer auf Versandhandel liegen, aber, vielleicht wird man hier und da dann mal einen Laden aufmachen, meint Ronald Kaeding:
"Ob es in großen Metropolen mal interessant sein kann, einen großen Flagshipstore zu machen, vielleicht, dann muss ich aber ehrlich sagen, sind es eher Imagegründe womöglich, aber auf der breiten Masse jetzt die Fläche zu bedienen 18.000 Artikel krieg ich in keinen Laden rein."
Mehr als eine Milliarde Pakte werden pro Jahr in Deutschland ausgeliefert
Damit die schöne neue Welt des Onlinehandels reibungslos funktioniert, bedarf es natürlich auf dem letzten Meter eines ausgeklügelten Logistiksystems, egal, was da nun ausgeliefert wird. Drei Firmen teilen sich hauptsächlich den Markt der Paketlieferungen in Deutschland auf: Hermes, UPS und DHL. Über 1 Milliarde Pakete werden jährlich allein von DHL in Deutschland ausgeliefert – nicht alle davon sind Online-Lieferungen, aber eben doch viele. Unzählige Fahrer sorgen dafür, dass die Ware auch an den Endverbraucher gelangt. Einer davon ist Joachim Grunwald, 180 Pakete fährt er im Schnitt pro Tag in Berlin aus:
"Vor Weihnachten sind ja fast die doppelten Stückzahlen, und dann können wir natürlich mit der doppelten Menge rausfahren, dann würden wir es ja nicht schaffen. Das heißt, je mehr Sendungen sind, desto kleiner werden die Bezirke geschnitten, also das ist saisonal so, also vor Weihnachten werden die Bezirke kleiner, dafür immer mehr Sendungen, dass wir es dann schaffen können, also leisten können. Es gibt die Paketsparte, da ist die Obergrenze 31, 5 Kilo, und da gibt's schon einige, also viele bestellen ihr Katzenstreu und ihr Katzenfutter, also die Dosen die sind dann wirklich so gepackt, dass die wirklich die Obergrenze haben, aber das ist der Sinn der Sache, dass die das selber nicht hochtragen müssen, das die das bestellen und das wir das dann für die machen. Deshalb haben wir so eine Sackkarre, es sind ja immer gemischt, so große und kleine, kleine, die passen in den Briefkasten."

Mitarbeiter im Paketzentrum Rostock sortieren Pakete.
Mehr als eine Milliarde Pakete müssen in Deutschland pro Jahr ausgeliefert werden - eine gigantische logistische Leistung. © picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck
Joachim Grunwalds Job ist einer mit Zukunft. Jedes Jahr müssen 10 Prozent mehr Pakete ausgeliefert werden.
"In der Zustellung sieht man es natürlich dadurch, dass wir immer mehr Bezirke haben. Also früher hatte ich ein Riesengebiet, was ich bedienen musste, da waren pro Straße eben wenig Sendungen, und jetzt ist die Straßen einfach dichter geworden, sind mehr Sendungen pro Straße, für die Zustellung hat es den Vorteil dass es auch einfacher wird. Ein bisschen einfacher, man geht ins Haus nicht mit einer Sendung, sondern mit drei Sendungen ins Haus und kann dann immer zwischen den Nachbarn kommunizieren, nehmen Sie das für den auch noch ab, also so läuft das."
"Hallo würden Sie für Frau Schäuble ein Päckchen abnehmen? - Waren Sie schon da? - Ich war eben drüben aber da ist niemand."
Pakete für Privatpersonen auszuliefern ist besonders zeitaufwändig
Trotz allem ist die Auslieferung der Pakete kein Zuckerschlecken. Wenn man die Zahl der Pakete auf eine Schicht herunterrechnet, kommt man, je nach Auslastung, auf weniger als drei Minuten pro Paket. Da darf man nicht trödeln. Das Einstiegsgehalt liegt nach Angaben von DHL bei 13,72 Euro pro Stunde und ist damit deutlich höher als bei manchem Konkurrenten der DHL. Nicht nur der Lohn ist höher, auch die Arbeitsbedingungen, so ist immer wieder zu hören, sind bei Firmen wie Hermes deutlich härter. Aber dennoch: Auch bei DHL muss das Tagespensum geschafft werden.
Wenn viele Geschäftskunden auf einer Tour sind, dann geht es, erzählt Grunwald, denn die bekommen meist mehrere Sendungen, doch die Pakete für die Privatkunden können schon mal zeitaufwändig sein:
"All die Schwierigkeiten, die die Zustellung mit sich bringt, das Parkplatzsuchen, das Treppensteigen und das Tragen, die drei Sachen, ja, und das ist genau das, warum viele dann bestellen, das ist ja logisch, also ich würde es ja auch so machen. Es ist mir angenehmer, wenn es mir jemand hochträgt, als wenn man es selber schleppen muss, deswegen ist es natürlich so, dass, die Leute die oben wohnen dann lieber bestellen. Das ist meine These, aber vielen ist das dann auch unangenehm. Wenn sie sehen, dass ich das hochschleppe, ich bin da gewöhnt, ich kann das, mir macht es nicht so viel aus, wenn es jetzt nicht in jedem Haus 30 Kilo sind, aber das ist ja nicht."
Was viele übrigens nicht wissen: Man kann man die Pakete mit den Retouren auch dem Fahrer mitgeben – der ewige Prozess zwischen bestellen und dann wieder zurückschicken findet hier gewissermaßen seine Vollendung. Man müsste theoretisch zum Einkauf nie wieder sein Haus verlassen.
Joachim Grunwald fährt weiter, der Wagen mit den Paketen ist noch lange nicht leer – viele Kunden warten auf ihre Lieferung.
Ob Versandhandel die Umwelt belastet, ist unklar
Bei all dem stellt sich die Frage, welche ökologischen Folgen der boomende Versandhandel eigentlich hat. Er belaste die Umwelt, so zumindest eine Studie des Freiburger Öko-Instituts. Aber es ist nicht ganz so eindeutig. Thomas Bergmann hat sich in seiner Diplom-Arbeit mit dem Thema befasst. Bergmann ist Experte für Technischen Umweltschutz und gibt zu: Eindeutige wissenschaftliche Aussagen kann man zu dem Thema schwer machen.
"Für den Versandhandel ist es noch halbwegs überschaubar, da hat man einen relativ guten Überblick, wie die Transportprozesse funktionieren, und wie da so Entfernungen und Auslastungen sind, aber gerade wenn's ans Verbraucherverhalten geht, womit fahre ich so irgendwo hin, wie weit fahre ich dahin, bringe ich irgendwie mein Paket nochmal zurück oder bringe ich mein Produkt zurück, fahre ich mir das Produkt vielleicht vorher mal angucken, das sind alles Fragen und Entscheidungen, die den Vergleich wahnsinnig schwer machen."
Bergmann kann nur wenig harte Aussagen treffen: Auf dem Land sind die Entfernungen größer, da ist auch die Umweltbilanz schlechter – das gilt aber sowohl für die Fahrten, die man selbst zum Einzelhandel macht, als auch für die Fahrten der Paketzusteller. Die Auslieferungsfahrzeuge sind auf dem Land eben weniger gut ausgelastet als in der Stadt. Und: Wenn man alles zusammenrechnet, kommt der Versandhandel zumindest auf keine schlechteren CO2-Emissionswerte, als wenn jeder selbst mit seinem Auto zum Einkaufen fährt. Die Rechnung ist eben ganz schwierig und mit vielen Variablen versehen. Einen Tipp mag Thomas Bergmann aber doch den Verbrauchern geben:
"Eine sehr effektive Maßnahme ist, dass ich eben nicht den Expressversand benutze und nur benutze im Extremfall wenn ich darauf angewiesen bin, denn zum Beispiel die Deutsche Post hat ein eigenes Liefernetzwerk für den Expressversand und die Auslastung in den Fahrzeugen ist geringer und dadurch entstehen einfach wesentlich mehr Emissionen."
Versandhandel lässt die Innenstädte veröden
Ansonsten gilt wohl: Versandhandel schadet zwar nicht übermäßig der Umwelt, wohl aber lässt er Innenstädte veröden, denn der Versandhandel geht oft zu Lasten der Einzelhändler. "Geschäfte sind Mittelalter", konstatierten die Samwer-Brüder, die mit ihrer Firma "Rocket Internet" ein Millionen-Imperium aufgebaut haben. Und deren Name zum Beispiel für Zalando steht.
Fakt ist: die Online-Branche wird weiter wachsen. Gerade in den Nischen ist noch Potenzial, zum Beispiel beim Lebensmittelversand. Der Online-Handel wird bis 2020 noch stark zunehmen, sagt auch Kai Hudertz, das liege in der Natur der Sache:
"Wir werden weiterhin mehr Konsumenten haben, die Onliner sind, im Moment sind es 80, also es fehlen ja noch ein paar Prozent, die werden immer schneller zu Online-Käufern, weil das Vertrauen in den Kanal da ist, wir sehen ja, dass sie immer häufiger und zu immer höheren Werten hier einkaufen und insofern ist klar, Online-Handel wird zunehmen aber es wird natürlich auch zunehmend Mischformen geben, click and collect, deutsch: Reservieren und abholen, das sind ja Formen und dann ist es eine akademische Frage: Ist das noch Online-Handel oder ist es jetzt stationärer Handel, und mit den entsprechenden Umsätzen."
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